systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

13. Oktober 2009
von Wolfgang Loth
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Zitat des Tages: Lynn Hoffman

Die Unverfrorenheit, mit der einem Lebenswendungen manchmal die postmoderne Selbstironie oder wellnessvermurkste Lebensweisheiten vom Teller fegen – wenn nicht um die Ohren hauen -, könnte einem konstruktivistische Ideen zum Umgang damit womöglich wie das Pfeifen im Walde erscheinen lassen. Vielleicht hat das ja etwas damit zu tun, dass auch konstruktivistisches Denken seinen Preis hat und nicht davor bewahrt, mit einem Bein mit in die Hölle zu steigen, während das andere im Möglichkeitenland seinen Stand zu halten versucht, wie Bill O’Hanlon das einmal so schön auf den Punkt brachte. Die Gewissheit eines zweiten Beins wäre dann eine Frage für sich, und womöglich wäre dann die eigene Basis für den Umgang mit dem Ungewissen eine ebenfalls nicht zertifizierbare Größe.
Als ich kürzlich, aus einem gegebenen Anlass, noch einmal Lynn Hoffmans 1996 in deutscher Übersetzung erschienene Aufsatzsammlung über „Therapeutische Konversationen“ durchblätterte und meinen damaligen Lesespuren folgte, stellte sich wieder ein Gespür dafür ein, dass es möglich ist, sich den Dingen zu stellen, ohne die „Dinge“ beherrschen zu können und dennoch etwas tun zu können. Ich habe für die „Zitatestages“-Rubrik daher einen kleinen Passus ausgewählt. Es handelt sich um eine Passage aus einem Interview, das Richard Simon für den Family Therapy Networker im Jahr 1988 mit Lynn Hoffman führte. Geschenkt, dass die in diesem Passus erlebbare Haltung wenig zu tun hat mit so etwas wie Erfordernissen einer sachzwanggerechten Anpassung an Verteilungsmechanismen, doch in einem ist sie im klaren Vorteil: mehr Transparenz geht nicht.
Das Zitat:
„Frage: Könnten Sie ein klinisches Beispiel geben, wie Sie ihre philosophische Haltung des Konstruktivismus in die Praxis umsetzen?
Hoffman: Okay. Ich werde Ihnen von einer Mutter und ihrer jungen erwachsenen Tochter berichten, die vor drei Jahren zu mir kamen, nachdem eine gewaltige Auseinandersetzung sie auseinander gebracht hatte. Die Familie war diese kleine Insel der drei Frauen gewesen – Großmutter, Mutter und Tochter -, aber nachdem die Großmutter gestorben war, wollte die Mutter, daß die Tochter mehr für sie da war. Die Tochter, die schon alleine lebte, blockte ab und sagte: „Ich muß mein eigenes Leben leben“. So hatten sie diesen großen Streit und sahen sich nicht mehr. Sie suchten schon einmal eine TherapeutIn auf, um einige Dinge zu regeln, aber sie begannen, sich wieder zu streiten.
Nach einigen Sitzungen, in denen es mißlang, sie zu versöhnen, fragte ich mich, ob ich ihren Konflikt wirklich verstanden hatte. So teilte ich den beiden Frauen mit, daß ich glaubte, in die falsche Richtung gegangen zu sein. Mein Versuch, sie zusammen zu bringen, könnte für sie das schlimmste auf der Welt gewesen sein.
Ich sagte ihnen auch, daß ich vielleicht nicht die richtige Therapeutin für sie bin, weil meine eigenen erwachsenen Töchter sich von mir entfremdet hatten. Ich sagte dies aus dem Grund, weil ich vielleicht zu sehr versucht hatte, sie zusammen zu bringen. Ich fühlte mich zunehmend ungehalten über die Mutter, weil sie so wütend war, aber nachdem ich meinen Ärger ausgedrückt hatte, fühlte ich, wie mein eigener Ärger verschwand. Das erste, was die Mutter danach zu mir sagte, war: „Warum bezahlen wir Sie dann für die Therapie?“ Eine Weile später wandte sie sich aus heiterem Himmel ihrer Tochter zu und sagte: „Ich möchte, daß Du weißt, daß ich Dich nicht für meine Depressionen seit Omas Tod verantwortlich mache.“ Danach hatten Mutter und Tochter ihr erstes positives Gespräch nach drei Jahren.
Frage: Ich bin mir nicht sicher, inwiefern dieser Fall konstruktivistisches Denken widerspiegelt.Hoffman: Ich glaube insoweit, daß ich zurücktrat und mich daran erinnerte, welcher Teil meiner eigenen „Geschichte“ mich beeinflußt haben könnte und diese Reflexion mitteilte. Früher hätte ich das Paar als mir„Widerstand Leistende“ bezeichnet und hätte mir wahrscheinlich ein paar Gegenmanöver ausgedacht. Ich hätte nicht auf meine Gefühle geachtet. Besonders hätte ich nicht meine Schwierigkeiten mit meinen Töchtern diskutiert.
Natürlich gab es auf der Ebene der Techniken einiges, das man als „konstruktivistisch“ bezeichnen könnte. Zum Beispiel, wie Mutter und Tochter „Wirklichkeit“ konstruierten, war nicht besonders hilfreich, deshalb bot ich einen anderen Weg an, sie zu konstruieren, so daß sich beide wohl fühlten. Das Problem war immer noch da, aber ich versuchte, seine Bedeutung zu verschieben.
Aber meine Haltung unterschied sich von der aus früherer Zeit. Als ich aufhörte, eine „Expertin“ zu sein, wurde ich auch weniger distanziert und anonym. Ich zeige jetzt eine viel persönlichere Seite von mir, und ich gebe Fehler zu, wenn ich im Unrecht war. So viele Familientherapiemodelle halten an TherapeutInnen fest, die auf der Bergspitze stehen, oder sich hinter einem Spiegel verstecken. Ich fühle mich damit zunehmends unwohler.“ (Zitat aus: Lynn Hoffman (1996) Wie eine freundliche Herausgeberin: Richard Simon interviewt Lynn Hoffman. In: Therapeutische Konversationen. Von Macht und Einflußnahme zur Zusammenarbeit in der Therapie – Die Entwicklung systemischer Praxis“, Dortmund verlag modernes lernen; Zitat S.85-86. Das Buch ist Band 13 der Serie „systemische studien“, eine von Jürgen Hargens bis vor wenigen Jahren auf den Weg gebrachte Sammlung. Das waren noch Zeiten)

12. Oktober 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Till Bastian

«Es ist nicht zu verkennen, dass in der modernen westlichen Gesellschaft die Sexualscham von der Statusscham fast völlig verdrängt worden ist. Noch für Sigmund Freud war die Scham ein Damm gegen die (sexuell motivierte) Schaulust. Man vergleiche nur kurz jene Epoche, in der der junge Freud zutiefst erschrak, während einer Fahrt im Schlafwagen matrem nudam zu sehen (noch als Erwachsener musste er das in lateinischen Worten niederschreiben), mit der gegenwärtigen und mit ihrem Fernsehprogramm, das ja auch Kindern im Alter des kleinen Sigmund mühelos zur Verfügung steht. In einer Zeit, in der Jugendliche durchaus in der Lage sind, sich auf dem Schulhof während der Pause zum Zeitvertreib via Handy überreichlich Sex- und Gewaltdarstellungen zu betrachten, leben wir offenkundig unter völlig anderen Bedingungen als einst in der viktorianischen oder in der wilhelminischen Ära. Natürlich hat es auch früher Status-Scham gegeben, aber sie bezog sich meist auf den Ehrencodex privilegierter Schichten: „Spielschulden sind Ehrenschulden“, das ist das Motto, das in Arthur Schnitzlers Meisternovelle „Spiel im Morgengrauen“ den jungen Leutnant Willi Kasda zum Suicid treibt, dem Aias im Grundsatz durchaus ähnlich. Heute ist die Status-Scham demokratisiert und infolgedessen ubiquitär; sie bezieht sich vor allem auf die Verfügbarkeit über Gebrauchsgüter und Verhaltensoptionen. Einem Kollegen von mir ist es tatsächlich widerfahren, dass seine pubertierende Tochter ihn erbost zur Rede stellen wollte, weil er während des Schulfestes telefoniert hatte: „Wie kannst du mich nur so blamieren! Mit so einem alten Handy!“ Das Wort „peinlich“ fällt nicht ohne Grund in der Sprache der Jugendlichen äußerst häufig. Die Scham dieser Jugendlichen von heute kristallisiert sich in erster Linie an der Unfähigkeit aus, Dockers-Schuhe, Diesel-Jeans und T-Shirts zu tragen. Auch hier wird die Bedeutung der visuellen Sphäre deutlich: Man schämt sich jetzt wie einst für den Anblick, den man bietet – aber nicht nackt und bloß, sondern uncool und ohne Markenware.» (In: „Scham und Schaulust, Macht und Ohnmacht…“. Vortrag im Rahmen der 57. Lindauer Psychotherapiewochen 2007, Foto: das.syndikat.com)

11. Oktober 2009
von Tom Levold
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Herbst

DIE NATUR
GIBT NOCHMAL
RICHTIG
GAS.

FARBEN
IM ÜBERDRUSS.

DAS LAUB
DUFTET
NACH
ABSCHIED.

ES WIRD
ZEIT
NACH HAUSE
ZU GEHEN.

ANKOMMEN.
MIT
DER LIEBSTEN
EINEN
KAKAO
TRINKEN.

ABENDS
GREIFT
DER WINTER
NACH UNS.

KEINE CHANCE,

DAFÜR IST DER
KAKAO VIEL ZU SÜß.

(Jens Borrmann,„Kopfsprung„)

11. Oktober 2009
von Tom Levold
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Gedichte von Jens Borrmann

Jens Borrmann aus Chemnitz ist Erzieher, Sozialarbeiter und Supervisor sowie Lehrtherapeut und 1. Vorsitzender am Sächsischen Institut für Systemische Beratung und Therapie. Neben seiner Tätigkeit im Beratungs- und Weiterbildunggeschäft schreibt er Gedichte, von denen bereits zwei bei Lyrikwettbewerben prämiert worden sind. Im Eigenverlag sind 2009 zwei Gedichtbände erschienen („Kopfsprung“ und„Wasserflecken“), die auch über Amazon erhältlich sind. Ich freue mich, an diesem und den kommenden Sonntagen bis Dezember ausgewählte Gedichte von Jens Borrmann veröffentlichen zu dürfen.

10. Oktober 2009
von Tom Levold
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Burnout

Heft 3 der Zeitschrift„Psychotherapie im Dialog“ beschäftigt sich mit dem Thema Burnout, wie immer aus zahlreichen unterschiedlichen Perspektiven, aber durchaus mit Ambivalenz, wie die Herausgeberinnen Bettina Wilms und Maria Borcsa im Editorial festhalten:„Einerseits beschäftigt sich die Tagespresse immer öfter zwischen Ab- und Aufwertung mit dem Thema, andererseits wird in psychiatrischen Fachkongressen über eine neu zu definierende diagnostische Kategorie nachgedacht. In beiden Fällen geschieht dies gleichzeitig aber auch mit dem teilweise pointiert ausgesprochenen Hintergedanken, dass es eine Mode sei, von Burnout zu reden, dass es möglicherweise eine moderne, vielleicht gesellschaftlich anerkannte Form des Drückebergertums sei und der für viele von uns Psychotherapeuten beunruhigenden Befürchtung, selbst davon betroffen sein zu können (als ob das für andere als psychisch beschriebene Störungen nicht gelten würde)“ Wer einen Überblick über das Thema haben möchte, ist mit dem Heft gut bedient.
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9. Oktober 2009
von Tom Levold
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SG-Kommunikationsforum eröffnet


Die Systemische Gesellschaft (SG) bietet ab sofort für ihre Mitglieder und andere interessierte Personen ein Kommunikationsforum auf ihrer website. Dieses Forum ermöglicht die Diskussion unterschiedlicher Fragen im Systemischen Netzwerk.Auf Wunsch der Mitgliederversammlung hat die SG im Internet ein Forum für den Austausch über Systemische Inhalte eingerichtet. Tom Levold, Herausgeber des„systemagazins“, hat das neue Forum in Zusammenarbeit mit dem Vorstand der SG umgesetzt.
Das SG-Forum besteht aus drei Bereichen:
1. Ein öffentlicher Bereich, in dem jede Systemisch interessierte Person nach Informationen suchen und Fragen an die Systemische Welt stellen kann. Beispielsweise können Fragen zur Systemischen Gesellschaft, Literaturanfragen oder sonstige Fragen zur Unterstützung der Systemischen Arbeit gestellt werden.
2. Einen geschlossenen Bereich für SG-Mitglieder. Nach erfolgter Registrierung bekommt das SG-Mitglied Zugang etwa zu Protokollen, Informationen aus den Ausschüssen oder Möglichkeiten, sich mit den Regionalgruppen oder anderen Mitgliedern auszutauschen.
3. Einen geschlossen Bereich für Funktionsträger in den Ausschüssen der SG. Jeder Ausschuss hat einen eigenen geschlossen Bereich für seine Arbeit.
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9. Oktober 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Harald Wasser

„Als Basisoperation der Psyche nannte Luhmann das Bewusstsein. Das war nur konsequent aus seiner Sicht. Sich da an Husserl anzulehnen, lag nahe, auch weil auf diese Weise andere Theoreme Husserls eingewoben werden konnten, also etwa Husserls Sinnbegriff, sein Zeitbegriff und natürlich seine phänomenlogische Herangehensweise als solche. Wie also müsste ein alternativer Kandidat beschaffen sein, den man als Operationsmodus des psychischen Systems und damit als Ersatz für Bewusstsein einsetzen könnte? Nun, eins steht fest, »das Unbewusste« kann dieser Kandidat nicht sein, denn das hieße, nun umgekehrt auf Bewusstsein verzichten zu müssen und also das Kind mit dem Bade auszuschütten. Der Kandidat muss sich also dadurch auszeichnen, Bewusstes wie Unbewusstes miteinander verbinden bzw. übergreifen zu können. Im Deutschen gibt es einen Begriff, der eigentlich jede Art geistiger Zustände und Prozesse meint, wenn auch zugegebner Maßen in den meisten Fällen auf Bewusstsein zielt. Dieser Begriff ist der des Erlebens. Schließlich sagen wir nicht, »ich habe das und das bewusstet«. Wir sagen: »Ich habe das und das erlebt.« Der Begriff schließt also Bewusstsein ein und nicht aus. Aber er legt sich nicht auf Bewusstsein fest. Wenn wir zu jemanden sagen: »Offensichtlich habe ich das als sehr unangenehm erlebt, sonst hätte ich nicht so brüsk reagiert«, dann heißt das, dass wir uns selbst manchmal klar darüber werden können, dass uns nicht immer alle Aspekte unseres Erlebens auch unmittelbar bewusst sind. Das ist kein sehr strenger Begriff des Unbewussten, aber uns reicht hier ja ein »door opener«“ (In:„Das Unbewusste − ein psychologisches Unding? Ein blinder Fleck Luhmanns und wie man ihn aufhellt“. Vortrag gehalten in Hamburg am 4.9.2006 im Institut für systemische Studien)

8. Oktober 2009
von Tom Levold
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Die intersubjektive Wende in der Psychoanalyse

Dass die Psychoanalyse schon längst nicht mehr auf das Etikett„intrapsychisch“ reduziert werden kann und beziehungstheoretische Aspekte seit 20 Jahren eine enorme Karriere hinter sich gelegt haben, müsste sich auch schon unter Systemikern herumgesprochen haben. Dennoch ist die Wahrnehmung von Diskursen der psychoanalytischen Theoriebildung hier nicht gerade ausgeprägt. Martin Altmeyer und Horst Thomä haben schon 2006 unter dem Titel„Die vernetzte Seele“einen Sammelband im Klett-Cotta Verlag herausgebracht, der verschiedene Positionen amerikanischer AutorInnen zum Thema Beziehung, Intersubjektivität und sozialer Identität sowie einige„europäische Antworten auf die amerikanische Herausforderung“ vorstellt. systemagazin bringt zwei bereits an anderer Stelle veröffentliche Rezensionen. Christa Paulinz resümiert:„Durch die dichte und präzise Darstellung der Rezeptionen des Intersubjektivitätskonzepts durch psychoanalytische Strömungen im amerikanischen und europäischen Raum eignet das Werk sich ausgezeichnet dazu, einen historischen Überblick zu erhalten, die gegenwärtigen Positionen innerhalb psychoanalytischer Richtungen zu erfassen und die Schwerpunktsetzungen innerhalb einer psychoanalytischen Schule zu verstehen“ In einer weiteren, umfangreichen Rezension bleibt Ulrich Streeck trotz aller Verbundenheit mit der Perspektive auch skeptisch:„Die intersubjektive Wende in der Psychoanalyse spiegelt eine Entwicklung wider, die sich in Nachbardisziplinen in vergleichbarer Weise vollzieht und die allem Anschein nach einem umfassenderen gesellschaftlichen Prozeß aufruht, ‚womöglich einen historischen Umbruch im Selbst- und Weltverhältnis der Individuen‘ (S. 25) anzeigt, der sich im Kontrast zu einem reduktionistischen Neobiologismus mit Resonanz und Bezogenheit verbindet. Ob sich allerdings mit der Anerkennung von Intersubjektivität als Erfahrungsgrundlage der Psychoanalyse tatsächlich, wie die Herausgeber prognostizieren, deren einigender und integrierender ‚common ground‘ abzeichnet, bleibt angesichts der Diversifizierung des Begriffs, die die Diskussion kennzeichnet, abzuwarten“.
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7. Oktober 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Norbert Bolz

„In einer Welt, die »soziale Kompetenz« über alles stellt, die uns also ständig ermuntert, gesellig, freundlich, kooperativ und »teamfähig« zu sein, überlebt das einzigartige Talent nur noch im Sport; nur hier herrscht noch der Respekt vor der Leistung. Nur im Sport kann der Beifall der anderen nicht das Erreichen eines Ziels ersetzen. Nur im Sport gibt es deutlich sichtbare Grenzen des Schönredens. Alles ist zugleich leidenschaftlich und streng geregelt. Und die Regeln gelten für alle. Auch das bestätigt die funktionale Äquivalenz von Sport und Jagd. Wer ein Fußballspiel besucht, wirft einen Blick in eine untergegangene Welt. Er genießt heroische Männlichkeit aus zweiter Hand. Bertolt Brecht (…) hatte recht: Sport als Passion hat nichts mit Hygiene und Gesundheit zu tun; nichts ist seinem Wesen ferner als die kultivierte Verfeinerung zur Gesellschaftsfähigkeit. Im Sport geht es einzig und allein um Kampf und Rivalität; er hat keinen über sich selbst hinausweisenden Zweck“ (In:„Das Paradies des Wesentlichen“. In: Fritz B. Simon (Hrsg.): Vor dem Spiel ist nach dem Spiel. Systemische Aspekte des Fußballs. Carl-Auer-Verlag, Heidelberg 2009, S. 18)

6. Oktober 2009
von Tom Levold
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Aspekte der Psychosenbehandlung

Die aktuelle Ausgabe der Familiendynamik ist dem Schwerpunktthema„Psychose“ gewidmet. Es umfasst neben einem Überblickartikel von Volkmar Aderhold und Ulrike Borst über„Neue Empirie zur alten Hypothese von Vulnerabilität und Stress“ Beiträge über Junge Menschen und beginnende Psychose, die Dynamik in gemeindepsychiatrischen Hilfesystemen und die Arbeitssituation von Menschen nach Psychosen. Zum Thema gibt es noch ein Interview mit Altmeister Luc Ciompi. Darüber hinaus gibt es aber auch noch viele andere Beiträge zu lesen, u.a. blickt Bruno Hildenbrand auf David Reiss‘ Klassiker„The Family’s Construction of Reality“ zurück.
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5. Oktober 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Joseph Duss-von Werdt

„Je nachdem, auf wen jemand schaut – also je nach wem -, wählt er aus und lässt weg. Dasselbe passiert, je nach dem, auf was er schaut (…). Der systemische Blick ist nicht so„ganzheitlich“, wie man es ihm nachsagt, sondern ebenso perspektivisch, absichtlich (intentional) oder nicht auf etwas Bestimmtes gerichtet, anderes gleichzeitig auslassend. Dass zum Beispiel im Menschen ständig etwas vorgeht, verneint er zwar nicht, aber systemisch befasst er sich mehr damit, was zwischen Menschen passiert. Die totale Rundumsicht, alles gleichzeitig„auf einen Blick“ zu sehen, ist kein menschliches Maß, und wer sie zu haben beansprucht, hat einen verdächtigen Hang zum Totalitären. Statt Gegenstand des Wahrnehmens und Denkens sein zu können, bildet das Ganze systemisch den endlosen Horizont der Erfahrung, Wahrnehmung und Erkundung. Selber Teil des Ganzen, ist der Mensch nicht alles, steht jedoch deswegen mit anderen Teilen in Wechselwirkung und bildet mit ihnen größere oder kleinere Systeme (griech. systema = Zusammenstellung von Elementen zu einem übergeordneten Gebilde, das mehr ist als ihre Summe)“ (in: Einführung in die Mediation. Carl Auer Verlag, Heidelberg 2008, S. 23f.)

4. Oktober 2009
von Tom Levold
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Lob der Vernunftehe

Wer solch einen Titel für sein Buch wählt, kann nichts anderes als eine Streitschrift im Sinne haben. Arnold Retzer, allseits bekannter systemischer Therapeut aus Heidelberg, der auch in den Massenmedien wie„Stern“ oder„WDR“ gerne gesehen ist, hat eine solche„Streitschrift für mehr Realismus in der Liebe“ verfasst. Rudolf Klein hat das Buch für systemagazin gelesen und ist angetan:„Das Buch ist im besten Sinne beeindruckend. Retzer gelingt es, einen Text anzufertigen, der komplizierte Zusammenhänge aus unterschiedlichen Wissensbereichen verknüpft und gleichzeitig leicht lesbar ist. Vielleicht ist das der Grund, dass ich beim Lesen einerseits nützliche Hinweise für paartherapeutisches Arbeiten bekam und gleichzeitig angeregt wurde, über sehr allgemein und gerade deshalb stark eingefahrene Übereinkünfte, Meinungen, für als ‚Wissen‘ angesehene Selbstverständlichkeiten neu nachzudenken. Aber der Text ist noch mehr: Er lädt unmerklich dazu ein, die eigenen Paar- und Eheerfahrungen zu bedenken, ins Gespräch miteinander zu kommen, Übereinstimmendes und Unterschiedliches zu benennen, ja geradezu die Lust am Austausch zu fördern: Eine zusätzliche gemeinsame Erfahrung zu machen“
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2. Oktober 2009
von Tom Levold
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Carl-Auer-Verlag wird 20!

Der Carl-Auer-Verlag feiert in diesen Tagen seinen 20. Geburtstag. Dazu an dieser Stelle ganz herzliche Glückwünsche vom systemagazin an die Verleger Fritz Simon und Gunthard Weber und das wunderbare Verlagsteam.„Ich bin natürlich entzückt, daß schließlich und endlich diesem außerordentlichen, diesem seltsamen und äußerst kreativen Menschen, Carl Auer, durch diese Festschrift ein Denkmal gesetzt wird. Ich bin auch den Herausgebern dieser Festschrift besonders dankbar, daß sie es mir erlauben, meinen Dank an Carl Auer für seinen großen Einfluß, den er auf mich in seiner frühen Jugend gehabt hat, abzustatten. Lassen Sie mich kurz erzählen, in welcher Weise ich Carl Auer getroffen und kennengelernt habe“ Diese Sätze sind natürlich nicht von mir, sondern von Heinz von Foerster, der noch die Gelegenheit hatte, Carl Auer selbst zu begegnen und dessen Leitmotiv („Das einzige, was man machen kann als Konstruktivist, ist, anderen die Gelegenheit zu geben, ihre eigene Welt zu konstruieren“) dem Carl-Auer-Verlag mit auf den Weg zu geben. Ein Motiv, dass der Verlag seither mit seinem umfangreichen Programm auf vielfältige Weise eingelöst hat.
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