systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

27. Oktober 2009
von Tom Levold
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Mediation und Abschied

Mit einem sehr spannenden Themenschwerpunkt„Mediation“ verabschiedet sich Klaus G. Deissler nach 18 (!) Jahren als Herausgeber von der„Zeitschrift für systemische Therapie und Beratung“. Von diesem (schon länger angekündigten) Abschied macht er in seinem Vorwort (das auch in die Aufsätze des aktuellen Heftes einführt) wenig Aufhebens. An dieser Stelle sei ihm daher für seine ebenso beachtliche wie unermüdliche publizistische Tätigkeit (die er schon in den Anfangsjahrgängen des„Kontext“ zur Entfaltung brachte) ganz herzlich gedankt. Ab dem kommenden Jahr wird die Zeitschrift in neuem Layout und in neuem Format unter der Herausgeberschaft von Cornelia Tsirigotis erscheinen.
Zu den vollständigen abstracts der aktuellen Ausgabe…

26. Oktober 2009
von Tom Levold
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Angsten und Ent-Angsten

Unter diesem etwas ungewöhnlichen Titel hat Christoph Thoma aus Amstetten in Österreich ein Buch über„Systemische Kurztherapie bei Angstdynamiken“ im Eigenverlag ISKAM veröffentlicht. Offenbar erfolgreich, denn die ersten beiden Auflagen sind bereits verkauft, die dritte Auflage ist in Vorbereitung, Exemplare können beim Autor vorbestellt werden. Wilhelm Rotthaus hat das Buch gelesen und empfiehlt die Lektüre:„Der Leser wird dann 20 höchst anschauliche Fallbeschreibungen finden, die deutlich machen, dass Christoph Thoma keineswegs schematisch einer festgelegten Behandlungsstrategie folgt, sondern mit viel Verständnis und Empathie einerseits und einer großen (nicht verstehenden) Neugierde andererseits sich ganz auf die Besonderheiten des Erlebens und Verhaltens jedes einzelnen Klienten orientiert und in oft überraschender und kreativer Weise Lösungen ihrer vorgestellten Probleme anregt. Dabei spricht jede seiner Fallgeschichten eine je spezifische Thematik an, wie sie bei„Angstpatienten“ häufig auftritt. Ich habe das Buch mit viel Interesse und Genuss gelesen und kann es nur weiterempfehlen!“
Zur vollständigen Rezension…

25. Oktober 2009
von Tom Levold
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Männer und Frauen

ZWEI
GESCHLECHTER
GIBT ES.

BEGRENZTE
AUSWAHL.

ENTWEDER
WAR
EVOLUTION
ZU
GEIZIG

ODER

SIE
AHNTE
UNSER
VERSAGEN
IM
VORAUS

VERSCHWENDUNG
HAT
KEINEN PLATZ
IN DER
NATUR.

EINS UND EINS
MACHT ELF.

(Jens Borrmann,„Kopfsprung„)

24. Oktober 2009
von Tom Levold
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Transnationale Utopien?

Seit einigen Tagen liegt das Heft 5 der Revue für postheroisches Management vor. Das übergreifende Thema lautet„Transnationale Utopie?“ Wie immer ist das Heft ästhetisch von beeindruckender Qualität. Wie man hört, hat das Layout der Zeitschrift einen Design-Preis gewonnen. Diese Auszeichnung ist mehr als berechtigt. Inhaltlich scheint es mir allerdings zu den eher schwächeren Heften zu gehören. Das Fragezeichen hinter Utopie ist mehr als berechtigt, weil der Mangel an Visionen im Bereich transnationaler Zukunftsgestaltung offenkundig ist. Ein Schwerpunkt des Heftes liegt auf den Arbeiten von Christopher A. Bartlett und Sumantra Ghoshal, aus deren Buch (von 2002) über transnationale Unternehmen ein Kapitel in der englischen Originalversionen abgedruckt wird und die aus verschiedenen Perspektive von Autoren wie z.B. Reinhart Nagel und anderen kommentiert werden. Ein bemerkenswert enttäuschender Beitrag über die Finanzkrise stammt von der gerade erst für ihr Werk ausgezeichneten Systemtheoretikerin Elena Esposito. Nach einem Jahr intensiver Debatte über die Finanzkrise und ihre Dynamik lesen wir in ihrem Beitrag tatsächlich:„Was bisher als Einziges klar verstanden wurde, ist, dass wir nichts verstanden haben: keine Modell und keine Theorie gelingt es, wirklich zu klären, wie die Krise entstanden ist oder was gerade passiert. Es gibt natürlich Elemente: die Überbewertung und das Wachstum des Immobilienmarktes (vor allem in den USA), die Intransparenz der strukturierten Finanzinstrumente, der Mangel an Reglementierung usw. aber ein richtig überzeugendes Allgemeinbild fehlt: wo haben wir etwas falsch gemacht und warum? Wie hat eine solche Lage entstehen können, das der Finanzmarkt mit allen seinen Modellen und Strategien scheinbar seinen Weg gegangen ist, ohne jegliche Bindung an den Verlauf der ‚realen Wirtschaft‘ und ohne jemanden, der ihn stoppen konnte oder wollte?“ Wirklich? Sind wir so ahnungslos? Fehlt es an Theorie? Espositos Hinweis darauf, dass es bei den Finanzspekulationen um Wetten auf eine Zukunft geht, die uns heute noch nicht bekannt ist und daher mit Risiken belegt ist, ist theoretisch wenig gehaltvoll (weil trivial) und stellt die Systemtheorie als Erklärungsmodell für die aktuelle globale Krise in einen nicht gerade vorteilhaftes Licht. Wissen wir wirklich nicht, wie die Misere zustande gekommen ist? Henry Mintzberg, dessen Beitrag das Heft eröffnet, ist da ganz anderer Ansicht:„What we have here is a monumental failure of management. American management is still revered across much of the globe for what it used to be. Now, a great deal of it is just plain rotten – detached and hubristic. Instead of rolling up their sleeves and getting engaged, too many CEOs sit in their offices and deem: they pronounce targets for others to meet, or else get fired“. Wie auch immer: eine lohnenswerte Lektüre.
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23. Oktober 2009
von Tom Levold
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Berater und ihre Junkies

Ein schöner Artikel von Dagmar Deckstein, der schon 2006 in der Gazette erschien, aber auch heute noch sehr aussagekräftig ist (obwohl die Beraterbranche im Rahmen der aktuellen Krise heftige Einbußen hinnehmen musste):„Einer, der schon lange gegen solches Unvermögen derreal herrschenden Managerkaste zu Felde zieht, ist der St. Gallener Professor Fredmund Malik, der sich auch nicht scheut, die Shareholder-Value-Maxime, nach der viele Unternehmen geführt werden, als „größte Irrlehre der Wirtschaftsgeschichte“ zu brandmarken. Auch hat er wohl erkannt, wo die Wurzeln dieserUnfähigkeit liegen, nämlich in den Hochschulen: „Fast alle Hochschulen versagen,wenn es um Management geht. Die Professoren bilden zwar Experten für Betriebswirtschaft aus, für Controlling oder Marketing. Aber von Management,von Führung, ist nie die Rede.“ Und so kann es gar nicht ausbleiben,dass in diesem schleichenden Prozess der letzten Jahrzehnte betriebswirtschaftliche Fachidioten auf die Karriereleitern der Unternehmen geschickt wurden, denen das EBITDA – also die vollkommen lebensfremde Kennziffer Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen – sakrosankt und die Emotionen der Mitarbeiter suspekt sind. Wenn nun Berater diese blinden Flecken im Managementsystem zielsicher auschecken und sie gegen Tagesgagen im fünfstelligen Eurobereich zu füllen versprechen, kann man ihnen das gar nicht verdenken oder sie gar als Schurken im Stück beschimpfen. Wer alle Türen im Haus sperrangelweit offen stehen lässt, muss sich nicht wundern, wenn seltsame Gestalten hereinschneien und sich zwanglos im Wohnzimmer umsehen“
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22. Oktober 2009
von Tom Levold
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Vernunft und Wahn

Das Zitat des Tages hat heute Hartwig Hansen beigesteuert:

„Für die 25. (Jubiläums)Ausgabe des „Brückenschlag“, der „Zeitschrift für Sozialpsychiatrie, Literatur, Kunst“, wählte die Redaktion den Titel „Wahn – Sinn – Wirklichkeit“, um noch einmal das Ursprungsthema dieser Jahreszeitschrift aufzugreifen und zu reflektieren, was sich im Bereich des Psychose-Verständnisses und der Behandlung von psychischen Erkrankungen in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten verändert hat. Traditionell wird dann den vielfältigen Beiträgen auch ein das Thema illustrierendes Motto vorangestellt. Diesmal entschieden sich die Herausgeber für ein Gegenüberstellung von „Wahn“ und „Vernunft“:

Wahn

mittelhochdeutsch wãn „ungewisse, unbegründete Ansicht, Vermutung, Meinung, Hoffnung, Erwartung, Vorstellung, Scheu“. Als Ausgangsbedeutung ist „(unbegründete) Erwartung, Hoffnung“ anzusetzen, eigentlich „Gewünschtes, Ersehntes“. Wahn wird seit mittelhochdeutscher Zeit in Gegensatz zu Wissen und Wahrheit gestellt. Im Frühniederhochdeutschen entwickelt sich der Sinn „willkürlich zurechtgemachte, nicht der Wirklichkeit entsprechende Meinung, Vorstellung“ (16 Jh.), dann „Selbsttäuschung, fixe Idee“ als krankhafte Erscheinung (18 Jh.), und Wahn gerät dadurch in die semantische Nähe von nicht verwandtem Wahn (in Wahnsinn, Wahnwitz). Aus: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, dtv, 8. Auflage, 2005

Vernunft

„Ich fühlte mich bestärkt in meiner Auffassung, dass es nicht die Vernunft sein kann, von der eine Lösung für die Probleme der Menschheit zu erwarten ist. Denn schließlich ist gerade die Vernunft Ausgangspunkt eines Großteils dieser Probleme. Vielleicht sind wir selbst diese Lösung, wenn wir es nur schaffen, uns von den Fesseln vorgefertigter Gedanken zu lösen, von den Erfahrungen, von all dem, was wir zu wissen glauben, um so die Freiheit der Einbildungskraft wiederzugewinnen und unserer Fantasie Raum zur Entfaltung zu geben.“ Tiziano Terzani in: Noch eine Runde auf dem Karussell. Vom Leben und Sterben, S. 695/696

21. Oktober 2009
von Tom Levold
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Die Familie und das Familienunternehmen

In einem Aufsatz aus dem Jahre 2001 (Familiendynamik 3/2001, S. 302-322) haben Arnold Retzer und Hans Rudi Fischer sich dafür ausgesprochen, in der Beratung von Familienunternehmen auch familientherapeutische Perspektiven einfließen zu lassen. Zu Anfang des Textes heißt es:„Familienunternehmen sind sowohl für die beteiligten Familien als auch volkswirtschaftlich ausgesprochen bedeutungsvoll. In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind mehr als 75 % aller Unternehmen Familienunternehmen, und über 70% aller unselbständig Erwerbstätigen sind in Familienunternehmen beschäftigt. Mehr als 50% der Familienunternehmen überleben nicht die Übergabe von der 1. an die 2. Generation. Damit besteht in der Nachfolgeproblematik eine existentielle Gefährdung der Unternehmen und der betroffenen Mitarbeiter. Angesichts der Tatsache, dass fast alle mittelständischen Unternehmen Familienunternehmen sind, ist zu erwarten, dass das Phänomen „Generationenwechsel“ hochaktuell sein müsste. Ein Blick auf die von den Unternehmerverbänden veröffentlichten Zahlen bestätigt dies. Vorsichtige Berechnungen gehen allein in Österreich von gegenwärtig 70.000 Unternehmen aus, die vor einem Generationswechsels stehen. Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM Bonn) hat allein für 1999 76.000 übergabereife Unternehmen erfasst. Davon wurden ca. 32.000 an Familienmitglieder übergeben, 38.000 verkauft und ca. 5.700 mangels Nachfolger stillgelegt. In den kommenden Jahren stehen ca. 300.000 deutsche Unternehmen (mit mehr als 2,5 Mio. Euro Umsatz) vor der für die Unternehmen existenziellen Frage, wie die Nachfolge zu regeln ist. Gegenwärtig versterben um die 30 % aller Unternehmer, ohne die Nachfolge testamentarisch geregelt zu haben. In den meisten Fällen führt dies zu schweren Krisen für die Unternehmen, weil die Erben meist schnell zerstritten sind. Nicht selten führt das zum Konkurs bzw. der Liquidation des Unternehmens. Für den Unternehmer bzw. die Unternehmerin, die die Nachfolge regeln will, stehen neben Familienrechtsfragen hauptsächlich gesellschafts-, erb- und steuerrechtliche Fragen im Vordergrund. Daher ist das Problembündel, das sich um den Generationswechsel und die Nachfolgeregelung bei Familienunternehmen rankt, bisher eine Domäne von Juristen, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern. Der Fokus liegt dabei eindeutig auf der Klärung der ökonomischen, steuerlichen und juristischen Randbedingungen für das Fortbestehen des Unternehmens. Angesichts der Tatsache, dass viele Generationswechsel – selbst wenn sie von Anwälten und Steuerfachleuchten gut vorbereitet sind – nicht aus ökonomischen Gründen scheitern, sondern im weiteren Sinne aus familiendynamischen, halten wir es für sinnvoll, sich sowohl als Familientherapeut als auch als Organisationsberater den spezifischen Fragen und Herausforderungen von Familienunternehmen zu stellen“ Der Aufsatz ist auch im Internet nachzulesen.
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20. Oktober 2009
von Wolfgang Loth
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Zitat des Tages: Eric Hoffer

Ich weiß nicht mehr genau, wie es kam, dass mir eines Tages ein Buch von Eric Hoffer in die Hände fiel. Das Buch hieß „Die Angst vor dem Neuen“, 1968 als rororo-Bändchen in der Enzyklopädie-Reihe herausgekommen. Im Original war es bereits 1952 erschienen unter dem anders akzentuierenden Titel „The Ordeal of Change“. Was man über Hoffer (1902-1983) als Person lesen kann, finde ich ungemein spannend. Als Kind erblindet, als Jugendlicher plötzlich wieder sehend, ein Autodidakt erster Güte, der sich immer wieder als Gelegenheitsarbeiter verdingte, jedes Mal nur so lange, bis er wieder genügend Geld hatte, um in Ruhe lesen und studieren zu können. Hannah Arendt hat die Begegnung mit ihm so fasziniert, dass sie in einem ihrer Briefe an Karl Jaspers geradezu enthusiastisch davon berichtet. Hoffers Betrachtungen mögen aus postmoderner Sicht freaky wirken, altmodisch, vielleicht auch pathetisch, ein moderner Diogenes. Irgendwie nicht zu vereinnahmen, auch wenn er wohl in den USA seinerzeit manchem Politiker als Berater galt. In meiner Vorbereitung auf die Bochumer SG-Tagung zu fremden wie eigenen Blicken spielte mir der irgendwie gewollte Zufall das Bändchen wieder in die Hände und zwei Abschnitte daraus wären mein heutiges Zitat des Tages: „Die durch eine Krise ausgelösten Energien sind gewöhnlich auf rein zweckbedingtes Handeln und auf die Nutzanwendung bereits bekannter Praktiken ausgerichtet.“ „Der verzweifelte Kampf um die nackte Existenz übt eher einen statischen als einen dynamischen Einfluß aus. Die dringende Suche nach den unmittelbar notwendigen Dingen hört praktisch auf, sobald wir nur etwas einigermaßen Angemessenes gefunden haben, die Suche nach den nicht unmittelbar notwendigen Dingen setzt sich dagegen endlos fort. Daraus ergibt sich die merkwürdige Tatsache, daß sich die unentwegtesten und spektakulärsten Bemühungen des Menschen nicht auf die notwendigen Dinge bezogen, sondern auf die überflüssigen. Erinnern wir uns daran, daß die Entdeckung Amerikas nur eine Nebenerscheinung der Suche nach Ingwer, Gewürznelken, Pfeffer und Zimt gewesen ist…“aus: Eric Hoffer (1968): „Die Angst vor dem Neuen. Freiheit als Herausforderung und Aufgabe“. Reinbek: rororo; Zitate S. 97 u. S. 98

18. Oktober 2009
von Tom Levold
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Organspende

ICH SPENDE
MEIN HERZ
FÜR DIE,
DENEN ES FEHLT.

ICH SPENDE
MEINE LUNGE
FÜR DIE,
DIE ABTAUCHEN.

ICH SPENDE
MEINE AUGEN
FÜR DIE,
DIE WEGSEHEN.

ICH SPENDE
MEINE BEINE
FÜR DIE,
DIE SICH NICHT
BEWEGEN WOLLEN.

ICH SPENDE
MEINE HÄNDE
FÜR DIE,
DIE NICHTS BEGREIFEN.

ICH SPENDE
MEINE HAUT
FÜR DIE,
DIE SICH EINIGELN.

ICH SPENDE
MEINE STIMMBÄNDER
FÜR DIE,
DIE SCHWEIGEN.

ICH SPENDE
MEINE NASE
FÜR DIE,
DIE SICH NICHT
RIECHEN KÖNNEN.

ICH SPENDE
MEINE OHREN
FÜR DIE,
DIE NICHT ZUHÖREN.

(Jens Borrmann,„Kopfsprung„)

17. Oktober 2009
von Tom Levold
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Luhmanns Theorie psychischer Systeme und das Freudsche Unbewusste

„Luhmanns Systemtheorie ist im Theoriesektor »soziale Systeme« durch eine sehr hohe Theoriedichte gekennzeichnet. Im Sektor »psychische Systeme« findet sich dagegen bislang nur eine kognitionspsychologisch nachjustierte Adaption der bewusstseinsphilosophischen Identitätstheorie (Psyche = Bewusstsein), die über weite Strecken der Subjektphilosophie entlehnt wurde und daher in einer Theorie, die mit der
Subjektphilosophie bricht, problematisch wirken muss. Zugleich wird damit die Möglichkeit verspielt, die Psyche als ein intern differenziertes System zu beschreiben, denn das Bewusstsein »kennt« keine Subsysteme. Eine systemtheoretisch sicherlich nicht wünschenswerte Einschränkung, die bei einem Verzicht auf das Postulat von der Identität von Psyche und Bewusstsein vermieden werden könnte“ So beginnt eine Arbeit von Harald Wasser, in der er die Theorie psychischer Systeme einer„Freud’schen Revision“ unterzieht. Viel Spaß bei der Lektüre!
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16. Oktober 2009
von Wolfgang Loth
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Zitat des Tages: Hannah Ahrendt

Natürlich war früher nicht alles besser, die normative Enge der 19fünfziger Jahre etwa möchte ich nicht gerne noch einmal erleben. Anderes wiederum scheint mir verloren heutzutage. Manchmal taucht durch Zufall wieder etwas auf. Ein solcher Zufall war, dass ich kurz vor dem Hundertjahrjahr für Hannah Arendt noch einmal auf Günter Gaus‘ legendäre Interviewreihe stieß, die er in den 1960er Jahren im Fernsehen brachte, bis heute mit das Beste, was ich an Gesprächskultur televisionär erlebt habe. Ich fand noch die beiden Bände im Antiquariat, in denen die Interviews abgedruckt erschienen. Unter anderem gab es damals ein Gespräch zwischen Gaus und Hannah Arendt und aus diesem Gespräch möchte ich ein Zitat weitergeben. Mir scheint, dass sich hier eine schöne (gute, respektvolle) Zusammenfassung findet von etwas, was sich als eine systemische Haltung gut anlassen würde. Das Zitat:
„GAUS: Erlauben Sie mir eine letzte Frage. In einer Festrede auf Jaspers haben Sie gesagt: „Gewonnen wird die Humanität nie in der Einsamkeit und nie dadurch, daß einer sein Werk der Öffentlichkeit übergibt. Nur wer sein Leben und seine Person mit in das Wagnis der Öffentlichkeit nimmt, kann sie erreichen.“ Dieses „Wagnis der Öffentlichkeit“ – ein Zitat von Jaspers wiederum -: worin besteht es für Hannah Arendt?
ARENDT: Das Wagnis der Öffentlichkeit scheint mir klar zu sein. Man exponiert sich im Lichte der Öffentlichkeit, und zwar als Person. Wenn ich auch der Meinung bin, daß man nicht auf sich selbst reflektiert in der Öffentlichkeit erscheinen und handeln darf, so weiß ich doch, daß in jedem Handeln die Person in einer Weise zum Ausdruck kommt wie in keiner anderen Tätigkeit. Wobei das Sprechen auch eine Form des Handelns ist. Also das ist das eine. Das zweite Wagnis ist: Wir fangen etwas an; wir schlagen unseren Faden in ein Netz der Beziehungen. Was daraus wird, wissen wir nie. Wir sind alle darauf angewiesen zu sagen: Herr vergib ihnen, was sie tun, denn sie wissen nicht, was sie tun. Das gilt für alles Handeln. Einfach ganz konkret, weil man es nicht wissen kann. Das ist ein Wagnis. Und nun würde ich sagen, daß dieses Wagnis nur möglich ist im Vertrauen auf die Menschen. Das heißt, in einem – schwer genau zu fassenden, aber grundsätzlichen – Vertrauen auf das Menschliche aller Menschen. Anders könnte man das nicht.“
[aus: Hannah Arendt/ Günter Gaus: Was bleibt? Es ist die Muttersprache. In: Günter Gaus 1964. Zur Person. Porträts in Frage und Antwort. Band I. München: Feder Verlag, S.15-32. Zitat S.31f.]

15. Oktober 2009
von Tom Levold
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Systemic Practice in Mental Health Contexts

Forschungs- und behandlungspraktische Fragen stehen im aktuellen Heft des Journals of Family Therapy im Vordergrund. Herausgeber Mark Rivett schreibt in seinem Editorial„Almost thirty years ago, Jay Haley (1981) argued, albeit with his characteristic irony, against importing the ‘radical’ ideas of family therapy into mental health contexts. A lot has changed in those thirty years. For instance, in this issue of the Journal, Larner argues that family therapists should cultivate a stance of hospitality rather than suspicion and hostility towards the alternative perspectives that flourish in mental health contexts. Indeed, this issue of the Journal represents the varying positions that family therapists now take in relation to the ‘mental health system’. Some (…) are establishing what family therapy has to offer in terms of relieving the suffering of depressed individuals or those experiencing psychotic symptoms. Others are seeking to transform local mental health practice into a family inclusive one (…)“
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14. Oktober 2009
von Tom Levold
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Grenzen der Autopoiesis

Walter Ludwig Bühl, Jg. 1934, im Jahre 2007 gestorbener Philosoph und Soziologe, wirft in diesem spannenden und anspruchsvollen Beitrag (der schon 1987 in der Kolner Zeitschrift ftir Soziologie und Sozialpsychologie erschienen ist) einen äußerst kritischen Blick auf den Begriff der Autopoiesis und seine Rezeption, vor allem auch durch Niklas Luhmann, dessen Lektüre unbedingt zu empfehlen ist:„Um zu einer einigermaßen präzisen Begriffsverwendung und damit zu einer realistischen Theoriediskussion zu kommen, ist es zunächst einmal erforderlich, die mystische Aura wieder aufzulösen, in die der Begriff der ‚Autopoiesis‘ durch eine unsachgemäße und ideologische Verwendung inzwischen getaucht worden ist. Vor allem darf die Herkunft des Begriffes aus einer kybernetisch inspirierten Biologie nicht vergessen werden, die das ‚lebende System‘ durchaus provokativ gerade deshalb ‚mechanistisch‘ und ‚rationalistisch‘ als eine Art ’sich selbst herstellender Maschine‘ rekonstruieren will, um das Systemdenken von all den animistischen, vitalistischen und finalistischen metaphysischen Konnotationen zu befreien, in die es im Kampf gegen die immer noch festverwurzelte elementaristisch-materialistische wie auch gegen die organizistische Naturauffassung verfallen ist (Maturana und Varela). Die heuristische Funktion des Begriffes oder vielmehr Theorems der Autopoiese liegt gerade in der Kontraposition: in der Konzeptualisierung einer zweiten Perspektive, die der alten Naturauffassung gegenübergestellt werden kann und diese dadurch selbst zur Perspektive macht, ohne sie jedoch als Perspektive ersetzen zu können. Die Isolierung, Übergeneralisierung und Reifikation der autopoietischen Perspektive wäre selbst wieder ‚Metaphysik‘, wissenschaftlich unbeweisbar und heuristisch steril“
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