systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

31. Oktober 2009
von Tom Levold
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Die Ausgrenzung des Todes – gesellschaftliche, kommunikative und familiäre Aspekte

In einem Text von 1989, der in der„Familiendynamik“ erschien und nun auch in der Systemischen Bibliothek zu lesen ist, setzt sich Wolf Ritscher auf theoretische wie sehr persönliche Weise mit dem Thema des Todes auseinander:„Die Verleugnung und Ausgrenzung von Tod und Sterben verdankt sich dem gesellschaftlichen Mythos von Fortschritt und technologischer Machbarkeit. Der Tod ist hier ein „skandalon“, indem er die existentiell nicht hintergehbare Grenze des Menschen betont. Im „Mythos der Macht“ (Bateson) kehrt die gesellschaftliche Verleugnung wieder: Machtstreben, Allmachtsphantasien und ein Nichtbedenken der eigenen Endlichkeit sind seine Stützen. In von Intimität und Dichte gekennzeichneten Familienbeziehungen liegt es nahe, dem Schmerz über den Verlust eines geliebten Menschen durch kommunikative Tabuisierung zu entgehen. Der Autor beschreibt, wie bei ihm selbst eine jahrelang blockierte Trauer in therapeutischen Kontexten er– und damit die Gestalt geschlossen werden konnte. Zum Abschluss wird auf eine ethische Folgerung verwiesen, welche der Tod als Symbol für die Begrenztheit unserer Erkenntnis nahelegt: Toleranz“
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29. Oktober 2009
von Wolfgang Loth
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Nachhaltigkeit und systemische Risiken

Wer sich für die Themen Nachhaltigkeit und sozial-ökologische Perspektiven auf Risiken „einfachen“ Intervenierens interessiert, der dürfte auf einer Website zur Sozial-ökologischen Forschung fündig werden, die durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. Zwar ist grundsätzlich ein kritischer Blick angemessen, wenn offizielle Politik sich (auch wichtiger) Themen annimmt, doch scheint mir in diesem Fall ein guter Rahmen geschaffen. Dass es sich hierbei um einen Versuch handelt, möglichst viele Interessen unter einen Hut zu bekommen, lässt sich aus folgenden Bemerkungen zur Zielsetzung herauslesen: „Ziel des Förderschwerpunktes ist die Entwicklung von Strategien zur Lösung konkreter gesellschaftlicher Nachhaltigkeitsprobleme: z.B. zur Umsetzung der„Agrarwende“, der Verbesserung der Ernährung der Bevölkerung, der Liberalisierung netzgebundener Ver- und Entsorgungssysteme (z.B. Wasser, Energie) und Emissionshandel. Eine derartige Forschung erfordert ein Zusammenwirken der Wissenschaftler/-innen der Natur- und Gesellschaftswissenschaften. Dabei werden gesellschaftliche Akteure – z.B. Verbraucher/-innen, Kommunen, Unternehmen und Nichtregierungs-Organisationen – in den Forschungsprozess einbezogen. Damit soll der ökologische Umbau der Gesellschaft unterstützt werden, ohne dabei die soziale Gerechtigkeit und die wirtschaftlichen Belange aus den Augen zu verlieren“. Zur Startseite geht es hier.
Von besonderem Interesse scheint mir ein Kapitel über „Strategien zum Umgang mit systemischen Risiken“ zu sein. Systemische Risiken sind „durch ein hohes Maß an Komplexität, Ungewissheit und Ambiguität gekennzeichnet“. Außerdem „lösen isolierte Risikovermeidungsstrategien ihrerseits häufig Folgerisiken in anderen Systemen aus“. Wie wahr, und es dürfte von Interesse sein, zu welchen Schlussfolgerungen belastbare Ergebnisse anregen werden, wenn das entsprechende Projekt weiter fortgeschritten ist. Zu diesem Teil der website geht es hier.
Als ein Beispiel wird u.a. auf ein Projekt zum Thema„Übergewicht und Adipositas bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen“ hingewiesen.„Übergewicht und Adipositas werden in diesem Projekt exemplarisch als ein systemisch wirkendes, verhaltensinduziertes Risiko verstanden“. Die Laufzeit des Projekts geht noch bis Ende des Jahres 2009.
Spannend dürfte eine Tagung gewesen sein, die auf Initiative der Querschnittsarbeitsgruppe„Partizipation“ im September 2005 durchgeführt wurde. Thema:„Partizipation und Nachhaltigkeit – Der Teufel steckt im Detail“. Unter anderem gab es dort einen Vortrag von Angela Oels (Institut für Politikwissenschaft der Universität. Hamburg). Frau Oels diskutiert hier „Nachhaltigkeit, Partizipation und Macht – oder: warum Partizipation nicht unbedingt zu Nachhaltigkeit führt“.

28. Oktober 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Rudolf Stichweh

„An die Stelle der Unterscheidung von sozialen und psychischen Systemen kann man in der Gegenwart die Unterscheidung von Kommunikation und Bewusstsein treten lassen. In dieser zweiten Fassung werden beide Seiten der Unterscheidung neu und sie werden anders bestimmt. Einerseits wird auf der Seite des Sozialsystems die kommunikationstheoretische Grundlegung der Soziologie benutzt, die seit der Informationstheorie der späten vierziger Jahre als eine Denkmöglichkeit verfügbar ist. Kommunikation ist unter diesen Voraussetzungen nicht etwas, was einem einzelnen Bewusstsein als seine Absicht oder einem einzelnen Akteur als seine Tätigkeit zugerechnet werden kann. Es handelt sich bei jeder einzelnen Kommunikation vielmehr um eine genuin soziale und elementare Einheit, die immer und mindestens zwei Prozessoren (Akteure; Psychen; Bewusstseine) voraussetzt, die an ihrer Produktion beteiligt sind. Eine Reduktion auf einen dieser Prozessoren ist nicht zulässig. Der Begriff des Bewusstseins wiederum kann nicht als bedeutungsidentisch mit dem Begriff des Psychischen gedacht werden. Vielmehr handelt es sich beim Bewusstsein um eine selektive Instanz, die sich, wie es Gregory Bateson formuliert, einer „Kodifikation und reduktiven Simplifikation eines weiter gefassten psychischen Lebens“ verdankt und dies auf der Basis einer „Spiegelung eines Teils der Psyche in das Feld des Bewusstseins“. Die dieser Überlegung zugrundeliegende Unterscheidung ist die von „bewusst“ und „unbewusst“. Jener Selektionsprozess, der Teile des Psychischen in das Bewusstsein spiegelt, ist selbst vermutlich eher ein unbewusster Prozess. Jedenfalls steht er unserer willentlichen Anstrengung nicht zur Verfügung“ (In: Funktionen des Bewusstseins in sozialen Systemen, in: Detlef v. Ganten, Volker Gerhardt & Julian Nida-Rümelin{hrsg}„Funktionen des Bewusstseins“, de Gruyter 2008)

27. Oktober 2009
von Tom Levold
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Mediation und Abschied

Mit einem sehr spannenden Themenschwerpunkt„Mediation“ verabschiedet sich Klaus G. Deissler nach 18 (!) Jahren als Herausgeber von der„Zeitschrift für systemische Therapie und Beratung“. Von diesem (schon länger angekündigten) Abschied macht er in seinem Vorwort (das auch in die Aufsätze des aktuellen Heftes einführt) wenig Aufhebens. An dieser Stelle sei ihm daher für seine ebenso beachtliche wie unermüdliche publizistische Tätigkeit (die er schon in den Anfangsjahrgängen des„Kontext“ zur Entfaltung brachte) ganz herzlich gedankt. Ab dem kommenden Jahr wird die Zeitschrift in neuem Layout und in neuem Format unter der Herausgeberschaft von Cornelia Tsirigotis erscheinen.
Zu den vollständigen abstracts der aktuellen Ausgabe…

26. Oktober 2009
von Tom Levold
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Angsten und Ent-Angsten

Unter diesem etwas ungewöhnlichen Titel hat Christoph Thoma aus Amstetten in Österreich ein Buch über„Systemische Kurztherapie bei Angstdynamiken“ im Eigenverlag ISKAM veröffentlicht. Offenbar erfolgreich, denn die ersten beiden Auflagen sind bereits verkauft, die dritte Auflage ist in Vorbereitung, Exemplare können beim Autor vorbestellt werden. Wilhelm Rotthaus hat das Buch gelesen und empfiehlt die Lektüre:„Der Leser wird dann 20 höchst anschauliche Fallbeschreibungen finden, die deutlich machen, dass Christoph Thoma keineswegs schematisch einer festgelegten Behandlungsstrategie folgt, sondern mit viel Verständnis und Empathie einerseits und einer großen (nicht verstehenden) Neugierde andererseits sich ganz auf die Besonderheiten des Erlebens und Verhaltens jedes einzelnen Klienten orientiert und in oft überraschender und kreativer Weise Lösungen ihrer vorgestellten Probleme anregt. Dabei spricht jede seiner Fallgeschichten eine je spezifische Thematik an, wie sie bei„Angstpatienten“ häufig auftritt. Ich habe das Buch mit viel Interesse und Genuss gelesen und kann es nur weiterempfehlen!“
Zur vollständigen Rezension…

25. Oktober 2009
von Tom Levold
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Männer und Frauen

ZWEI
GESCHLECHTER
GIBT ES.

BEGRENZTE
AUSWAHL.

ENTWEDER
WAR
EVOLUTION
ZU
GEIZIG

ODER

SIE
AHNTE
UNSER
VERSAGEN
IM
VORAUS

VERSCHWENDUNG
HAT
KEINEN PLATZ
IN DER
NATUR.

EINS UND EINS
MACHT ELF.

(Jens Borrmann,„Kopfsprung„)

24. Oktober 2009
von Tom Levold
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Transnationale Utopien?

Seit einigen Tagen liegt das Heft 5 der Revue für postheroisches Management vor. Das übergreifende Thema lautet„Transnationale Utopie?“ Wie immer ist das Heft ästhetisch von beeindruckender Qualität. Wie man hört, hat das Layout der Zeitschrift einen Design-Preis gewonnen. Diese Auszeichnung ist mehr als berechtigt. Inhaltlich scheint es mir allerdings zu den eher schwächeren Heften zu gehören. Das Fragezeichen hinter Utopie ist mehr als berechtigt, weil der Mangel an Visionen im Bereich transnationaler Zukunftsgestaltung offenkundig ist. Ein Schwerpunkt des Heftes liegt auf den Arbeiten von Christopher A. Bartlett und Sumantra Ghoshal, aus deren Buch (von 2002) über transnationale Unternehmen ein Kapitel in der englischen Originalversionen abgedruckt wird und die aus verschiedenen Perspektive von Autoren wie z.B. Reinhart Nagel und anderen kommentiert werden. Ein bemerkenswert enttäuschender Beitrag über die Finanzkrise stammt von der gerade erst für ihr Werk ausgezeichneten Systemtheoretikerin Elena Esposito. Nach einem Jahr intensiver Debatte über die Finanzkrise und ihre Dynamik lesen wir in ihrem Beitrag tatsächlich:„Was bisher als Einziges klar verstanden wurde, ist, dass wir nichts verstanden haben: keine Modell und keine Theorie gelingt es, wirklich zu klären, wie die Krise entstanden ist oder was gerade passiert. Es gibt natürlich Elemente: die Überbewertung und das Wachstum des Immobilienmarktes (vor allem in den USA), die Intransparenz der strukturierten Finanzinstrumente, der Mangel an Reglementierung usw. aber ein richtig überzeugendes Allgemeinbild fehlt: wo haben wir etwas falsch gemacht und warum? Wie hat eine solche Lage entstehen können, das der Finanzmarkt mit allen seinen Modellen und Strategien scheinbar seinen Weg gegangen ist, ohne jegliche Bindung an den Verlauf der ‚realen Wirtschaft‘ und ohne jemanden, der ihn stoppen konnte oder wollte?“ Wirklich? Sind wir so ahnungslos? Fehlt es an Theorie? Espositos Hinweis darauf, dass es bei den Finanzspekulationen um Wetten auf eine Zukunft geht, die uns heute noch nicht bekannt ist und daher mit Risiken belegt ist, ist theoretisch wenig gehaltvoll (weil trivial) und stellt die Systemtheorie als Erklärungsmodell für die aktuelle globale Krise in einen nicht gerade vorteilhaftes Licht. Wissen wir wirklich nicht, wie die Misere zustande gekommen ist? Henry Mintzberg, dessen Beitrag das Heft eröffnet, ist da ganz anderer Ansicht:„What we have here is a monumental failure of management. American management is still revered across much of the globe for what it used to be. Now, a great deal of it is just plain rotten – detached and hubristic. Instead of rolling up their sleeves and getting engaged, too many CEOs sit in their offices and deem: they pronounce targets for others to meet, or else get fired“. Wie auch immer: eine lohnenswerte Lektüre.
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23. Oktober 2009
von Tom Levold
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Berater und ihre Junkies

Ein schöner Artikel von Dagmar Deckstein, der schon 2006 in der Gazette erschien, aber auch heute noch sehr aussagekräftig ist (obwohl die Beraterbranche im Rahmen der aktuellen Krise heftige Einbußen hinnehmen musste):„Einer, der schon lange gegen solches Unvermögen derreal herrschenden Managerkaste zu Felde zieht, ist der St. Gallener Professor Fredmund Malik, der sich auch nicht scheut, die Shareholder-Value-Maxime, nach der viele Unternehmen geführt werden, als „größte Irrlehre der Wirtschaftsgeschichte“ zu brandmarken. Auch hat er wohl erkannt, wo die Wurzeln dieserUnfähigkeit liegen, nämlich in den Hochschulen: „Fast alle Hochschulen versagen,wenn es um Management geht. Die Professoren bilden zwar Experten für Betriebswirtschaft aus, für Controlling oder Marketing. Aber von Management,von Führung, ist nie die Rede.“ Und so kann es gar nicht ausbleiben,dass in diesem schleichenden Prozess der letzten Jahrzehnte betriebswirtschaftliche Fachidioten auf die Karriereleitern der Unternehmen geschickt wurden, denen das EBITDA – also die vollkommen lebensfremde Kennziffer Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen – sakrosankt und die Emotionen der Mitarbeiter suspekt sind. Wenn nun Berater diese blinden Flecken im Managementsystem zielsicher auschecken und sie gegen Tagesgagen im fünfstelligen Eurobereich zu füllen versprechen, kann man ihnen das gar nicht verdenken oder sie gar als Schurken im Stück beschimpfen. Wer alle Türen im Haus sperrangelweit offen stehen lässt, muss sich nicht wundern, wenn seltsame Gestalten hereinschneien und sich zwanglos im Wohnzimmer umsehen“
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22. Oktober 2009
von Tom Levold
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Vernunft und Wahn

Das Zitat des Tages hat heute Hartwig Hansen beigesteuert:

„Für die 25. (Jubiläums)Ausgabe des „Brückenschlag“, der „Zeitschrift für Sozialpsychiatrie, Literatur, Kunst“, wählte die Redaktion den Titel „Wahn – Sinn – Wirklichkeit“, um noch einmal das Ursprungsthema dieser Jahreszeitschrift aufzugreifen und zu reflektieren, was sich im Bereich des Psychose-Verständnisses und der Behandlung von psychischen Erkrankungen in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten verändert hat. Traditionell wird dann den vielfältigen Beiträgen auch ein das Thema illustrierendes Motto vorangestellt. Diesmal entschieden sich die Herausgeber für ein Gegenüberstellung von „Wahn“ und „Vernunft“:

Wahn

mittelhochdeutsch wãn „ungewisse, unbegründete Ansicht, Vermutung, Meinung, Hoffnung, Erwartung, Vorstellung, Scheu“. Als Ausgangsbedeutung ist „(unbegründete) Erwartung, Hoffnung“ anzusetzen, eigentlich „Gewünschtes, Ersehntes“. Wahn wird seit mittelhochdeutscher Zeit in Gegensatz zu Wissen und Wahrheit gestellt. Im Frühniederhochdeutschen entwickelt sich der Sinn „willkürlich zurechtgemachte, nicht der Wirklichkeit entsprechende Meinung, Vorstellung“ (16 Jh.), dann „Selbsttäuschung, fixe Idee“ als krankhafte Erscheinung (18 Jh.), und Wahn gerät dadurch in die semantische Nähe von nicht verwandtem Wahn (in Wahnsinn, Wahnwitz). Aus: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, dtv, 8. Auflage, 2005

Vernunft

„Ich fühlte mich bestärkt in meiner Auffassung, dass es nicht die Vernunft sein kann, von der eine Lösung für die Probleme der Menschheit zu erwarten ist. Denn schließlich ist gerade die Vernunft Ausgangspunkt eines Großteils dieser Probleme. Vielleicht sind wir selbst diese Lösung, wenn wir es nur schaffen, uns von den Fesseln vorgefertigter Gedanken zu lösen, von den Erfahrungen, von all dem, was wir zu wissen glauben, um so die Freiheit der Einbildungskraft wiederzugewinnen und unserer Fantasie Raum zur Entfaltung zu geben.“ Tiziano Terzani in: Noch eine Runde auf dem Karussell. Vom Leben und Sterben, S. 695/696

21. Oktober 2009
von Tom Levold
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Die Familie und das Familienunternehmen

In einem Aufsatz aus dem Jahre 2001 (Familiendynamik 3/2001, S. 302-322) haben Arnold Retzer und Hans Rudi Fischer sich dafür ausgesprochen, in der Beratung von Familienunternehmen auch familientherapeutische Perspektiven einfließen zu lassen. Zu Anfang des Textes heißt es:„Familienunternehmen sind sowohl für die beteiligten Familien als auch volkswirtschaftlich ausgesprochen bedeutungsvoll. In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind mehr als 75 % aller Unternehmen Familienunternehmen, und über 70% aller unselbständig Erwerbstätigen sind in Familienunternehmen beschäftigt. Mehr als 50% der Familienunternehmen überleben nicht die Übergabe von der 1. an die 2. Generation. Damit besteht in der Nachfolgeproblematik eine existentielle Gefährdung der Unternehmen und der betroffenen Mitarbeiter. Angesichts der Tatsache, dass fast alle mittelständischen Unternehmen Familienunternehmen sind, ist zu erwarten, dass das Phänomen „Generationenwechsel“ hochaktuell sein müsste. Ein Blick auf die von den Unternehmerverbänden veröffentlichten Zahlen bestätigt dies. Vorsichtige Berechnungen gehen allein in Österreich von gegenwärtig 70.000 Unternehmen aus, die vor einem Generationswechsels stehen. Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM Bonn) hat allein für 1999 76.000 übergabereife Unternehmen erfasst. Davon wurden ca. 32.000 an Familienmitglieder übergeben, 38.000 verkauft und ca. 5.700 mangels Nachfolger stillgelegt. In den kommenden Jahren stehen ca. 300.000 deutsche Unternehmen (mit mehr als 2,5 Mio. Euro Umsatz) vor der für die Unternehmen existenziellen Frage, wie die Nachfolge zu regeln ist. Gegenwärtig versterben um die 30 % aller Unternehmer, ohne die Nachfolge testamentarisch geregelt zu haben. In den meisten Fällen führt dies zu schweren Krisen für die Unternehmen, weil die Erben meist schnell zerstritten sind. Nicht selten führt das zum Konkurs bzw. der Liquidation des Unternehmens. Für den Unternehmer bzw. die Unternehmerin, die die Nachfolge regeln will, stehen neben Familienrechtsfragen hauptsächlich gesellschafts-, erb- und steuerrechtliche Fragen im Vordergrund. Daher ist das Problembündel, das sich um den Generationswechsel und die Nachfolgeregelung bei Familienunternehmen rankt, bisher eine Domäne von Juristen, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern. Der Fokus liegt dabei eindeutig auf der Klärung der ökonomischen, steuerlichen und juristischen Randbedingungen für das Fortbestehen des Unternehmens. Angesichts der Tatsache, dass viele Generationswechsel – selbst wenn sie von Anwälten und Steuerfachleuchten gut vorbereitet sind – nicht aus ökonomischen Gründen scheitern, sondern im weiteren Sinne aus familiendynamischen, halten wir es für sinnvoll, sich sowohl als Familientherapeut als auch als Organisationsberater den spezifischen Fragen und Herausforderungen von Familienunternehmen zu stellen“ Der Aufsatz ist auch im Internet nachzulesen.
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20. Oktober 2009
von Wolfgang Loth
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Zitat des Tages: Eric Hoffer

Ich weiß nicht mehr genau, wie es kam, dass mir eines Tages ein Buch von Eric Hoffer in die Hände fiel. Das Buch hieß „Die Angst vor dem Neuen“, 1968 als rororo-Bändchen in der Enzyklopädie-Reihe herausgekommen. Im Original war es bereits 1952 erschienen unter dem anders akzentuierenden Titel „The Ordeal of Change“. Was man über Hoffer (1902-1983) als Person lesen kann, finde ich ungemein spannend. Als Kind erblindet, als Jugendlicher plötzlich wieder sehend, ein Autodidakt erster Güte, der sich immer wieder als Gelegenheitsarbeiter verdingte, jedes Mal nur so lange, bis er wieder genügend Geld hatte, um in Ruhe lesen und studieren zu können. Hannah Arendt hat die Begegnung mit ihm so fasziniert, dass sie in einem ihrer Briefe an Karl Jaspers geradezu enthusiastisch davon berichtet. Hoffers Betrachtungen mögen aus postmoderner Sicht freaky wirken, altmodisch, vielleicht auch pathetisch, ein moderner Diogenes. Irgendwie nicht zu vereinnahmen, auch wenn er wohl in den USA seinerzeit manchem Politiker als Berater galt. In meiner Vorbereitung auf die Bochumer SG-Tagung zu fremden wie eigenen Blicken spielte mir der irgendwie gewollte Zufall das Bändchen wieder in die Hände und zwei Abschnitte daraus wären mein heutiges Zitat des Tages: „Die durch eine Krise ausgelösten Energien sind gewöhnlich auf rein zweckbedingtes Handeln und auf die Nutzanwendung bereits bekannter Praktiken ausgerichtet.“ „Der verzweifelte Kampf um die nackte Existenz übt eher einen statischen als einen dynamischen Einfluß aus. Die dringende Suche nach den unmittelbar notwendigen Dingen hört praktisch auf, sobald wir nur etwas einigermaßen Angemessenes gefunden haben, die Suche nach den nicht unmittelbar notwendigen Dingen setzt sich dagegen endlos fort. Daraus ergibt sich die merkwürdige Tatsache, daß sich die unentwegtesten und spektakulärsten Bemühungen des Menschen nicht auf die notwendigen Dinge bezogen, sondern auf die überflüssigen. Erinnern wir uns daran, daß die Entdeckung Amerikas nur eine Nebenerscheinung der Suche nach Ingwer, Gewürznelken, Pfeffer und Zimt gewesen ist…“aus: Eric Hoffer (1968): „Die Angst vor dem Neuen. Freiheit als Herausforderung und Aufgabe“. Reinbek: rororo; Zitate S. 97 u. S. 98

18. Oktober 2009
von Tom Levold
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Organspende

ICH SPENDE
MEIN HERZ
FÜR DIE,
DENEN ES FEHLT.

ICH SPENDE
MEINE LUNGE
FÜR DIE,
DIE ABTAUCHEN.

ICH SPENDE
MEINE AUGEN
FÜR DIE,
DIE WEGSEHEN.

ICH SPENDE
MEINE BEINE
FÜR DIE,
DIE SICH NICHT
BEWEGEN WOLLEN.

ICH SPENDE
MEINE HÄNDE
FÜR DIE,
DIE NICHTS BEGREIFEN.

ICH SPENDE
MEINE HAUT
FÜR DIE,
DIE SICH EINIGELN.

ICH SPENDE
MEINE STIMMBÄNDER
FÜR DIE,
DIE SCHWEIGEN.

ICH SPENDE
MEINE NASE
FÜR DIE,
DIE SICH NICHT
RIECHEN KÖNNEN.

ICH SPENDE
MEINE OHREN
FÜR DIE,
DIE NICHT ZUHÖREN.

(Jens Borrmann,„Kopfsprung„)