systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

11. November 2009
von Tom Levold
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Systemische Entwicklungsberatung in der frühen Kindheit

In einem bemerkenswert informativen und thematisch weitgefächerten Buch versammeln die Herausgeber Jörn Borke und Andreas Eickhorst eine Reihe von spannenden Beiträgen zum Thema, die sowohl theoretische und praktische Interessen befriedigen, und die allen Professionellen, die mit Kleinstkindern und Eltern zu tun haben, nur wärmstens empfohlen werden kann. Kraftzentrum und Ausgangpunkt des Buches ist die Arbeit vieler AutorInnen an und im Umfeld der„Babysprechstunde Osnabrück“, die 1998 als Praxisprojekt in einem Seminar der Kindheitsforscherin Heidi Keller (die auch das Vorwort zum vorliegenden Band beigesteuert hat) an der Universität Osnabrück gegründet wurde. Neben Heidi Keller sind auch andere bekannte Autoren wie Jürgen Kriz, Arist von Schlippe, Remo Largo, Michael Grabbe und Marguerite Dunitz-Scheer unter den AutorInnen, den anderen ist baldige Prominenz zu wünschen. Wolfgang Loth hat das Buch gelesen und empfiehlt es folgendermaßen:„Mein Fazit: ein (auch handwerklich) gut gemachtes und informatives Buch, das zu weiterer Beschäftigung mit den vorgestellten Fragen und Erfahrungen anregt, und zum Thema „Frühe Hilfen“ gute und wichtige Akzente setzt. Es spricht vieles dafür, dieses Buch allen KollegInnen in der Beratung von Eltern und Familien mit Kleinkindern als festen Bestandteil ihrer Handbibliothek zu empfehlen, und so sei es hiermit geschehen“
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10. November 2009
von Tom Levold
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Thinking through the Body

Allan Schore ist ein bedeutender Forscher im Bereich von Neuropsychologie, Neuropsychiatrie und Entwicklungspsychologie. Seine Arbeiten zur Entwicklung von Bindungsverhalten und der interaktiven Regulierung von Affekten und Verhalten nicht nur bei Säuglingen und Kleinkindern, sondern auch in anderen zwischenmenschlichen Erfahrungsbereichen sind überaus lesenswert. Schore gehört der„clinical faculty of the Department of Psychiatry and Biobehavioral Sciences“, der„UCLA David Geffen School of Medicine“ und dem„UCLA Center for Culture, Brain, and Development“ an. Im Internet ist ein sehr schönes Interview mit ihm zu lesen, ein Auszug:„I’ve come to the conclusion that concept of regulation and self regulation, now being used in all of the sciences and in developmental psychology, is the organising principle. Attachment is now thought of as the dyadic regulation, the interactive regulation of emotion. Also, in developmental psychology it’s now thought that the capacity for attachment originates during these affect regulation experiences. In the psycho-biology of attachment, it’s thought that the mother is acting as a regulator of not only the infants behaviour but of its covert physiology. What I’m suggesting is that this social experience is impacting the development of the regulatory systems in the brain that regulate all forms of cognition, affect and behaviour. In fact, it’s been said recently that the attempt to regulate affect to minimise unpleasant feelings and to maximum pleasant ones is the driving force in human motivation. So, again, in psychiatry regulation is now being seen as the work of any intimate pair. In adult psychiatry the loss of the ability to regulate feelings is seen as the most far reaching effect of trauma etc.“.
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9. November 2009
von Tom Levold
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Unterstützen Sie das systemagazin!

Wo wir schon mal bei der Akquisition sind 🙂 Wussten Sie, dass Sie unmittelbar das systemagazin unterstützen, wenn Sie Ihre Internet-Buchbestellungen über die Links bei systemagazin starten? Das gilt nicht nur für die Titel, bei denen Sie den Links in den Rezensionen oder Zitaten des Tages oder auf der Start-Seite folgen, sondern auch bei allen anderen Bestellungen, die Sie vornehmen, wenn Sie von systemagazin aus zu Ihrem Einkauf starten. Zur Zeit kommen darüber ca. 25,- € monatlich zustande, das deckt nicht einmal die Technik-Kosten – deshalb freue ich mich, wenn Sie das systemagazin auf diese einfache Weise unterstützen würden. Herzlichen Dank!

9. November 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Imre Kertesz

„die endgültige Antwort auf diese ungeheuer schwere Frage – wie viel ich der Unterdrückung zu verdanken habe -, weiß ich immer noch nicht. Es war die Freiheit des Irrenhauses, aber es war Freiheit, in gewissem Sinne, in einer perversen Art und Weise; es war die Freiheit der Unterdrückten und Ausgelieferten, ein Zustand, in dem man ganz andere, in der echten Freiheit unvorstellbare und unmögliche Bemerkungen und Erfahrungen gemacht hat. Das verlangte nach einer spezifischen Darstellungsweise der Wirklichkeit – der man ausgeliefert war, die man niemals bewegen, nur ertragen konnte. Der enorme Druck ließ die Phantasie und die Sprache frei, ließ eine neue Anschauungsweise entstehen, die da drin, im Irrenhaus als wahr und authentisch zu sein schien. Aber was passiert, wenn der Druck nachlässt, wenn man nicht mehr von Mauern umgeben wird? Ich musste den Versuch unternehmen, ob ich auch ohne Druck existieren kann, das heißt: ob ich an den Diktaturen erkrankte, deformiert wurde, ob mir die Fähigkeit des freien Atmens abhanden gekommen ist, oder im Gegenteil: vielleicht haben mir diese Terrorsysteme gerade geholfen, weil sie mich gezwungen haben, meine schöpferische Kraft, meinen Stil, die Lust zu Schreiben zu entfalten. Es war wichtig, in Erfahrung zu bringen, ob ich auch als freier Mensch Romane schreiben kann“ (Imre Kertesz, der heute 80 wird, in einem Interview, das im Perlentaucher zu lesen ist)

9. November 2009
von Tom Levold
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Wo waren Sie heute vor 20 Jahren?

Heute vor 20 Jahren wurde die Mauer in Berlin geöffnet – und ein neuer Zeitabschnitt in Deutschland begann. (Fotografie: Kai Nickel, Some rights reserved, Quelle: piqs) Ist das schon so lange her? Wie viele von Ihnen schon durch einen systemagazin-Newsletter erfahren haben, ist der diesjährige Adventskalender im systemagazin Ihren Erfahrungen gewidmet. Mich interessiert nach all diesen Jahren ein Blick auf Eure & Ihre persönlichen Erinnerungen! Wie haben Sie im therapeutischen und beraterischen Feld in Ost und West das Ereignis des Mauerfalls und die weiteren Entwicklungen im Kontext der Wiedervereinigung im Gedächtnis? Wo waren Sie im November 1989, als die Mauer fiel? Was war mit Ihrer inneren Mauer? Wie lernten Sie Kolleginnen und Kollegen aus dem anderen Teil Deutschlands kennen? Was wussten Sie vorher über- und voneinander? Wie entstanden Freundschaften und Kooperationen – oder auch nicht? Welche Begegnungen haben Ihnen Spaß gemacht, die Augen geöffnet, imponiert? Was hat Sie enttäuscht oder frustriert? Was hat sich für Ihre eigene Arbeit durch die Wiedervereinigung geändert? Was würden Sie heute anders machen, wenn Sie noch einmal die Chance hätten, 1989 wieder zu erleben? Wenn Sie Lust haben, über diese und andere Fragen nicht nur nachzudenken, sondern auch ein paar persönliche Erinnerungen aufzuschreiben, würde ich mich sehr freuen. Alle Beiträge werden im systemagazin veröffentlicht, auch wenn mehr als 24 zusammenkommen. Einige schöne (und übrigens sehr persönliche) Beiträge und Geschichten gibt es schon, aber das deckt noch keinen Adventskalender ab. Platzprobleme gibt es nicht, kurzfassen geht natürlich auch. Aber eine Geschichte sollte es schon sein – keine Abhandlung, keine Spiegelstriche, kein Pamphlet. Ich bin gespannt auf Ihre Geschichten und freue mich über die
Zusendung Ihrer Beiträge an mich 🙂

8. November 2009
von Tom Levold
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RASUR

ICH IN DER WANNE
DU AM SPIEGEL
DUFT VON RASIERSCHAUM
BADESCHAUM

DEIN RASIERMESSER
EIN SILBERFISCH
BEREIT FÜR DEN SCHNITT
SO DICHT AM BLUT

MICH UMKLAMMERT DIE ANGST
DICH ZU VERLIEREN
UNSERE ZEIT IST KNAPP
FÜREINANDER

DANN
EIN KLECKS RASIERSCHAUM AUF MEINER NASE
TRAUER UND HOFFNUNG
KINDLICHER SELBSTBETRUG

DIE ZEIT STEHT
EINE SEKUNDE
ICH ZIEH DEN STÖPSEL
ERBARMUNGSLOS FLIEßT
DIE HOFFNUNG DAVON

AM WANNENRAND
KLEBT EIN RAND AUS ANGST
VIELLEICHT SOLLTE ICH NUR
NOCH
DUSCHEN

(Jens Borrmann,„Wasserflecken„)

7. November 2009
von Tom Levold
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Chronische Krankheit im Kontext der Familie

„Anders als bei akuten Erkrankungen, wo es oft ausreicht, auf somatischer Ebene zu intervenieren, steht bei lang andauernden Krankheiten der Aspekt der Chronizität im Vordergrund. Damit ist u.a. die Frage angesprochen, wie Krankheit in den sozialen Kontexten des Betroffenen versprachlicht wird, welche kommunikativen Handlungen sich um sie herum entwickeln. Die Frage, die sich auch den Fachleuten selbst stellt, ist, inwieweit die Versprachlichung die Optionen der Betroffenen erweitert oder eingrenzt“ Mit dieser Frage haben sich am Beispiel der Asthma-Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen Arist von Schlippe und Thomas Lob-Corzilius aus Osnabrück in einem 1993 in der„Familiendynamik“ erschienen Beitrag auseinandergesetzt, in dem sie ein interessantes interdisziplinäres familienmedizinisches Modell beschreiben und ein daraus abgeleitetes Konzept „Luftiku(r)s“ zur Betreuung asthmakranker Kinder vorstellen. Ihr Aufsatz ist nun auch in der Systemischen Bibliothek zu lesen.
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6. November 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Merlin Donald

„Bewusstsein und Kultur stehen in einem reziproken Verhältnis. Eine Kultur entsteht aus den Versuchen eines Bewusstseins mit sich erweiternden Fähigkeiten, in Verbindung mit anderen Individuen zu treten. Das spezifisch Menschliche an unserem Bewusstsein lässt sich nicht an einem anatomischen Merkmal des Gehirns festmachen, sondern ist auf seine Einbettung in eine Kultur zurückzuführen. Enkulturation erfordert zum einen, dass sich das Arbeitsgedächtnis früh in multiple Aufmerksamkeitsfelder ausdifferenziert, und zum anderen, dass der hocheffiziente Erinnerungsabruf, zu dem es fähig ist, für eingespielte kognitive Sequenzen nutzbar gemacht wird, die für die Interaktion mit der Kultur wesentlich sind. Diese Operationen versetzen das Gehirn in die Lage, die Aufmerksamkeit auf Markierungspunkte und Wegweiser zu richten, die es ins Herz der Kultur geleiten. Wir wissen zwar noch zu wenig darüber, wie sich diese Sequenzen im Detail entfalten, doch Beobachtungen an wildlebenden Affen und so genannten Wolfskindern machen deutlich, dass wir, falls die Sequenzen dem Gehirn nicht früh genug eingeschrieben wurden, irgendwann nicht mehr im Stande sind, sie uns anzueignen. Ein entscheidender Schritt ist, dass das Aufmerksamkeitssystem des Kindes sich mit dem anderer Menschen verzahnt. Dieses Ineinandergreifen erfolgt über Kanäle wie Blickkontakt, Stimmäußerungen und Berührungen, die an eingespielten Interaktionsmustern wie Begrüßungen, Umarmungen und Spielen beteiligt sind. Damit ein wechselseitiger Austausch entstehen kann, muss das Kind als aktiver Teilnehmer einbezogen sein. Die entsprechenden Formen der Interaktion eignet es sich vor allem im Kontakt zu seinen zentralen Bezugspersonen an. Am Beginn steht meist das gegenseitige Nachahmen von Kind und Mutter. Das Hin und Her von Mimik, Lautäußerungen und Gestik differenziert sich in spielerischen Interaktionen wie dem »So tun, als ob« immer weiter aus. Solche Begegnungen regen das Kind dazu an, ein komplexes Repertoire mentaler Operationen aufzubauen, die es von da an in Situationen einsetzen wird, die eine gemeinsame Ausrichtung der Aufmerksamkeit erfordern. Das kognitive Repertoire, mittels dessen das Kind in die Kultur hineinwachsen kann, ist ein kulturelles Steuerungssystem, das sich Schicht um Schicht in seinem Geist aufbaut. Der heranreifende Geist des Kindes verzahnt sich mit dem seiner Bezugspersonen und nach und nach mit seinem gesamten Umfeld. Auf diese Weise werden Muster des gemeinsamen Beobachtens, Anteilnehmens, Empfindens und Erinnerns eingeübt und verfeinert, die das Kind auf seine späteren Erfahrungen innerhalb der Kultur vorbereiten. Zum Erlernen neuer Fertigkeiten sind immer subtilere Mechanismen der Aufmerksamkeitskopplung notwendig, die es uns zum Beispiel ermöglichen, die Intentionen von Gruppen zu registrieren. Mit Hilfe derselben Mechanismen können wir auch überprüfen, ob unsere Einschätzungen und Bewertungen sich mit denen von anderen decken oder nicht. Solche kognitiven Muster werden dadurch, dass Erwachsene sie bei der Anleitung von Kindern wiederholen, von einer Generation an die nächste weitergegeben. Dieser auf viele mentale Systeme verteilte pädagogische Prozess bildet eine Art kulturelles Gedächtnis, in dem das gewaltige Geflecht aus sozialen Bindungen und gemeinsamem Handeln und Empfinden gespeichert ist, das der tiefgreifenden Enkulturation jedes Kindes zugrunde liegt. Dieses System des kulturellen Zusammenhalts ist zwar offenbar an der Basis der kognitiven Hierarchie angesiedelt, operiert aber auf einer sehr hohen Abstraktionsebene, die weit jenseits der Möglichkeiten anderer Primaten liegt“ (In: Triumph des Bewusstseins, Klett Verlag, Stuttgart 2008, S. 266-268)

5. November 2009
von Wolfgang Loth
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„Disease Mongering“ – Krankheit als Geschäft

Im Jahr 2006 veröffentlichte das Online Journal PLoS MEDICINE der Public Library of Science eine Sammlung von Artikeln zum „Disease Mongering“. Das engl. „Mongering“ kann übersetzt werden mit: „Handeln, Schachern und dabei einschüchtern“. Die publizierten Beiträge lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Beschrieben und diskutiert werden vielfältige Versuche und Strategien, den Krankheitsbegriff verkaufsfördernd auszuweiten und auf der Basis entsprechend hervorgerufener Ängste die Nachfrage nach Hilfen zu maximieren. In ihrem Beitrag “Female Sexual Dysfunction: A Case Study of Disease Mongering and Activist Resistance” zitiert L. Tiefer ein von Lynn Payer herausgearbeitetes Muster des Disease Mongering:

  • eine normale Funktion so beschreiben, dass es klingt als sei etwas nicht in Ordnung und sollte behandelt werden
  • ein Leiden andichten, das nicht notwendig vorhanden ist,
  • einen Anteil der Bevölkerung so groß wie möglich definieren, der an der „Störung“ leide,
  • eine körperliche Verfassung als Störung im Sinne eines Defizits definieren oder als hormonelles Ungleichgewicht,
  • die richtigen Leute finden, die das streuen und pushen („spin doctors”),
  • die dazugehörigen Themen spezifisch rahmen,
  • selektiver Gebrauch von Statistiken, um den Nutzen der Behandlung aufzubauschen,
  • in die Irre führen (“Using the wrong end point”),
  • Technologie als risikofreie Magie promoten,
  • ein normales Symptom, das alles und nichts bedeuten kann, so darstellen, dass es wie ein Anzeichen einer ernsthaften Erkrankung wirkt.

Typische Beispiele für Disease Mongering finden sich etwa im Versuch, „Schüchternheit“ zu einer „Sozialphobie“ umzudefinieren, „Trauer“ zu „Depression“ zu machen oder „gelegentliche Lustlosigkeit“ zur „Female Sexual Dysfunction“ aufzubauschen. Als weiteres Beispiel werden bipolare Störungen aufgelistet: Im DSM seit 1980 geführt, erhöhte sich durch Erweiterungen der Krankheitskriterien die Zahl der Betroffenen von 0,1 auf fünf Prozent (vgl. den Beitrag von Healy in der aufgeführten Aufsatzsammlung). Zur Startseite der Aufsatzsammlung der PLoS geht es hier. Einen informativen Überblick zum Thema verschafft auch ein Beitrag von Sepp Hasslberger: Disease Mongering: Corporations Create New ‚Illnesses’“.

4. November 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Claude Lévi-Strauss

Wie heute zu erfahren war, ist am 1.11. Claude Lévi-Strauss, sicherlich einer der berühmtesten Ethnologen des 20. Jahrhunderts, im hohen Alter von 100 Jahren, kurz vor seinem 101. Geburtstag in Paris gestorben. Wie kaum ein anderer hat er durch seine strukturalistischen Analysen des„wilden Denkens“, in denen er versuchte, universale Denkprinzipien der menschlichen Klassifikationen und Bedeutungssysteme zu beweisen, der Ethnologie in der intellektuellen Öffentlichkeit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine breite Schneise geschlagen. Unabhängig von der Bewertung seiner umstrittenen Thesen, die ihm auch immer den Ruf einer gewissen„Kälte“ einbrachten, wird sein großartiger und sehr persönlicher Bericht über seine Forschungsreise zu den Indianerstämmen in Brasilien in den dreißiger Jahren, der gleichzeitig auch eine wunderbare Reflexion über das Reisen an sich und die westliche Kultur darstellt, immer ein wesentlicher Bestandteil der ethnographischen Literatur (auch für Nicht-Ethnologen) bleiben. Aus diesem großartigen Buch„Traurige Tropen“ daher das heutige schöne Zitat des Tages:„Im allgemeinen stellt man sich das Reisen als eine Ortsveränderung vor. Das ist zu wenig. Eine Reise vollzieht sich sowohl im Raum wie in der Zeit und in der sozialen Hierarchie. Jeder Eindruck lässt sich nur in Bezug auf diese drei Achsen definieren, und da allein schon der Raum drei Dimensionen hat, so wären mindestens fünf erforderlich, um sich vom Reisen eine adäquate Vorstellung zu machen. (…) Es gab eine Zeit, da der Reisende Kulturen begegnete, die sich von seiner eigenen von Grund auf unterschieden und ihn zunächst durch ihre Fremdartigkeit überwältigten. Seit einigen Jahrhunderten haben wir dazu immer weniger Gelegenheit. Ob in Indien oder in Amerika – der moderne Reisende ist weit weniger überrascht, als es sich eingestehen mag. Wenn er sich Reiseziele und Routen auswählt, bedeutet das für ihn in erster Linie die Freiheit, lieber an diesem als an jenem Tag anzukommen, lieber dieses als jenes Transportmittel der mechanisierten Zivilisation zu benutzen. Die Jagd nach dem Exotischen beschränkt sich auf das Sammeln von Stadien, die einer bereits vertrauten Entwicklung entweder vorauseilen oder hinterherhinken. Der Reisende wird zum Antiquitätenhändler, den der Mangel an Kunstgegenständen zwingt, seine Galerie aufzugeben, um mit alten Souvenirs vorlieb zunehmen, die er auf seinen Spaziergängen durch die Flohmärkte der bewohnten Erde erhandelt“ (In:„Traurige Tropen“. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1978, stw240, S. 76-78)

3. November 2009
von Tom Levold
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Der Blick in und durch den Spiegel

Das letzte Heft des„Journals of Family Therapy“ dieses Jahrgangs beschäftigt sich u.a. mit der Konstruktion des Konzeptes von„Familie“ in unterschiedlichen Kulturen. Besonders interessant ist dabei ein Beitrag von Reenee Singh, der feststellt:„The findings suggest that although ‘the family’ was constructed differently by South Asian and White British families, clinicians – regardless of whether they were working interculturally or intraculturally – privileged a discourse of ‘the family’ as a two-generation, two-parent unit“ Das bedeutet nichts anderes, dass auch systemische Therapeuten immer wieder sich selbst auf ihre eigenen„Familienkonstruktionen“ befragen sollten.
Zu den vollständigen abstracts…

2. November 2009
von Tom Levold
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Gefühl und Mitgefühl: Emotionale Achtsamkeit und der Weg zum seelischen Gleichgewicht

Seine Heiligkeit der Dalai Lama hat gemeinsam mit dem bekannten Emotionsforscher Paul Ekman ein Buch verfasst, das auf insgesamt 39 Stunden Gespräch der beiden beruht. Andreas Manteufel hat das Buch gelesen und für systemagazin kritisch rezensiert.„Was für ein Zusammentreffen! Östliche Weisheit begegnet westlicher Ratio, Religion trifft auf Wissenschaft, Erleuchtung auf Erkennen, Intuition auf Akribie… Nun, unter diesem Blickwinkel ist dieser Dialog eine Enttäuschung. Die beiden Herren mögen sich nicht nur, sie sind sich auch in allem einig. Es ist vor allem das Harmoniebedürfnis von Ekman, das permanente Übereinstimmung garantiert (…) Natürlich hat das Buch auch seine guten Seiten. Zwei hoch gebildete Menschen steigen vom Elfenbeinturm der Wissenschaft zu uns herab. Alles ist inhaltlich für Laien nachvollziehbar. Und vielleicht ist es ja für manchen auch tröstlich, zu wissen, dass man mit seinen „normalen“ Ideen, eben dem gesunden Menschenverstand, durchaus auf Augenhöhe mit Paul Ekman und dem Dalai Lama liegt. Dass das Buch dazu beiträgt, die eigene emotionale Intelligenz zu verbessern, wie es Daniel Goleman im Vorwort verspricht, das halte ich für viel zu hoch gegriffen. Wer auf Erleuchtung hofft, muss sich etwas anderes überlegen“
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1. November 2009
von Tom Levold
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DU

ICH LIEBE
DEINE
STIMME.

DEN KLANG,
WIE DU
DEINEN
NAMEN
SPRICHST.

ICH KANN
SIE SO OFT
HÖREN,
WIE ICH
WILL.

DAZWISCHEN
DER
PIEPTON.

DAS IST
WIRKLICH
ETWAS GUTES
AN EINEM
ANRUFBEANTWORTER.

(Jens Borrmann,„Kopfsprung„)