systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

7. Dezember 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Walter Schwertl

Kooperation und Vertrauen werden häufig in engstem Zusammenhang genannt. Oft bleibt jedoch unklar, ob Vertrauen ein Ergebnis von Kooperation oder dessen Bedingung ist. Eine minimale Ausprägung von Kooperationen und Vertrauen in genau diese Kooperationen ist unverzichtbar, damit soziales Handeln überhaupt möglich wird25. An irgendeiner Stelle müssen wir die Relativierungen beenden, einstweilig gültige Markierungen setzen und uns daran messen lassen. Im täglichen Handeln (dies ist von Reflexionen desselben zu unterscheiden) haben wir keine Alternative. Wir kommen grundsätzlich über Trial und Error nicht hinaus. Wir müssen so tun als ob wir die Zeichen der Interaktionsprozesse valide lesen könnten. Es gilt sicherzustellen, dass die Zeichen zur Verfügung stehen (z.B. Regeln), dass diese gelesen werden und die Anderen erfahren, dass man das Regelwerk kennt. Des Weiteren ist (ohne Droh- gebärden!) klar zu kommunizieren, dass Vertrauen als absolut unverzichtbares Gut angesehen wird. Nur indem auf Vertrauen bestanden wird, können Andere mit Zuversicht davon ausgehen, dass genau dies die ihm gebührende Rolle spielt. Dies wirkt auf den ersten Blick widersprüchlich zur Aussage Vertrauen wäre nicht einklagbar. Zur Verdeutlichung: Wenn Vertrauen ein konstituierendes Merkmal erfolgreicher Coachingprozesse darstellt, aber nicht kommunikativ herbeigelockt werden kann, gibt es die Möglichkeit des Rückzuges durch den Coach. Wenn die Zuversicht und das Vertrau- en unserer Kunden wichtig sind, gilt es dies intern zu verdeutlichen und kompromisslos darauf zu bestehen. Wer bei diesem Teil des Aushandelns nicht gesehen wird, bleibt hinsichtlich der Frage im Dunkeln, wieviel Wert er Zuversicht und Vertrauen beimisst. Einmal gedreht lautet die Empfehlung für Kunden: Vertraue keinem Coach, der nicht auf Vertrauen und Zuversicht setzt!“ (In:„Business-Coaching. Der Coach als Mountain Guide und Hofnarr“. VS-Verlag, Wiesbaden 2009, S. 72f.)

7. Dezember 2009
von Tom Levold
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Adventskalender: Desserkreationen ohne Helm Stierlin

Barbara Schmidt-Keller, Lehrtherapeutin bei der Saarländischen Gesellschaft für Systemische Therapie und am Wieslocher Institut für systemische Lösungen, hatte am 9.11.1989 die angenehme Pflicht, Helm Stierlin, der als Hauptreferent eines Symposiums in Homburg zu Gast war, nach dem bewältigten Arbeitstag zu einem angemessenen Sterne-Essen auszuführen. Es kam dann doch ganz anders als erwartet.
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6. Dezember 2009
von Tom Levold
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Adventskalender: Mauerfall und Reichspogromnacht

Der Tag der Maueröffnung ist heute ein Gedenktag, allerdings ist der 9.11. schon lange ein Datum, das in der deutschen Geschichte eine Rolle spielt, und an dem historischer Ereignisse gedacht wird – so auch 1989 von Christoph Schmidt-Lellek:„Diese Tage habe ich in prägnanter Erinnerung, weil ich mich mit einer ganz anderen unüberwindlich erscheinenden „Mauer“ befasst habe, nämlich der zwischen Juden und Deutschen. Es war die zweite Wuppertaler Tagung zum Holocaust, veranstaltet von der Universität Wuppertal in Zusammenarbeit mit dem israelischen Psychologen Dan Bar-On, Professor an der Universität Beer-Sheva. Daran teilgenommen haben u.a. etliche Mitglieder einer Dialoggruppe zwischen Kindern von Holocaust-Opfern und Kindern von Nazi-Tätern, die Bar-On ins Leben gerufen hat. In dieser außerordentlich dichten und spannungsreichen Atmosphäre war die Erinnerung an die genau 51 Jahre zurückliegende „Reichspogromnacht“ als Beginn der handfesten Judenverfolgung und -vernichtung sehr präsent“
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5. Dezember 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Hannah Arendt

„Liebe ist ein Ereignis, aus dem eine Geschichte werden kann oder ein Geschick. Die Ehe als Institution der Gesellschaft zerreibt dies Ereignis, wie alle Institutionen die Ereignisse aufzehren, auf denen sie gegründet waren. Institutionen, die sich Ereignisse gründen, halten der Zeit so lange stand, als die Ereignisse nicht völlig aufgezehrt sind. Vor solchem Verzehrt-werden sind nur Institutionen sicher, die auf Gesetzen basieren. Solange die Ehe, immer zweideutig in dieser Hinsicht, als unscheidbar galt, war sie doch wesentlich auf dem Gesetz, nicht auf dem Ereignis der Liebe gegründet und damit eine echte Institution. Inzwischen ist die Ehe zur Institution der Liebe geworden, und als solche ist sie noch um ein weniges hinfälliger als die meisten Institutionen der Zeit. Die Liebe wiederum ist seit ihrer Institutionalisierung ganz und gar heimat- und schutzlos geworden“ (In: Denktagebuch. 1950-1973, 2 Bde., hrsg. von Ursula Ludz und Ingeborg Nordmann, München-Zürich 2002, Dezember 1950; S. 49-51).

5. Dezember 2009
von Tom Levold
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Adventskalender: Sichtvermerke

„Mein Pass wurde am 22. November 1989 ungültig, wenn er nicht verlängert würde. Ich hätte aber schon im Sommer 1989 einen neuen Reisepass beantragen müssen, die Seiten für die Sichtvermerke/Visas waren erneut bis auf die letzte Seite voller rechteckiger Stempel in schwarz-grün, rotblau, grünblau, braun, gelbblau oder schlicht schwarz, mit Namen wie Staaken, Marienborn, Drewitz, Horst, Schwanheide, Frankfurt/Oder, Wartha, Görlitz und DDR 087, 188, 069 Transit oder wie auch immer voll und so also aufgebraucht. Auch der 9. November 1989 war ein Tag, an dem ich es erfolgreich vermieden hatte, einen neuen Reisepass zu beantragen. Wenn man gegen die Übellaune dieser großmützigen DDR-Grenzbeamten andiskutierte, weiblicher Charme half nur wenig, bekam man ja immerhin für die Transitstrecke lose Blätter in den Reisepass gelegt, auf denen die Stempel sogar etwas farbenfroher als auf den grünen BRD-Seiten wirkten. Welchem Rhythmus die Farben und Nummerierungen folgten, ist eines der vielen Rätsel, die die damalige DDR mit in ihr Grab genommen hat“ So beginnt Dörte Foertsch ihre Reflexion der Berliner Zeit vor und nach dem Mauerfall, der auch für sie und ihre Arbeit als Lehrtherapeutin in Berlin nachhaltig verändert hat.
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4. Dezember 2009
von Tom Levold
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Rudolf Wimmer im Gespräch

Auf der X-Organisationen-Tagung führte Stefan Seydel von rebell-tv ein zunächst etwas sperriges, dann aber zunehmend anregendes Gespräch mit Rudolf Wimmer über Paradoxien der Vertrautheit vor der Kamera, Exhibitionismus, Beobachtungen, Lektüre, Zwang zur Selektivität, Umgang mit Unsicherheit, gegenwärtige Zukünfte und Beratung.

4. Dezember 2009
von Tom Levold
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Adventskalender: Vorfall (Eine Art Zitat des Tages)

„Eigentlich wollte ich mich diesmal nicht beteiligen am Adventskalender. Was hätte ich zum Thema zu sagen als Bewohner einer einmal Bonner Republik , was könnte ich anderes beisteuern als bestenfalls sympathisierende Anekdoten? Natürlich weiß ich noch, wo ich war, als ich vom „Mauerfall“ erfuhr, von eröffneter Entgrenzung: ich wollte gerade von der Arbeit nach Hause fahren als ich im Autoradio davon hörte. Ich bin zurückgelaufen zu den KollegInnen in der Stelle und habe das Übliche gerufen – na was wohl… Und natürlich habe ich eher sentimental miterlebt, was dann zu sehen war auf dem Fernsehbildschirm. Und das innere Rauschen beiseite geschoben, wie das wohl wird nach dem Rausch“, schreibt Wolfgang Loth – und hat dann ein Zitat aus einem Interview mit Herbert Wehner ausgegraben, in dem er sich Gedanken gemacht hat, was womöglich nach einer Wiedervereinigung an Bewahrenswertem in beiden deutschen Landesteilen bewahrt werden könne.
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3. Dezember 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Peter Alheit

„Ein mentalitäres Grundmuster dieser entmythologisierten Arbeitsgesellschaft setzt sich fest und wird zur kollektiven Identität der DDR-Bürger: die Standardisierung des Lebens, die Egalität der sozialen Reproduktion. Die „arbeiterliche“ Gesellschaft, wie immer unproduktiv sie vor sich hin wirtschaftet, ist eine Gesellschaft der Gleichen. Und Gleichheit war keineswegs nur eine Ideologie der Herrschenden. Die Herstellung egalitärer Strukturen im Alltag, der Kleidung, des Auftretens, des Gesprächs war ein interaktiver Prozess. Dieser Prozess ließ Exposition nicht zu, verpönte das Besondere, Außergewöhnliche, stieß auch das Fremde ab, wenn es sich dem Egalitätssog widersetzte. Der sympathische Zug dieses egalitären Habitus, die Akzeptanz des „anderen Gleichen“, hat eine dunkle Seite: die kollektive Ausgrenzung des Anderen, Widerspenstigen, Eigensinnigen. Selbst die privaten „Nischen“ können sich der Egalitätsnorm nicht entziehen. Die DDR-Gesellschaft hat einen Aspekt der systemischen Formierung verinnerlicht und zur eigenen Sache gemacht: die Konformität – keineswegs als ideologische Konformität, sondern als eine Egalisierung des kollektiven Habitus. Und auch diese mentale Disposition ist „modernisierungsresistent“ und sorgt für das Überdauern der „ostdeutschen“ Haltung, selbst nach der Wiedervereinigung. Denn nun machen alle nicht nur die Erfahrung der Überschichtung durch eine westdeutsche Pseudo-Elite, sondern zusätzlich noch die erzwungene Bekanntschaft mit Habituszumutungen, die den verinnerlichten egalitären Habitus notorisch entwerten. Dieses Gefühl führt nicht nur zu kollektiven Kränkungen, es fordert auch das Bedürfnis nach kollektiven Abgrenzungen gegen alles Fremde, von dem „das Westdeutsche“ nur einen Aspekt darstellt“ (In: Biographie und Mentalität: Spuren des Kollektiven im Individuellen [36]. In: Bettina Völter, Bettina Dausien, Helma Lutz, Gabriele Rosenthal (Hrsg.): Biographieforschung im Diskurs. VS-Verlag, Wiesbaden 2004, S. 21-45)

3. Dezember 2009
von Tom Levold
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Adventskalender: Mauerfall? Zwanzig Jahre in 45 Minuten

Nach der Maueröffnung hat Clemens Metzmacher, Dipl.-Psychologe und Ethnologe, der als Systemischer Therapeut und Berater heute in Bremen lebt und arbeitet, seinen Zivildienst in Ostdeutschland abgeleistet und ist der Bedeutung des deutsch-deutschen Themas auch für seine eigene Biografie auf die Spur gekommen – bis hin zur eigenen Familiengründung:„Mittlerweile lebe ich mit meiner „ost-sozialisierten“ Frau im Nordwesten Deutschlands. Auch sie hat eine „deutsch-deutsche Familiengeschichte“, die durch Flucht und Ausreiseantrag geprägt ist. Und gemeinsam erleben wir immer wieder, dass diese Geschichte und Geschichten einen Unterschied machen, dass wir in unterschiedlichen Kulturen groß geworden sind. Dass wir gelegentlich unterschiedliche Werte und Traumata mitbekommen haben. Und dass es immer wieder wichtig ist – wenn auch bisweilen mühsam – sich über diese Hintergründe auszutauschen, denn beide Seiten sind für uns beide äußerst relevant“
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2. Dezember 2009
von Tom Levold
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Was ist eine lebensgerechte Wissenschaft? Anmerkungen aus systemischer Perspektive

Nicht nur in Wien, Berlin und Köln streiken die Studenten, sondern auch in Osnabrück, wo sie seit zwei Wochen den größten Hörsaal besetzt halten. Nicht ohne sich in dieser Zeit eigeninitiativ weiterzubilden. Sie baten Jürgen Kriz, eine Sitzung seiner (ohnedies kritischen) Veranstaltung„Grundlagen der systemischen-/ Familientherapie“ in diesem Hörsaal allen (interessierten) Studierenden zur Verfügung zu stellen. Diese Vorlesung ist sowohl per Video als auch mit den Folien aufgezeichnet worden und für eine beschränkte Zeit im Netz verfügbar. Wer sich Jürgen Kriz gerne anhören und ansehen möchte, kann dies
unter diesem Link tun…

2. Dezember 2009
von Tom Levold
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Adventskalender – Direkt von der Arbeit…

… zur Berliner Mauer. Das war nicht Nicolas Sarkozy, sondern Hartwig Hansen, den am Abend des 9.11.1989 die Abenteuerlust packte und der seinen Freund überredete, am gleichen Abend noch nach Berlin zu fliegen:„Auf dem Stadtring zeigen wir ungläubig auf den ersten Trabbi: „Guck’ mal, das gibt’s doch nicht!“ Es ist wahr – die Mauer ist auf. Und da ist sogar ein DDR-Taxi … 23:30 Uhr. Das Cafe „Perestroika“ am Kudamm wirbt für sein Frühstück „Gorbi & Raissa“, aber wir wollen kein Frühstück, wir wollen zur Mauer. Wir halten den Daumen raus. Auf der großen Nachrichtenwand Ecke Joachimsthaler Straße wird Helmut Kohl vorm Schöneberger Rathaus ausgepfiffen. Vorm Europa-Center tanzt man auf der Straße“
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1. Dezember 2009
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender: 20 Jahre Mauerfall (letzter Aufruf an alle)

Zum vierten Mal präsentiert das systemagazin einen Adventskalender, doch diesmal mit ungewissem Ausgang…
Wie auch die letzten Male habe ich Kolleginnen und Kollegen, Leserinnen und Leser eingeladen, eine persönliche Geschichte zum Adventskalender beizusteuern, dieses Mal mit der Frage, wie wir den Fall der Mauer vor 20 Jahren erlebt haben, wie uns dieses Ereignis beeinflusst hat, was es uns an Erlebnissen, Begegnungen und Möglichkeiten eröffnet hat. Offenbar haben sich die Eingeladenen durch dieses Thema nicht so leicht ansprechen lassen wie in den vergangenen Jahren, da der Kalender erst zur Hälfte gefüllt ist. Vielleicht sind alle durch die Jubi-Nummer in den Medien schon übersättigt, vielleicht gab es aber auch Sorgen, ob und wie man angemessen darüber schreiben könne… Jedenfalls kann man eines sagen: die bislang eingegangenen Beiträge sind sehr persönlich und dürften auch Ihnen Mut machen, in Ihren Erinnerungen zu stöbern. Ich würde mich freuen, wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, die beiden letzten Wochen des Kalenders noch auffüllen (alles muss man heutzutage selbst tun)! Und wenn nicht, dann haben wir halt einen abgebrochenen Adventskalender 🙂
Den Anfang macht heute Katrin Richter aus Laboe, die damals auf der Ostseite auf dem noch nicht ganz so schicken Prenzlauer Berg ganz nah am Mauerfall dran war, aber den historischen Moment dann doch verschlafen hat.
Zu ihrem Beitrag