systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

9. März 2010
von Tom Levold
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Case-Based Research in Family Therapy

Frank M. Dattilio von der Harvard Medical School macht sich in einem Aufsatz im Australian and New Zealand Journal of Family Therapy 2006 Gedanken, welche Alternativen es zum Standard der RCT-Studien gibt und plädiert für eine methodisch substantiierte einzelfallbasierte Familientherapie-Forschung:„Traditionally, case-based research has not been con- sidered as scientific by many in the field due to the lack of controlled conditions and objectivity. However, case-study material may be more effective than once believed in educating family therapists. Future implica- tions of the role of case studies in family therapy research are considered, including the manner in which case studies might be designed to be more rig- orous so that they can serve as the basis for drawing causal inferences in clinical cases, and at the same time, provide family therapists with useful information to improve their skills. A discussion section highlights the future direction of case-based research in the family therapy literature and how it may be used as an effective learning tool“
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8. März 2010
von Tom Levold
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„Alltagspraxis richtet sich zum Glück nicht nach der Erkenntnistheorie“

Das aktuelle Coaching-Magazin von Christopher Rauen (das erfreulicherweise auch online gelesen werden kann) enthält ein interessantes Zwiegespräch zwischen Walter Schwertl und dem Literaturwissenschaftler und Systemtheoretiker Siegfried J. Schmidt, die schon seit langer Zeit auf unterschiedliche Weise kooperieren. Es geht um Kommunikation, Coaching, Unternehmenskultur und die Fallstricke eines naiven Konstruktivismus, dem Schmidt eine konsequente Prozessorientierung in der professionellen Beratungspraxis entgegenstellt:„Die Konstruktivisten haben den Konstruktionsbegriff nie hinreichend definiert, was ich für ein gravierendes Versäumnis halte. Daneben hat man eine bestimmte neurobiologische Position als empirisch sichere erkenntnistheoretische Position ausgeflaggt. Diese pseudoerkenntnistheoretische Position wurde dann benutzt, um praktisches Handeln zu rechtfertigen. Hier liegt der kategoriale Fehler: Mit Erkenntnistheorie kann man nie praktisches Handeln rechtfertigen, sondern nur andere erkenntnistheoretische Positionen angreifen. Man muss sehr viel mehr über Alltagspragmatik reden, als das bei den Konstruktivisten je der Fall war. Neben der Erkenntnistheorie gibt es die Alltagspraxis und die richtet sich zum Glück nicht nach der Erkenntnistheorie. Im Alltag richten wir uns nach praktischen empirischen Kriterien für erfolgreiche und erfolglose Prozesse. Das sagt alles weder etwas über die Wirklichkeit, noch über die Wahrheit aus; es sagt etwas über Prozesse. Es ist nicht notwendig, über Gegenstände zu reden und über deren Wahrheit. Sondern wir reden über Prozesse, in denen Gegenstände für uns aus bestimmten Gründen eine Rolle spielen“
Zum Coaching-Magazin geht es hier…

7. März 2010
von Tom Levold
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Konstruktivismus und Inklusion im Dialog

Lars Anken, Sonderpädagoge mit langjähriger Berufserfahrung in Einrichtungen der Behindertenhilfe sowie als Lehrer im Förderschwerpunkt sozial-emotionale Entwicklung und Lernen, veröffentlicht in den nächsten Tagen im Carl-Auer-Verlag Forschung seine Arbeit über die„Radikal-konstruktivistische Epistemologie als mögliche Grundlage für inklusive Erziehung“:„Deutschland hat eines der am stärksten gegliederten und damit auch separierenden Bildungssysteme in Europa. Inklusion als eine nicht aussondernde Pädagogik für alle Schülerinnen und Schüler ist in weite Ferne gerückt. Ausgehend von einer fehlenden Theoriebildung zur Inklusion in Deutschland diskutiert der Autor aktuelle Standpunkte und versucht Merkmale für eine theoretische Fundierung zu elaborieren, die aus der scheinbar festgefahrenen Debatte herausführen könnten. Die Basis hierfür sieht er im Radikalen Konstruktivismus, der nach einer historisch fundierten Herleitung bis hin zu einer Theorie des Beobachters entfaltet wird, bevor dann im zweiten Teil eine so begründete inklusive Erziehung anknüpft. Die neu gewonnene Perspektive entwickelt Ansätze zur Neubewertung unterrichtlicher Methoden und didaktischer wie pädagogischer Entwürfe. Damit wird auch ein interessanter Beitrag zur Schulentwicklung und zur Gestaltung einer humanen Gesellschaft geleistet“, heißt es im Klappentext. systemagazin bringt als Vorabdruck das 3. Kapitel.
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6. März 2010
von Tom Levold
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Irre!

Wir behandeln die Falschen, unser Problem sind die Normalen, behauptet Manfred Lütz in seinem Bestseller, der als„heitere Seelenkunde“ ein breites Publikum über die verschiedenen Psychotherapie-Ansätze informieren möchte. Lothar Eder hat sich das Buch durchgelesen und ist nicht einverstanden:„Was in Psychotherapien tatsächlich geschieht, kann die Outcome-Forschung, auf die Lütz sich so sehr stützt, nicht klären. Dafür braucht es qualitative Forschung und gerade aus der psychoanalytischen Richtung kommen dafür in den letzten Jahren entscheidende Forschungsimpulse, die im systemischen Feld aufgegriffen werden. (…) Selbstredend wären solche Aspekte für ein Publikumsbuch viel zu weitreichend. Allerdings ist die vermeintlich wissenschaftlich begründete Argumentationsführung des Buches sehr kritisch zu sehen. Dies insbesondere deshalb, weil Laien diese Argumentation nur schwer hinterfragen können und ihnen deshalb ein scheinbar wissenschaftlich abgesichertes Bild von der psychotherapeutischen Landschaft vermittelt wird, das allenfalls als Zerrbild bezeichnet werden kann. Vor diesem Hintergrund mag das Buch zwar seine Qualitäten haben; der Autor unterläuft allerdings derart konsequent seinen eigenen Anspruch an wissenschaftlicher Fundierung, das Buch weist eine derartige Fülle von fachlichen Ungereimtheiten auf, dass von einer seriösen Aufklärung von Laien nicht gesprochen werden kann“
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4. März 2010
von Tom Levold
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Zukunft der Futures

Dieses Wortspiel kann man sich kaum verkneifen, wenn man sich Sorgen um die Zukunft der Finanzmärkte (bzw. der Gesellschaft) macht. Die Systemtheoretikerin Elena Esposito hat über dieses Thema ein Buch verfasst, das in den nächsten Tagen im Carl-Auer-Verlag erscheint. Dabei geht es vor allem um den Aspekt der Ökonomie von Zeit. Welche Rolle spielt Zeit für die Wirtschaft? Wie gehen Ökonomen mit Zeit um? Wie wird Zeit„in Rechnung gestellt“? Dieser Blick auf die Wirtschaft soll dem Klappentext zufolge vor allem dort weiter führen, wo bisherige Erklärungsmodelle versagt haben. systemagazin veröffentlicht als Vorabdruck das Kapitel 7 mit dem Titel„Papier-Finanz und Weltbezug“. Wer genaueres nachlesen möchte, kommt
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3. März 2010
von Tom Levold
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Zum Verhältnis von Sozialstruktur und Semantik

Stellt die Beschreibung von Systemen eine bloße Reflexion ihrer Strukturen dar oder sind semantische Strukturen selbst konstitutiv für die von ihnen beschriebenen Sozialstrukturen? Urs Stäheli, Professor für Soziologische Theorie, Wirtschafts- und Kultursoziologie an der Universität Basel, ist dieser Frage in einem Aufsatz nachgegangen, der in Heft 2/98 der Zeitschrift Soziale Systeme unter dem Titel„Die Nachträglichkeit der Semantik“ erschienen ist:„Das Verhältnis von Sozialstruktur und Semantik wird in Luhmanns Werk meist als eine indirekte Anpassung der Semantik an die Sozialstruktur beschrieben. In einem ersten Teil des Aufsatzes wird gefragt, wie Luhmann diese ,lineare Nachträglichkeit‘ der Semantik in der allgemeinen Theorieanlage verankert. Eine derartige Relationierung bleibt aber teilweise den von Luhmann verworfenen marxistischen und wissenssoziologischen Modellen von Semantik und Kultur verpflichtet, da auch hier die Sozialstruktur als ein der Semantik Äußerliches vorausgesetzt wird. Diskutiert werden soll, ob und wie eine derartige Annahme mit der allgemeinen Theoriearchitektur kompatibel ist. Dabei stehen zwei mögliche Einbettungen, die von Luhmann vorgeschlagen werden, im Vordergrund: zum einen der Bezug auf den allgemeinen Strukturbegriff, zum anderen der Versuch einer beobachtungstheoretischen Verankerung. Im zweiten Teil wird – ausgehend von den Problemen, die eine grundbegriffliche Verankerung der Sozialstruktur/Semantik-Unterscheidung produziert – ein alternatives Modell von Nachträglichkeit vorgeschlagen. Informiert durch die psychoanalytische Figur der Nachträglichkeit kann das Verhältnis von Semantik und Sozialstruktur flexibler organisiert und die konstitutive Rolle von Beschreibungen für das durch sie Beschriebene gedacht werden“ Der Artikel ist auch online zu lesen.
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2. März 2010
von Tom Levold
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Klopfen mit PEP

Ein peppiger Titel. Dahinter verbirgt sich die„Prozessorientierte Energetische Psychologie“, die laut dem Herausgeber Michael Bohne eine zeitgemäße Weiterentwicklung bekannter Klopftechniken wie TFT, EFT und EDxTM darstellt,welche die bisherigen Einschränkungen überwinden will.„Ihre Tools werden ‚untechnisch‘ in Psychotherapie und Coaching integriert und beschleunigen deutlich den diagnostischen wie den therapeutischen Prozess‘, heißt es im Klappentext des Verlages. systemagazin bringt als Vorabdruck des Buches, das in der kommenden Woche im Carl-Auer-Verlag erscheint, das vierte Kapitel über die Wirkhypothesen: angenehm pragmatisch und jenseits jeder Esoterik – immerhin gibt es auch ein Vorwort von Peter Fürstenau.
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1. März 2010
von Tom Levold
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Renaissance des Teamgedankens

Nachdem Teamarbeit lange Zeit einen immer schlechteren Ruf in der Organisationstheorie und -entwicklung bekommen hatte, scheint es in letzter Zeit wieder eine Trendwende zu geben, so dass sich fragen lässt, ob„Das Team (womöglich) als besonderer Leistungsträger in komplexen Organisationen“ in Frage kommen könnte. Rudolf Wimmer, durch seine zahlreichen Arbeiten zur Systemischen Organisationsentwicklung, hat sich mit dieser Frage in einem Beitrag beschäftigt, der 1997 im Sammelband„Komplexität managen: Strategien, Konzepte und Fallbeispiele“ (Hrsg. von Heinrich W. Ahlemeyer u. Roswita Königswieser, Gabler-Verlag) erschienen ist:„Ein nüchterner Blick in die Praxis des Organisationsalltages zeigt nämlich, dass wirklich gut funktionierende Teams nach wie vor eine Seltenheit sind, dass tiefgreifende Kooperationsschwierigkeiten, hohe Reibungsverluste im täglichen Gegeneinander, das Scheitern von Projekten häufig zur Normalität des Arbeitsgeschehens zählen. Ist die aktuelle Renaissance des Teamge- dankens mehr ein Ausdruck für die Anfälligkeit des Managements gegenüber gewissen Modeströmungen, denen zufolge es schlicht erforderlich ist, den Produktivitätsvorsprung der Japaner durch die Imitation ihrer Arbeitsorganisation auszugleichen (…)? Oder kann hinter dieser Neuentdeckung teamförmiger Organisationsstrukturen auch ein grundlegender Strukturwandel in den Aufbauprinzipien komplexer Organisationen vermutet werden, ein Strukturwandel, der offensichtlich durch die gravierenden Veränderungen bezogen auf die Überlebensbedingungen von Organisationen in unserem Wirtschaftssystem am Beginn der neunziger Jahre angestoßen und in der Zwischenzeit beschleunigt worden ist? Aus unserer Sicht gibt es ausreichend Anhaltspunkte, dieser zweiten Vermutung zu folgen. Wir gehen davon aus, dass zur Zeit versucht wird (mit welchem praktischen Erfolg sei zunächst noch dahingestellt), unter anderem mit dem Teamgedanken die stark gestiegene Eigenkomplexität von Organisationen, die man sich durch deren radikale Umgestaltung eingehandelt hat, bearbeitbar zu machen. Der vorliegende Beitrag versucht diese These auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen“
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28. Februar 2010
von Tom Levold
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KONFLIKTCOACHING IN FAMILIENUNTERNEHMEN

Arist von Schlippe, Professor für„Führung und Dynamik von Familienunternehmen“ an der Privaten Universität Witten-Herdecke und als Systemischer Lehrtherapeut, -coach und –supervisor (SG) weithin bekannt, hat auf dem Coaching-Kongress in Potsdam im Oktober 2008 einen Workshop zum Thema„Konfliktcoaching in Familienunternehmen: mit Paradoxien umgehen“ abgehalten. Auf der website„Coaching-Videos“ von Christopher Rauen ist der Workshop komplett (als Reihe von 15 Videos) dokumentiert. Viel Spaß beim Zuschauen!

28. Februar 2010
von Tom Levold
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Was ist die Seele?

„TherapeutInnen und BeraterInnen, ÄrztInnen, LehrerInnen, PfarrerInnen und SeelsorgerInnen etc. sind mit der Seele ,beschäftigt‘, entwickeln eine Vorstellung davon, was die Seele sei. Lassen sich aus unseren Erfahrungen, aus philosophischem, soziologischem, pädagogischem, künstlerischem, theologischem und therapeutischem Wissen etc. Möglichkeiten der Beschreibungen der Seele gewinnen, die sich ihrerseits im jeweiligen Arbeitskontext als relevant und viabel erweisen können?“ Dieser Frage geht ein Symposion nach, das vom 4. – 6.6.2010 in Witten (Ruhr) stattfinden wird.„Die Teilnehmenden bilden einen kreativen, interdisziplinären und hochspannenden Think-Tank, der sich auf die Spuren dessen begibt, was wir gemeinhin gewohnt sind „Seele“ zu nennen. Neben dem hohen wissenschaftlichen Niveau des Symposions wollen wir uns auch neuen Sichtweisen öffnen, um z.B. die traditionellen Konstruktionen von „Seele“ einer ebenso kritischen, wie leidenschaftlichen und in gegenwärtigen Kontexten viablen Re-Konstruktion, Re-Vision und Re-Interpretation zu unterziehen. Das „Symposion“ (griech. für „Gastmahl“) werden wir dabei wörtlich nehmen und bei kreativen und hochqualifizierten Inputs gemeinsam diskutieren, essen und trinken. So werden die Tischdecken schon einmal zum Notizblock und so manches Arrangement auf den Tischen eignet sich mitunter vorzüglich, das Gemeinte zu veranschaulichen“ Veranstalter ist versys e.V. (Verband für Systemische Seelsorge e.V.),
zum Tagungsflyer geht es hier…

27. Februar 2010
von Tom Levold
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Aggressive Kinder?

Anton Hergenhan, Dipl.-Psychologe und Leiter einer teilstationären Einrichtung für verhaltensauffällige Kinder, bietet in seinem im verlag modernes lernen 2010 erschienenen Band über systemisch heilpädagogische Lösungen für den Umgang mit aggressiven Kindern an. Jürgen Hargens hat das Buch rezensiert:„Um mit meinem Fazit zu beginnen: Ein praktisches Buch, anregend, persönlich, theoriekonsistent und überaus konkret und hilfreich. Hergenhan setzt sich in elf Kapiteln mit der das Buch einleitenden Frage „Was soll ich machen, wenn …?“ auseinander und wendet sich vorrangig dem Bereich „verhaltensauffällig und aggressiv“ zu. Dabei geht er von eigenen leidvollen Erfahrungen der Praxis aus, wie sie ihn – gewissermaßen als Praxisschock – am Beginn seiner Tätigkeit als Psychologe in einer Heilpädagogischen Tagesstätte traf. Er stützt sich dabei auf systemisch-lösungsorientierte Ideen und macht gleich zu Beginn deutlich, dass die Suche nach den Ursachen, das „hypothetische Wühlen in den ‚Gründen’“ ihm dabei nicht half. Das bringt ihn auf die interessante Unterscheidung von „Rekonstruktion“ – der Blick zurück in die eigene Geschichte, die Schwierigkeiten zu beschreiben – zur Prokonstruktion – „der Überlegung also, was auf welche Weise jetzt besser laufen könnte“
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25. Februar 2010
von Tom Levold
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Beziehung als systemtheoretischer Begriff

Johannes Schmidt, Soziologe und Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Luzern mit Forschungsschwerpunkten Systemtheorie, Netzwerktheorie und der Soziologie persönlicher Beziehungen hat in der Zeitschrift„Soziale Systeme“, für die er auch als Redakteur tätig ist, einen spannenden Aufsatz über„Beziehung“ als systemtheoretischen Begriff verfasst:„Den Begriff der sozialen Beziehung kann man sozialtheoretisch, aber auch differenzierungstheoretisch verstehen. Hinsichtlich der erstgenannten Lesart – Sozialität als Beziehung zwischen Menschen – findet man bei Luhmann eine polemische Ablehnung, während er die zweite Lesart – Beziehung als eine spezifische soziale Form – in einer theoretisch weitgehend unkontrollierten Art verwendet und eine Abstimmung mit dem Theorem der sozialen Differenzierung (Interaktion, Organisation, Gesellschaft) nicht vorgenommen hat. Es ist aber gerade die Luhmannsche Lesart des Interaktionsbegriffs in der Nachfolge Goffmans, die die Systemtheorie gegenüber Phänomenen wiederholter Interaktion seltsam sprachlos erscheinen lässt. Deshalb wird hier vorgeschlagen, den Beziehungsbegriff als eine Selbstbeschreibung eines spezifischen sozialen Systems in Form der Interdependenz von Interaktionen zu verstehen“
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24. Februar 2010
von Tom Levold
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Rosmarie Welter-Enderlin wird 75!

Liebe Rosmarie,
75 Jahre, das ist eine stolze Zahl – und dahinter zeigt sich eine stolzes Lebenswerk! Meine Freude ist, dass ich, nachdem wir uns 1987 näher kennengelernt haben, über fast ein Vierteljahrhundert Deine Person und Dein Schaffen aus nächster Nähe mitbekommen habe – ein Geschenk, für das ich sehr dankbar bin.
Was hast Du nicht alles in den letzten 30 Jahren zur Entwicklung unseres Feldes beigetragen! Die von Dir initiierten und organisierten Tagungen waren nicht nur alle ein Hort des intellektuellen Vergnügens, großzügiger Gastlichkeit und immer stimmiger Atmosphäre, sie haben auch stets besondere Themen aufgegriffen, verdichtet und ihnen Wege bereitet, die sich für den systemischen Diskurs als wichtig und notwendig erwiesen haben. Ein besonderer Genuss ist dem größeren Publikum aber stets entgangen: die Symposien ohne Publikum zwischen den Kongressen in feinem und einfallsreichen Ambiente, auf denen Du mit eingeladenen Gästen an den Konturen des kommenden Kongresses gearbeitet und das Füllhorn Deiner Gastfreundschaft ausgeschüttet hast. Welch eine Idee! Und welche Großzügigkeit!
Bevor ich Dich persönlich kennenlernte, las ich Anfang der 80er Jahre Deine Texte. Schon da war mehr als deutlich, dass Du kein Interesse an der Entwicklung einer reduzierten klinischen Perspektive hattest, sondern das Thema der Arbeit in und an Beziehungen immer auch als profundes sozialwissenschaftliches Projekt angesehen hast. Und wie kaum jemand sonst ist es Dir gelungen, diese komplexen Perspektivenverschränkungen zu Themen von Körper, Seele, Beziehung und Gemeinschaft auf so lesbare und elegante Weise zu Papier zu bringen – vor allem aber: Kooperationen anzustiften mit solchen, die an einer solchen Perspektivenerweiterung ihre Freude haben. Immer war dabei neben dem inhaltlichen Interesse Deine Person als Autorin und Herausgeberin sichtbar: eben als Angebot, Dich auch ganz persönlich zu nehmen. Hinter Theorie hast Du Dich nie versteckt! Darüber hinaus gehörst Du zu den wenigen in der Zunft, die auch über unser Feld hinaus, sei es im Radio, im TV oder in „Brigitte“, Breitenwirkung entfaltet haben.
Der Gefahr der Prominenz, nur noch im Saft der eigenen Redundanz und Selbstvermarktung zu schwimmen, bist Du dabei nicht erlegen. Simple Sprüche sowie jede Art von Kitsch (nicht zuletzt System-Kitsch, Gender-Kitsch und Betroffenheits-Kitsch, die ja auch in unserer community anzutreffen sind) waren Dir ein Gräuel. Streit gingst Du nicht aus dem Weg, weil Dein Interesse eher darin lag, zu zeigen, dass die Dinge komplizierter sein können, als man sie gelegentlich (auch als systemische TherapeutIn) haben möchte.
Kein Wunder, dass ich mich bei Dir und Euch zuhause gefühlt habe. Die Einladungen zu Seminaren und Veranstaltungen kann ich nicht mehr zählen. Aber das Gefühl, bei Euch zuhause zu sein, mit Euch Freude und Sorgen zu teilen, war von Anfang an bis heute das, was zählt.
Dein 75. Geburtstag ist eine Gelegenheit, Dir für all dies zu danken. Du hast mir Vieles ermöglicht und mein Selbstvertrauen gestärkt (z.B. durch die Übergabe Deiner Herausgeberschaft von „System Familie“ an mich). Eine wunderbare Erfahrung war es, Dir das mit meiner Freundschaft vergelten zu dürfen – und nicht zuletzt ist aus unserer Freundschaft auch eine Freundschaft unserer Familien erwachsen!
Ich wünsche Dir alles Gute und vor allem: Gesundheit, Kraft und Gelassenheit für die nächsten Jahre, d.h. Resilienz, schöne Rituale, eine gute affektive Rahmung, viel Familienwelt und sowenig Chronisches wie möglich!
Dein Tom

Zum Geburtstag habe ich zu einer kleinen Geburtstagsparty im systemagazin eingeladen – und eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen, Freundinnen und Freunden bringen Dir heute hier ein Ständchen…

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