systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

5. Mai 2010
von Tom Levold
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Neurokapitalismus

In der Ausgabe 6/2009 erschien im Merkur ein lesenswerter Artikel von Ewa Hess und Hennric Jokeit zum Thema„Neurokapitalismus“, der aktuell auch im Online-Magazin EUROZINE zu lesen ist:„Die Depression aber war die erste seelische Volkskrankheit, gegen die die moderne Neurowissenschaft prompt ein Mittel gefunden hatte. Depression und Angst wurden jetzt im synaptischen Spalt zwischen Neuronen verortet und genau dort behandelt. Eine Schnittstelle war nunmehr ausgemacht, die unmittelbar und präreflexiv das Leiden am Selbst und der Welt zumindest zu lindern imstande war, wo zuvor nur reflexive Psychotherapie agierte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt gesellte sich zum ungleichen Paar Kapitalismus / Neurowissenschaft ein dritter Partner: die aufblühende pharmazeutische Industrie. Waren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Versuche einer Linderung seelischer Leiden durch sedierende Barbiturate, Elektroschocktherapie und Psychochirurgie geprägt, zeichnete sich schon in den dreißiger Jahren der auch von Freud prognostizierte Siegeszug der Neuropsychopharmakologie ab. Kann es ein Paradox sein oder gehört es zu jenen Selbstverständlichkeiten, die aus allzu offensichtlichen Gründen lange verborgen bleiben, dass der Erfolg von Freuds Psychoanalyse und der der heutigen Neurowissenschaften auf ähnlichen Prämissen basieren? Der Erfolg der Psychoanalyse gründete darauf, dass medizinisch relevante Psychiatrie und Psychologie mit Kunst, Kultur, Pädagogik, Wirtschaft und Politik verwoben wurden und so wesentliche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens durchdrangen. Die Neurowissenschaften scheinen zu Beginn des 21. Jahrhunderts zumindest den Anspruch zu erheben, eine vergleichbare Rolle künftighin einnehmen zu können“
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4. Mai 2010
von Tom Levold
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Ein Tagebuch langsamer Therapie

Schon in Heft 1/2009 der Familiendynamik hat Konrad P. Grossmann seine Überlegungen zum„Abschied von narrativer Therapie“ in die Form von Tagebuchnotizen einer Bergwanderung gebracht. Sein aktuelles Buch bedient sich ebenfalls dieser Form und reflektiert Grossmanns„Gedanken zu Psychotherapie und Evolution“:„Die Evolutionstheorie ist eine Theorie des Wandels: Das macht sie auch zu einer zentralen Bezugstheorie der Psychotherapie – einer Theorie, die individuelle und interaktionelle Wandlungsphänomene im Kontext bio-psycho-sozialer Problemstellungen/Störungen fokussiert. Wie erklärt sich aus einem evolutionären Blickwinkel das Zustandekommen von Problemen wie Lösungen? Welche Implikationen birgt eine evolutionäre Lesweise für die therapeutische Haltung und die Praxis systematischer Therapie? Welchen Randbedingungen und Prinzipien unterliegt ein therapeutisches Entwickeln von Lösungen? Welche Funktion und Bedeutung kommt der Therapiebeziehung unter eine ko-evolutionären Blickwinkel zu?“ Andrea Brandl-Nebehay hat das Buch für systemagazin gelesen:„Hier klingt das titelgebende Rahmenthema an: die therapeutische Langsamkeit. Die Bahnung von Alternativen ist ein Wandel in kleinen Schritten. Langsame Therapie meint, kleine Veränderungen seien wichtiger als große; ein Fokus, eine Leitunterscheidung pro Therapiestunde; ‚einen Unterschied säen und der Seele von KlientInnen bei ihrem Wachsen zuschauen‘ (…). Tagebücher haben es – wie andere Werke freilich auch – in sich, vor allem über ihren Autor zu erzählen. Nicht immer fühle ich mich anschlussfähig an Konrad Grossmanns Überlegungen des Tages, erlebe mich über viele Seiten hin überfordert und der blanken Ignoranz überführt. Aber dann stoße ich auf Fallgeschichten, auf Wegzeichen, Sätze und Gedanken, die ich ob ihrer literarischen Kraft immer wieder lesen muss; ein Tagebuch zum Heulen schön“
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3. Mai 2010
von Tom Levold
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Nossrath Peseschkian gestorben

Am 27.4.2010 ist Nossrat Peseschkian (* 18. Juni 1933 in Kaschan, Iran) in Wiesbaden gestorben. Er war ein iranisch-deutscher Nervenfacharzt, Psychiater und Psychotherapeut und Begründer der „Positiven Psychotherapie“. Im Iran geboren und aufgewachsen, kam Peseschkian 1954 zum Studium nach Deutschland und studierte Medizin in Freiburg im Breisgau, Frankfurt am Main und Mainz. Nach seiner Facharztweiterbildung (Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin), der Promotion und der psychotherapeutischen Weiterbildung in Deutschland, der Schweiz, Österreich und den Vereinigten Staaten eröffnete er 1968 zunächst eine Tagesklinik in Wiesbaden. Gleichzeitig entwickelte er eine ausgedehnte wissenschaftliche und Seminartätigkeit auf dem Gebiet der Tiefenpsychologie, die schließlich zur Entwicklung der „Positiven Psychotherapie“ führte. Sie gehört zu den humanistisch-psychodynamischen Verfahren.
1971 gründete er den Wiesbadener Weiterbildungkreis für Psychotherapie und Familientherapie, später die Wiesbadener Akademie für Psychotherapie (WIAP, seit 2000 staatlich anerkannt als Aus- und Weiterbildungsinstitut für Psychotherapie und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie), 1977 die Deutsche Gesellschaft für Positive Psychotherapie e. V.. Die Wiesbadener Akademie ist heute eines der führenden tiefenpsychologischen Institute Deutschlands. Bis Ende 2006 wurden in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg ca. 38000 Ärtze, Psychologen und Pädagogen fort- und weitergebildet. Peseschkian und seine Kollegen hielten Seminare in über 60 Staaten und veröffentlichte über 26 Bücher. Einer seiner Arbeitsschwerpunkte war die Verwendung von Geschichten und Lebensweisheiten in der Psychotherapie. Peseschkian war seit 1971 Dozent an der Akademie für ärztliche Fort- und Weiterbildung der Landesärztekammer Hessen und Honorarprofessor des Nationalen Psychoneurologischen Forschungsinstituts Bechterew in Sankt Petersburg. Schwerpunkte seiner Arbeit waren die Transkulturelle Psychotherapie und die Familientherapie. Heute gibt es etwa 100 Zentren für Positive Psychotherapie in etwa 33 Ländern. Peseschkian war Begründer und Leiter der Internationalen Akademie für Positive und Transkulturelle Psychotherapie – Prof. Peseschkian-Stiftung (seit dem Jahr 2005). Peseschkian war verheiratet und hat zwei Kinder und vier Enkel. Seine Frau Manije ist Familientherapeutin und seine beiden Söhne sind als Psychiater und Psychotherapeuten in Wiesbaden tätig. Dr. med. habil. Hamid Peseschkian leitet die Wiesbadener Akademie für Psychotherapie (WIAP) und Dr. med. Nawid Peseschkian leitet das Sozialpsychiatriezentrum für Kinder und Jugendliche. Peseschkian war Anhänger der Bahai-Religion, über die er ebenfalls einige Schriften verfasste (Informationen: Wikipedia).

1. Mai 2010
von Tom Levold
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„Unterm Strich zähl ich“

Eugene Epstein, Manfred Wiesner und Lothar Duda haben das aktuelle Heft der Zeitschrift für systemische Therapie und Beratung als Gastherausgeber gestaltet und eine interessante Mischung von Beiträgen psychotherapeutischer, soziologischer, kulturwissenschaftlicher und historischer Provenienz zusammengetragen, die um die Frage nach der„psychotherapeutischen Konstruktion des Subjekts“ kreisen, durchaus unterfüttert mit dem Verdacht, dass Psychotherapie (und im Zuge des Mainstreamings des systemischen Ansatzes auch die Systemische Therapie) mit der Übernahme postmoderner„Ich-„,„Selbst-“ und„Identitätskonstruktionen“ ihr dekonstruktivistisches Potential verloren hat und zum Anpassungsprogramm für flexible und arbeitsmarktangepasste Menschen degeneriert ist. Auch wenn die Beiträge nur am Rande mit Psychotherapie direkt zu tun haben und teilweise ironisch-polemisch daher kommen, könnten sie vielleicht doch geeignet sein, die etwas ermattete Debattenkultur im systemischen Feld wieder etwas zu beleben.
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30. April 2010
von Tom Levold
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Handbook of Self-Determination Research

Das Handbook of Self-Determination Research der beiden Psychologie-Professoren der Universität Rochester in schon 2002 erschienen und seit 2004 auch in einer preisgünstigeren Softcover-Version erhältlich. Wolfgang Loth hat es ausführlich besprochen:„Das Ausgehen von Grundbedürfnissen und das Reflektieren von Lebensumständen auf der Basis relativ kohärent erscheinender Grundlagen vermag aus neueren systemtheoretischen Blickwinkeln vermutlich wie von (vor)gestern wirken. Mag sein. Ich halte jedoch dafür, dass auch ein systemisch-konstruktivistisches (und erst recht ein systemisch-existenzielles) Herangehen an „die Dinge des Lebens“ nur dann „Sinn macht“, wenn es nicht formal oder formalistisch geschieht. D.h.: auch systemische TherapeutInnen werden eine Form finden müssen, mit sich im Reinen zu sein (auch mit dem, was nicht rund läuft), wenn sie mit dem im Reinen sein wollen, was KlientInnen von ihren so erlebten Lebenswirklichkeiten mitteilen. Dabei hat sich für mich die Möglichkeit zunehmend als hilfreich erwiesen, das miteinander in Beratung und Therapie Gestaltete danach zu befragen: in welchem Ausmaß trage ich dazu bei, dass jemand sich bestärkt fühlen kann, seine eigenen Qualitäten als gute Basis für nächste gute Schritte zu nehmen? In welchem Ausmaß trage ich dazu bei, dass jemand Vertrauen schöpft in die Möglichkeit, sich auf andere zu beziehen, und in diesem Bezogensein sowohl standzuhalten als auch sich getragen zu fühlen? In welchem Ausmaß trage ich dazu bei, dass jemand sich ermutigt fühlt, die eigenen Fähigkeiten einzusetzen, sie zu üben und weiterzuentwickeln, und weiter: sie anzuerkennen als ihren Beitrag zu einem ausreichend guten Leben für sie selbst und andere? Wenn ich das dann anschließend reflektieren kann, inwieweit sich das sinnstiftend angeschlossen hat aneinander und zur Stärkung sozialer Adressen geführt hat, um so besser. Ich kann das Buch nun nicht als Standardlektüre für PraktikerInnen empfehlen, dazu ist es wohl als Kost für die –baren Leseminuten zu komplex. Doch diejenigen, die im Forschungsbetrieb handeln, könnten ihr Betreiben mit dem vorliegenden Reader sicher befördern. Insgesamt möchte ich dazu ermuntern, den Blick offen zu halten für Möglichkeiten, die sich aus dem SDT-Ansatz ergeben“
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29. April 2010
von Tom Levold
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Michael Buchholz wird 60!

systemagazin gratuliert Michael B. Buchholz zum 60. Geburtstag! Mit ihm feiern wir heute einen der wichtigsten Impulsgeber für den aktuellen psychotherapeutischen Diskurs hierzulande. Nach einem Studium der Psychologie in Mainz und Heidelberg promovierte er 1980 bei Hermann Argelander mit einer Arbeit über die Psychoanalytische Methode und die Familientherapie. In der Zeit von 1979-1985 arbeitete er als Leiter einer Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche, wechselte 1985 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an die Abteilung für Familientherapie der Universität Göttingen. Nach seiner Habilitation 1990 mit einer Venia Legendi für Soziologie übernahm er in der Zeit von 1990-1999 die Leitung der Forschungsabteilung am Krankenhaus für Psychosomatik und Psychotherapie Tiefenbrunn bei Göttingen sowie der familientherapeutischen Werkstatt in Tiefenbrunn. Seit 1999 ist er als Psychoanalytiker (seit 2001 auch als Lehranalytiker) in privater Praxis in Göttingen sowie als Gastprofessor an verschiedenen Universitäten tätig.
Michael Buchholz ist nicht nur Psychoanalytiker, sondern auch Familientherapeut der ersten Stunde und ein hervorragender Kenner der systemischen Literatur. Seine besondere Stärke liegt ohne Zweifel darin, die jeweiligen Ansätze auch gegen ihren Strich bürsten, Mainstream-Floskeln entlarven und intellektuelle Potentiale herauszuarbeiten zu können, die sich gerade aus der Überschreitung von Schulengrenzen ergeben. Mit seinen „Psycho-Newslettern“, von denen er im Auftrag der DGPT mittlerweile fast 80 verfasst hat und die mittlerweile drei im Psychosozial-Verlag erschienene Bände füllen, hat er in den letzten 8 Jahren über aktuelle Entwicklungen der Psychotherapieforschung, Diskussionen in Zeitschriften und neuere Bücher informiert und dabei einen gewaltigen Horizont an Themen, theoretischen Hintergründen, Einfällen und Verweisen aufgespannt. Wie nur wenige sonst verfügt Michael Buchholz als Psychologe und Sozialwissenschaftler über die dafür notwendige inhaltliche Reichweite und die entsprechende “Verknüpfungskompetenz”. Er ist ein Pfadfinder im besten Sinne des Wortes, der immer wieder neue Wege des Denkens und Reflektierens aufspürt. Dabei ist er ebenso unabhängig wie unbestechlich und unbeeindruckt von Ideologien und Dogmatiken, die sich auch unter Psychotherapeuten schnell breitmachen. Dass Michael Buchholz kein Funktionär und Vereinsmeier ist, hat seine Karriere nicht unbedingt gefördert, seinem Ruf als originellem und brillantem Denker und Forscher aber gewiss nicht geschadet. Mit seinen zahlreichen Büchern und Aufsätzen (z.B. zur „Psychotherapie als Profession“, zur Metapherntheorie und Psychotherapieforschung und nicht zuletzt dem großartigen dreibändigen, gemeinsam mit Günther Gödde herausgegebenen Mammutwerk über das Unbewusste) hat er nicht nur komplexe Themenbereiche einem größeren therapeutischen Publikum erschlossen, sondern dies immer aber auf eine Weise, die Neugier weckt und die eigene Begeisterung für das Lesen an jeder Stelle den Lesern mitteilt, vorausgesetzt, dass diese sich dem Abenteuer einer komplexen Lektüre aussetzen. Systemiker können hier lernen, dass eine interaktionsorientierte zeitgemäße Psychoanalyse sich nicht nur systemisch-konstruktivistischen Grundsätzen immer weiter annähert, sondern auch Fragestellungen und Forschungsprogramme anzubieten hat, mit denen sich auch SystemikerInnen beschäftigen sollten.
Lieber Michael, zum Geburtstag die herzlichsten Glückwünsche – verbunden mit der Hoffnung, dass Deine Schaffenskraft und Deine intellektuelle Leidenschaft auch weiterhin ihre so erfolgreiche Liaison aufrechterhalten und auch zukünftig ihre Wirkungen entfalten mögen.
Tom Levold

weitere Glückwünsche…

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28. April 2010
von Tom Levold
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Der synthetische Mensch

Professor Bumke hat neulich Menschen erfunden,
die kosten zwar, laut Katalog, ziemlich viel Geld,
doch ihre Herstellung dauert nur sieben Stunden,
und außerdem kommen sie fix und fertig zur Welt!

Man darf dergleichen Vorteile nicht unterschätzen.
Professor Bumke hat mir das alles erklärt.
Und ich merkte schon nach den ersten Worten und Sätzen:
Die Bumkeschen Menschen sind das, was sie kosten, auch wert.

Sie werden mit Bärten oder mit Busen geboren,
mit allen Zubehörteilen, je nach Geschlecht.
Durch Kindheit und Jugend würde nur Zeit verloren,
meinte Professor Bumke. Und da hat er ja recht.

Er sagte, wer einen Sohn, der Rechtsanwalt sei,
etwa benötige, brauche ihn nur zu bestellen.
Man liefre ihn, frei ab Fabrik, in des Vaters Kanzlei,
promoviert und vertraut mit den schwersten juristischen Fällen.

Man brauche nun nicht mehr zwanzig Jahre zu warten,
daß das Produkt einer unausgeschlafenen Nacht
auf dem Umweg über Wiege und Kindergarten
das Abitur und die übrigen Prüfungen macht.

Es sei ja auch denkbar, das Kind werde dumm oder krank.
Und sei für die Welt und die Eltern nicht recht zu verwenden.
Oder es sei musikalisch! Das gäbe nur Zank,
falls seine Eltern nichts von Musik verständen.

Nicht wahr, wer könne denn wirklich wissen, was später
aus einem anfangs ganz reizenden Kinde wird?
Bumke sagt, er liefre auch Töchter und Väter.
Und sein Verfahren habe sich selten geirrt.

Nächstens vergrößre er seine Menschenfabrik.
Schon heute liefre er zweihundertneunzehn Sorten.
Mißlungene Aufträge nähm er natürlich zurück.
Die müßten dann nochmals durch die verschiednen Retorten.

Ich sagte: Da sei noch ein Bruch in den Fertigartikeln,
in jenen Menschen aus Bumkes Geburtsinstitute.
Sie seien konstant und würden sich niemals entwickeln.
Da gab er zur Antwort: »Das ist ja grade das Gute!«

Ob ich tatsächlich vom Sichentwickeln was halte?
Professor Bumke sprach’s in gestrengem Ton.
Auf seiner Stirn entstand eine tiefe Falte.
Und dann bestellte ich mir einen vierzigjährigen Sohn.

Erich Kästner (1932)

27. April 2010
von Tom Levold
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16. Herbstakademie „Selbstorganisation von Wissenschaft“

Vom 11.10.-13.10.2010 findet an der Friedrich-Schiller-Universität Jena die 16. Herbstakademie„Selbstorganisation von Wissenschaft“ statt, die von Ewald Johannes Brunner, Karsten Kenklies und Wolfgang Tschacher organisiert wird. Zu den Referenzen gehören u.a. Hermann Haken, Bernd-Olaf Küppers und Jürgen Kriz. Die diesjährige Herbstakademie befasst sich schwerpunktmäßig mit dem„System Wissenschaft aus der Perspektive der Selbstorganisationstheorie“. Wissenschaft ist in ihren verschiedenen Ausprägungen ein sich selbst organisierendes System: Sowohl die Entwicklung zu Einzelwissenschaften als auch der Wissenschaftsbetrieb als solcher beruhen auf Selbstorganisationsprozessen und entwickeln Eigendynamiken. Diese sind in entsprechenden„Musterbildungsprozessen“ erkennbar.  Sie sollen auf der Tagung aus dem Blickwinkel einzelner Akteure des Wissenschaftsbetriebs und aus der Perspektive verschiedener Wissenschaftstraditionen historisch und systematisch betrachtet und analysiert werden.
Näheres zur Herbstakademie siehe hier…

26. April 2010
von Tom Levold
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Systemisches Denken in der Kinder- und Jugendhilfe

Mit der Frage nach der praktischen Umsetzung systemtheoretischer Konzepte in die Arbeit der Kinder- und Jugendhilfe, ohne dass das Wort„systemisch“ zu einem„leeren Modewort degeneriert“, beschäftigt sich die Dissertation von Andrea Barth:„Die Frage nach dem Verhältnis von Theorie und Praxis stellt den Leitgedanken der vorlie- genden Arbeit dar. Auf der Grundlage von hermeneutisch-qualitativen Forschungsmethoden werden die Möglichkeiten sowie die Grenzen der praktischen Umsetzung systemtheoretischer Denkmodelle untersucht. Im ersten Teil der Arbeit werden die aus unserer postmodernen Gesellschaft resultierenden Bedingungen und die damit verbundenen neuen Anforderungen an die Pädagogik dargelegt. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht hierbei die Modernisierung der Kinder- und Jugendhilfe. Ausgehend von den Maximen einer modernen Pädagogik, stellen systemtheoretische Ansätze aufgrund ihres komplexen und innovativen Charakters eine gewinnversprechende Möglichkeit dar, auf die veränderten Anforderungen adäquat zu reagieren. Die Inhalte systemischen Denkens werden mit Hilfe dreier theoretischer Ansätze herausgearbeitet. Dazu gehören die Systemtheorie nach Luhmann und die beiden ökosystemischen Ansätze in der Tradition nach Bronfenbrenner und Bateson. Inwiefern diese wissenschaftlichen Objektivationen in der Praxis pädagogischer Institutionen zu verwirklichen sind, ist Inhalt der beiden Fallanalysen, die den zweiten Teil der Arbeit bilden. Die Untersuchung zweier Felder der Kinder- und Jugendhilfe der Rummelsberger Anstalten bietet die empirische Grundlage für Aussagen über den Theorie-Praxis-Zusammenhang. Beleuchtet werden zum einen eine teilstationäre und zum anderen eine stationäre Einrichtung. In beiden Bereichen wurde mit analogen Forschungsmethoden Einzelfallstudien durchgeführt. Das Hauptaugenmerk ist dabei jeweils auf die Vernetzung der einzelnen, an der Erziehung eines Kindes beteiligten Systeme gerichtet. Eine vergleichende Darstellung der beiden Fallstudien lässt Rückschlüsse auf die in den Einrichtungen konzeptionell verankerten sowie tatsächlich praktizierten Prinzipien systemischen Denkens zu. Im Schlussteil wird herausgearbeitet, dass sich systemtheoretische Ansätze in Bezug auf institutionelle Fragen als sehr fruchtbar erweisen, in ihrer praktischen Umsetzung jedoch die Gefahr bergen, dass der Terminus „systemisch“ zum leeren Modewort degeneriert. Die Grenzen werden vor allem aus einer handlungs- und kulturtheoretischen Perspektive ersichtlich. Daher wird der Impuls gegeben, diese drei wissenschaftlichen Ansätze in einem Denkmodell zu vereinen, um auf diese Weise sowohl für die wissenschaftliche als auch für die praktische Pädagogik einen Gewinn zu erzielen“
Den vollen Text der Dissertation können Sie hier lesen…

23. April 2010
von Tom Levold
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Familienunternehmen als bedeutsamer Kontext von Unternehmerfamilien

Die Vorstellung des Heftes 1/2010 der Zeitschrift„Familiendynamik“ ist an dieser Stelle (von mir unbemerkt) übersprungen worden, da die Ausgabe offensichtlich auf dem Postwege verschwunden ist. Das wird nun nachgeholt. Die (Gast-)Herausgeber Sabine Klein und Arist von Schlippe haben ein interessantes Heft zum Themenkomplex Familienunternehmen zusammengestellt, wobei hier die Familie ganz im Vordergrund steht, für deren Dynamik jedoch das Unternehmen einen hochrelevanten Kontext darstellt. Darüber hinaus gibt es einen Beitrag zum Thema Migration, Identität und Gesundheit, eine Arbeit von Günter Schiepek über systemische Forschung (auf die Jochen Schweitzer in Heft 2 kritisch Bezug nimmt) sowie noch ein (schwerpunktthemenbezogenes) Interview mit Altmeister Salvador Minuchin über„Familienseite des Familienunternehmens“.
Zu den vollständigen abstracts