systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

17. Juli 2010
von Tom Levold
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Netzwerktheorie und Systemtheorie

Wer seinen Urlaub vor sich und Spaß an Theorie hat, wird mit den aktuellen Heft der„Sozialen Systeme“ (2/2009!) bestens bedient, in dem es um das Verhältnis von Systemtheorie und Netzwerktheorie geht, die in den letzten Jahren eine unglaubliche Karriere erfahren hat. Die Herausgeber Boris Holzer und Johannes F.K. Schmidt schreiben in ihrem einleitenden Beitrag:„Der Anspruch einer Netzwerktheorie ist nicht nur insofern mit jenem der Systemtheorie vergleichbar, als beide Ansätze mit begrifflichen Prämissen arbeiten, die interdisziplinär anschlussfähig sind. Er beinhaltet auch, ausgehend vom Netzwerkbegriff – ebenso wie vom Systembegriff – alles Soziale erfassen zu können. Damit ist zwischen den beiden Theorieansätzen ein Verhältnis beschrieben, das Äquivalenz ebenso einschließt wie Konkurrenz. Auf der einen Seite finden wir Versuche, ausgehend von netzwerkanalytischen oder Konzepten eine fachuniverselle Theorie zu entwickeln. Hier ist in erster Linie Harrison Whites Versuch zu nennen, auf netzwerkanalytischer Grundlage eine über Netzwerke im engeren Sinne hinausgehende, konstruktivistische Sozialtheorie auszuarbeiten. Auf der anderen Seite steht die systemtheoretische Interpretation des Netzwerkbegriffs, die stärker als Whites Netzwerktheorie darum bemüht ist, den gesellschaftlichen Stellenwert von Netzwerken – und das heißt vor allem: ihr Verhältnis zu anderen sozialen Strukturen – zu klären. Trotz recht unterschiedlicher Ausgangspunkte versuchen beide Ansätze, Netzwerke nicht einfach vorauszusetzen, sondern ihre Konstitution zum Gegenstand soziologischer Erklärung zu machen. In Frage steht lediglich, ob es dabei um einen sozialen Sachverhalt (oder auch: einen Typus sozialer Systeme) neben anderen geht oder um die Grundlage von Sozialität schlechthin“ Zu lesen sind acht spannende Beiträge, zu den
vollständigen abstracts geht es hier…

15. Juli 2010
von Tom Levold
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Coaching spürt keine Krise – vermehrte Nachfrage – steigende Professionalität

Die Beratungsfirma„Trigon Entwicklungsberatung“ hat seit 1997 mehrere Befragungen zum Thema Coaching durchgeführt und legt nun die Ergebnisse der aktuellen Umfrage 2010 vor. Dabei wurden ca.300 Personen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt, die sich mit dem Thema Coaching als KundInnen, PersonalentwicklerIinnen oder als Coachs beschäftigen:„Zusammenfassend ist fest zu halten, dass die Kunden „professioneller“ geworden sind. Sie haben oft schon mehrere Coaching-Prozesse hinter sich (75 % mehr als einen Coaching-Prozess bereits erlebt!) und verlangen gute und effektive Arbeit. Das heißt wiederum, dass Coachs sich um profunde psychosoziale und sachliche Arbeit, um die Prozessgestaltung und Beziehungspflege mehr annehmen müssen als bisher. Das zeigen auch die Ergebnisse der Anforderungen an Coach und Coaching, die mehr Beziehungs-, Vertrauens- und Prozess-Aspekte enthalten als Fachaspekte. Hier wird eine Methode genutzt, die auch krisenresistent ist, was die Fragen an alle Beteiligten Zielgruppen deutlich aufzeigte“
Zur Zusammenstellung der Ergebnisse im Einzelnen…

14. Juli 2010
von Tom Levold
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Informationswissenschaftliche Begriffe und Kernprozesse aus Sicht des Radikalen Konstruktivismus

In der Reihe„Churer Schriften zur Informationswissenschaft“ ist die Diplom-Arbeit von Rene Frei über„Informationswissenschaftliche Begriffe und Kernprozesse aus Sicht des Radikalen Konstruktivismus“ veröffentlicht und im Internet zugänglich gemacht worden. In der Übersicht heißt es:„Die Informationswissenschaft beruht auf einer positivistisch-ontologischen Sichtweise, welche eine Realität als beschreib- und erfassbar darstellt. In dieser Arbeit werden die Grundbegriffe und exemplarische Kernprozesse der Informationswissenschaft aus Sicht des Radikalen Konstruktivismus betrachtet, einer Erkenntnistheorie, welche besagt, dass der Mensch seine Wirklichkeit nicht passiv erfährt, sondern aktiv konstruiert. Nach einer kurzen Beschreibung der Informationswissenschaft wird zum Radikalen Konstruktivismus übergeleitet und die daraus folgenden Konsequenzen für Verständigung und Wirklichkeit erläutert. Der konventionellen Anschauung von Daten, Information, Wissen, etc. wird dann diese neue Sichtweise entgegengestellt. Darauf aufbauend werden Informationsverhalten, – pathologien und -prozesse vom radikal-konstruktivistischen Standpunkt aus dargestellt. So sollen der Informationswissenschaft ein breiteres Verständnis für ihren Gegenstandsbereich und zusätzliche Kompetenzen vermittelt werden“
Zum vollständigen Text…

12. Juli 2010
von Tom Levold
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Jenseits der Sprache…

… so lautet das Motto des thematischen Schwerpunktes der aktuellen Ausgabe von Familiendynamik, die hier Aktionsmethodenund„szenisch-systemischen Arbeitsformen“ vorstellt:„Szenische Settings ermöglichen es (…), Kommunikation und Meta-Kommunikation eng verwoben und doch klar getrennt voneinander zu handhaben“, schreiben Ulf Klein und Arist von Schlippe in ihrem Editorial. Neben dem Schwerpunkt-Thema gibt es wie gewohnt eine Fülle verschiedener Themen, darunter auch die lesenswerte deutsche Übersetzung eines Aufsatzes von Ethan Watters aus der New York Times von Januar 2010 über die„Amerikanisierung von psychischen Krankheiten“, in dem er die Thesen aus seinem ebenfalls im Januar erschienenen Buch„Crazy Like Us: The Globalization of the American Psyche“ zusammenfasst.
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11. Juli 2010
von Tom Levold
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Benjamin Zander

Benjamin Zander ist Engländer, Chefdirigent der Bostoner Philharmoniker und ein hinreißender Lehrer (mit seiner Frau, einer systemischen Therapeutin, hat er übrigens ein schönes Buch geschrieben: The Art of Possibility). In diesem wunderbaren Video spricht er über seine Arbeits-Philosophie und zeigt eindrucksvoll in einer kurzen Arbeit mit einem jungen Cellisten, wie man mit einer positiven Einstellung zu Fehlern („How Fascinating“) zu neuen Möglichkeiten gelangen kann. 30 Minuten, die sich lohnen (man merkt ohnehin nicht, wie die Zeit vergeht!)

10. Juli 2010
von Tom Levold
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Qualität, Erfolg und Misserfolg im therapeutischen Feld

Im Editorial der aktuellen Ausgabe von„Psychotherapie & Sozialwissenschaft“ heißt es:„Psychotherapeuten, Berater und Angehörige der sozial unterstützenden und pflegenden Berufe sollten gute Praxis anbieten. Sie sollten sich dem Expertenurteil und dem der Klienten und Patienten stellen, ein vertrauenswürdiges und vertrauensfähiges Beziehungsangebot machen, die Intelligenz und Urteilskompetenz des Klienten und Patienten anerkennen und die eigene fachliche und interdisziplinäre Fortbildung ernst nehmen. Forscher und Praktiker sollten eine gemeinsame Sprache finden, in der man wechselseitig voneinander profitiert. All dies ist wünschbar. Doch wie sieht es in der Realität aus? Was sagen Personen, deren Therapien nicht gelangen? Wie lösen Psychotherapeuten die besonders anspruchsvolle Aufgabe, einem Patienten zu beschreiben, was ein psychoanalytisches Vorgehen ist? Gibt es eine Kluft zwischen dem Handwerk der diagnostischen Praxis und der wissenschaftlichen Systematik? Reden Ärzte mit Nicht-Ärzten, und kommt etwas dabei heraus?“ Die Beiträge des Heftes sind diesen und anderen Fragen gewidmet.
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8. Juli 2010
von Tom Levold
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Systemische Therapie und die Zufriedenheit der KlientInnen

In Heft 2/2004 der Zeitschrift systeme erschien ein Beitrag von Stefan Geyerhofer (Foto: www.oeas.at), Johannes Ebmer und Katharina Pucandl, der die Bedeutung der KlientInnenzufriedenheit für die Qualitätssicherung in Systemischer Psychotherapie untersucht:„Anhand einer am Institut für Systemische Therapie (IST) in Wien durchgeführten Evaluationsstudie werden die Ausgangssituation und konkrete Möglichkeiten zur Erfassung der KlientInnenzufriedenheit beschrieben. Ausgewählte, erste Ergebnisse zum Thema Dauer der Therapie, Anzahl der Sitzungen und zur Generalisierung erreichter Lösungen werden beispielhaft mit ihrem Nutzen für die konkrete therapeutische Arbeit, im Sinne der Erhaltung und Verbesserung der Qualität Systemischer Psychotherapie dargestellt. Die Bedeutung und Reliabilität von telefonischen Follow Up Befragungen für die Erfassung von Therapieerfolgen wird diskutiert“ Der Beitrag ist auch online zu lesen,
und zwar hier…

6. Juli 2010
von Tom Levold
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Zum Verhältnis von Forschung und Praxis in der Psychotherapie

Bereits 1997, also noch vor dem Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes mit seiner Betonung der Notwendigkeit der„Wissenschaftlichen Fundierung“ von Psychotherapie-Verfahren, hat Jürgen Kriz einen kritischen Aufsatz über das Verhältnis von Forschung und Praxis in der Psychotherapie in„Psychotherapie Forum“ veröffentlicht, das in systhema nachgedruckt wurde und dortselbst auch online zu lesen ist:„Das Verhältnis zwischen Praxis und Theorie läßt sich als Verhältnis von Landschaft zu Landkarte charakterisieren: Therapeuten sind dann Menschen, deren Qualität sich vornehmlich daran zu zeigen hat, wie sie die Landschaft durchwandern (als begleitende Führer derer, die sich ihnen anvertrauen), wie sie dabei Hindernisse zu überwinden, Gefahren zu erspüren, eisige Nächte und trockene Wüsten zu durchstehen vermögen. Von ganz anderer Art sind die Anforderungen an Kartographen – d. h. die Theoretiker und Forscher: Die Karten, die sie zeichnen, müssen z.B. möglichst klar, detailliert und doch handhabbar sein. Die alte Leitidee, Landkarten sollten „wahr” sein, hat hingegen die wissenschaftstheoretische Debatte inzwischen – und das nicht erst in der Postmoderne – als „science fiction”, als Fiktion von „Wissenschaft”, entlarvt. Es kann nämlich unendlich viele Abbildungen einer Landschaft (z.B. der „Stadt Zürich”) geben – und ich wähle für einen Moment dieses konkrete Beispiel „Zürich”, da es mir eher weniger komplex und eher handhabbar erscheint als die Landschaft „Psychotherapie”: Eine grobe sight-seeing-map ist nicht unwahrer als eine präzise 1:1000 Darstellung der Ebene, sie dient nur anderen Zwecken. Für viele Zwecke ist die sight-seeing-map wegen ihrer Übersichtlichkeit und leichteren Handhabbarkeit aber nicht nur nützlicher, sondern sogar auch präziser als ein dickes und schweres Kartenwerk – so z.B. hinsichtlich der Frage, was viele Menschen gerne besichtigen. Zudem enthält auch das schwerste, umfangreichste Kartenwerk grundsätzlich unendlich viele Aspekte nicht (z. B. über Luftverschmutzung zu einem bestimmten Zeitpunkt, die Vernetzung mit Telefonen, die Besuchshäufigkeit zwischen den Menschen). Wenn man solche Fragen hat, können und müssen Spezialkarten erstellt werden. Damit wird auch sofort deutlich, daß es das Kartenwerk – sprich: die Theorie – nicht geben kann. Man sollte sich daher nicht durch vollmundige Behauptungen mancher Psychotherapieforscher – wie: man habe alles erfaßt und objektiv richtig wiedergegeben – mundtot oder kritikunfähig machen“
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4. Juli 2010
von Tom Levold
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Gregory Bateson

Heute vor 30 Jahren starb der englische Anthropologe, Biologe, Sozialwissenschaftler, Kybernetiker und Philosoph Gregory Bateson, dessen Theorien zur Kommunikation und zur„Ökologie des Geistes“ von wesentlicher Bedeutung für die Entwicklung der systemischen Therapie war. Stephen Nachmanovitch, Musiker, Autor und Computerkünstler, hat Bateson, der den größten Teil seines Lebens in den USA geforscht und gelehrt hat, 1972 als Student kennen gelernt. 1981 hat er einen sehr schönen Text über Gregory Bateson in der Zeitschrift„Coevolution Quarterly“ veröffentlicht, der die Persönlichkeit Batesons auf eine besondere Art und Weise nahebringt.
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2. Juli 2010
von Tom Levold
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Was passiert eigentlich im Coaching?

… fragt Astrid Schreyögg im Editorial der aktuellen Ausgabe von„Organisationsberatung – Supervision – Coaching“, die eine breite Palette an Themen für die Leserschaft bereithält: Welche Beratungsmodelle über die reine Prozessberatung sind für Coachin relevant, wie könnte das Verhältnis von internem und externem Coaching in Unternehmen organisiert sein, welchen Stellenwert hat Coaching im Diversity-Management von Organisationen, wie können Doppelspitzen in öffentlichen Verwaltungen durch Coaching unterstützt werden u.a. Abgeschlossen wird das Heft mit einem desillusionierenden (?) Beitrag über die Tatsache, dass man mit Coaching„kein Millionär“ wird.
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1. Juli 2010
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Niklas Luhmann

„Im Rahmen der Theorie selbstreferentieller Systeme ergeben sich ganz andersartige Möglichkeiten, den Sinn der politischen Wahl zu begreifen. Ein erster Schritt liegt in der Neudefinition von Demokratie als Austauschverhältnis von Regierung und Opposition, also als Zweitcodierung politischer Amtsmacht. Darüber muß in der politischen Wahl entschieden werden. Auch nach diesem Konzept bleibt also die politische Wahl der Kern des Demokratieverständnisses. Dazu gehört, daß die politische Wahl politisch nicht kontrolliert werden kann, also frei und geheim durchgeführt wird. Das Verhindern einer politischen Kontrolle der politischen Wahl durch die regierenden Parteien erzeugt einen Strukturbruch, eine Selbstreferenzunterbrechung im politischen System. Dadurch wird gesichert, daß das politische Geschäft nicht einfach in der Kontinuität bisheriger Politik weiterläuft. Statt dessen wird, und das ist die Funktion der regelmäßig zu wiederholenden politischen Wahl, die Politik mit einer für sie unbekannten Zukunft konfrontiert. Das schließt es nicht schlechthin aus, daß man zu erraten versucht, welche politischen Entscheidungen eine positive Resonanz finden und eine Wiederwahl bzw. eine Übernahme der Regierung durch die bisherige Opposition begünstigen könnten. Es geht also nicht um eine Art Blindflug ohne Geräte und auch nicht, in alter Weise gesprochen, um die Reduktion von Politik auf fortune. Aber es gibt, schon wegen der Vielfalt der Themen und Interessen, keinen sicheren Schluß von Machtausübung auf Machterhaltung oder von Machtkritik auf Machtgewinn. Die Institutionalisierung politischer Wahl garantiert dem System eine im System selbst erzeugte Ungewißheit. Es gibt natürlich nach wie vor auch die Unsicherheit, die aus einer turbulenten, übermäßig komplexen Umwelt resultiert, also etwa aus der Eigendynamik von Wirtschaft und Wissenschaft, aber diese Unsicherheit wird zunächst aufgefangen dadurch, daß das System selbst eigene Ungewißheit produziert und sich insofern nicht (oder nur mit Vorbehalt von Änderungen) festlegen kann. Im Verhältnis zur Umwelt erreicht das System so„requisite variety“, aber nur dadurch daß es die Unbestimmtheit der Umwelt durch eigene Unbestimmtheit kompensiert. Der Vorteil ist, daß man mit interner Unbestimmtheit besser umgehen kann als mit externer, und zwar durch Entscheidungen“ (In: Die Politik der Gesellschaft, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2002).

29. Juni 2010
von Tom Levold
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Evidence based Treatment

Bill Andrews (Foto: www.hgi.org.uk), Mitbetreiber des„Human Givens Institute“ und Psychotherapeut in Sheffield sowie„senior associate with the International Centre for Clinical Excellence, beschreibt in einem schönen Artikel über Psychotherapie-Forschung, wie sehr der Psychotherapie-Erfolg von der direkten Rückmeldung der Klienten an die Therapeuten abhängt:„Despite all the research findings endorsing client alliance factors, the mental health field in the UK remains dangerously enamoured of the ultimate, all-powerful silver bullet illusion: evidence-based treatment. The problem with evidence-based treatment is not only the empirically bankrupt notion that, for a particular disorder, there is a specific treatment that is best, but also its total exclusion of the client from consideration. In evidence-based treatment, the client is equated with the problem and the treatment is viewed as if it can be isolated from the most powerful factors that contribute to change: the client’s own resources, perceptions and participation. A review of the research makes clear, however, that the client is actually the single, most potent contributor to outcome in psycho- therapy – through the resources they bring into the therapy room and what influences their lives outside it. These factors might include persistence, willingness to change, faith, optimism, a supportive relative, being a caring parent, running a local group or belonging to a religious community – all important aspects of a client’s life outside of therapy. They also include previously demonstrated strengths and abilities“
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