systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

16. Mai 2011
von Tom Levold
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Milieu – ein wenig beachteter Faktor im Coaching

Bernd Schmid bietet auf der website des„Instituts für systemische Beratung“ einen Text über Milieus und die Bedeutung von Milieu-Passung in beruflichen und beraterischen Kontexten zum Download an, der im vergangenen Jahr auch in der Zeitschrift OSC (Organisationsberatung-Supervision-Coaching) erschienen ist:„Der Beitrag fokussiert die Bedeutung von Milieufaktoren für berufliche Entwicklung, für die Chance, bestimmte gesellschaftliche Stellungen zu erlangen, sich in gewünschten Milieus zu beheimaten. Zu anderen Milieus Zugang zu finden und Milieubegegnung zu gestalten, ist eine eigene Kompetenz, die durch Bildung nur begrenzt zu erlangen ist. Um mit diesem Thema konstruktiv umzugehen, müssen Tabus bezüglich Milieufragen in der Gesellschaft allgemein und im Coachingfeld im Besonderen überwunden werden.
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15. Mai 2011
von Tom Levold
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Lieben nach Maß

«Mir fällt auf, dass sie von Max als meinem Mann reden», sagt Elisa A. im ersten Beratungsgespräch, und Max B. ergänzt, dass sie nicht verheiratet seien und auch nicht zu mir kämen, um von Heirat zu reden. Aha, denke ich, da befürchten zwei, dass ich ihnen als gestandene Therapeutin bürgerlich-konservative Ideen überstülpen könnte. Max und Elisa sind beide Mitte 40, nach kurzen Ehen geschieden und wohnen seit 4 Jahren zusammen, ohne Kinder. In ihren Berufen erleben sie Anerkennung. Sie sind bewundernswert tüchtig, wobei Elisa als Verkaufschefin eines Konzerns wesentlich mehr verdient als Max, der Sportlehrer. Kein Problem, meinen beide. Überhaupt seien sie doch unglaublich privilegiert, wenn sie sich verglichen mit anderen.
Warum sind sie denn bei mir? «Wir schlafen nicht mehr miteinander, seit wir zusammen wohnen», sagt Max, und Elisa nickt. «Dafür streiten wir unablässig über dumme Kleinigkeiten.» In den folgenden Sitzungen fällt mir die ungeheure Anstrengung der beiden auf, ihr Zusammenleben zu einem ästhetischen Erlebnis zu machen, ähnlich wie sie offenbar ihre Wohnung nach Designer-Massstäben eingerichtet haben. Jeder erläutert mir sorgfältig den anderen. «Elisa ist vielleicht sexuell erkaltet, weil ich sie an ihren abweisenden Vater erinnere», analysiert Max. Und Elisa meint, dass Max sich einmal mit seiner ungelösten Bindung zu seiner verstorbenen Mutter befassen müsste. Das Reden der beiden über «unsere Beziehung» in den abstrakten Höhen psychologischer Deutungen irritiert mich. Meinem Vorschlag, ihren Leistungsdruck in der Sexualität zu verringern durch sinnliche Begegnungen – Kochen für Freunde? Kino? Spielen? Tanzen? – wird freundlicher Widerstand entgegengesetzt.
Die Phase der Jugend ist bei den beiden vorbei, sie haben ein psychisch und ökonomisch stabiles Plateau erreicht. Und was nun? Liebe als Passion möchten sie schon, aber dazu fehlt die Spannung. Ein Modell für diese Lebensphase haben sie, wie viele in ähnlicher Lage, nicht, und zu grundsätzlichen Entscheidungen reicht der Druck nicht aus. Im sechsten Gespräch schlage ich vor, dass sie die frische Luft eines Trennungs-Szenarios ins Haus lassen. Oh Wunder: Jetzt werden sie lebendig, traurig, wütend! Die beiden trennen sich tatsächlich nach diesem Gespräch. Elisa und Max leiden entsetzlich an der sechsmonatigen Trennung, fallen aber schliesslich auf die eigenen Füsse. Manchmal braucht es eine Trennung, damit Liebende ja oder nein sagen können zueinander. – Kürzlich kamen die beiden mit einem Blumenstrauss zu mir: Sie werden diesen Frühling heiraten.

Im Jahre 2002 hat die im vergangenen Jahr verstorbene systemische Paartherapeutin Rosmarie Welter-Enderlin allwöchentlich Sonntags in der Neuen Zürcher Zeitung eine Kolummne mit dem schönen Titel„Paarlauf“ veröffentlicht, in der sie kleine Beobachtungen und Geschichten aus ihrer paartherapeutischen Praxis für ein größeres Publikum zugänglich machte. Rudolf Welter hat aus diesen Beiträgen eine kleine Broschüre zum Andenken an Rosmarie Welter-Enderlin gestaltet. Mit seiner freundlichen Erlaubnis können die LeserInnen des systemagazin an diesen Sonntagen die Texte auch online lesen.

14. Mai 2011
von Tom Levold
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Schulenunabhängige Konzeption systemischer Therapie

Seit langem verfolgt Günter Schiepek das Projekt einer Neukonzeption Systemischer Therapie auf der Grundlage der Theorie nichtlinearer Dynamik neurobiologischer Prozesse und eines synergetisch orientierten Prozessmanagements. Auf der website systemisch-forschen.de hat er einen Beitrag mit der Vorstellung seiner Konzeption veröffentlicht:„Mehrere konvergierende Entwicklungslinien in den Neurowissenschaften, der neurobiologischen Psychotherapieforschung, der Prozess-Outcome-Forschung, des Prozessmonitorings und der Theorie komplexer, selbstorganisierender Systeme machen eine Konzeption systemischer Therapien erkennbar, die erheblich weiter gefasst ist als die einer Psychotherapieschule mit familientherapeutischem Schwerpunkt. Systemische Therapie wird skizziert als wissenschaftlich arbeitende (nicht nur fundierte) Therapie, die im Sinne eines bio-psycho-sozialen Grundverständnisses nicht auf Psychotherapie beschränkt ist, auf diesem Anwendungsfeld jedoch Meta-Theorie und Technologie einer schulenübergreifenden, „allgemeinen“ Psychotherapie liefert. Eine zentrale Rolle spielen hierfür Verfahren des Real-Time Prozessmonitoring und der Prozesssteuerung nichtlinearer Entwicklungen. Vorgeschlagen wird eine erweiterte Definition von systemischer Therapie und von Psychotherapie auf der Grundlage des synergetischen Prozessmanagements. Konsequenzen für die Evidenzbasierung und eine mögliche Integration von „medical model“ und „common factors model“ werden diskutiert“
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12. Mai 2011
von Tom Levold
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Sympathische Psychiatrie

Zwischen 2002 und 2009 wurde das Praxis-Forschungsprojekt »Systemtherapeutische Methoden psychiatrischer Akutversorgung« (SYMPA) unter der Federführung von Jochen Schweitzer und Elisabeth Nicolai in drei nord- und westdeutschen Akutkrankenhäusern durchgeführt (Gummersbach, Wunstorf und Paderborn), das nicht nur den Einsatz systemischer Vorgehensweisen in der Akutpsychiatrie untersuchte, sondern auch ein systematisches Trainingsprogramm für die Stationsteams umfasste. SYMPA ist heute ein empirisch bewährtes, nachhaltig wirksames Programm der systemisch-familienorientierten Behandlung in allgemeinpsychiatrischen Kliniken und Abteilungen. Jochen Schweitzer und Elisabeth Nicolai haben mit vielen anderen, die im„Abspann“ des Buches genannt werden, die gemachten Erfahrungen als„Handbuch systemisch-familienorientierter Arbeit“ im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht herausgebracht, Wolfgang Brockmann hat den Band rezensiert:„Dieses Buch informiert den Leser über einen Versuch, systemische Therapie in den Arbeitsalltag einer psychiatrischen Akutstation im Rahmen eines Forschungsprojektes über mehrere Jahre zu implementieren. Es gibt einen guten Überblick über erprobte, umsetzbare systemische Methoden in der psychiatrischen Behandlung. Die direkte Nähe zur psychiatrischen Praxis ist in allen Kapiteln des Buches überzeugend zu erleben. Es zeigt auf, dass inhaltliche Veränderungen in der stationären Psychiatrie positiv für alle Beteiligten umsetzbar sind“
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11. Mai 2011
von Tom Levold
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Soziale Arbeit und die nicht beliebige Konstruktion sozialer Probleme in der funktional differenzierten Gesellschaft

In einem interessanten Aufsatz für die Zeitschrift„Soziale Probleme“ aus dem Jahre 2001 zeigt Albert Scherr, Direktor des Institutes für Soziologie an der Pädagogischen Hochschule Freiburg (Foto: ph-freiburg.de), dass soziale Probleme zwar sensu Luhmann als Konstruktionen betrachtet werden müssen, diese allerdings nicht als beliebig angesehen werden können:„Grundlage des Beitrags ist die Systemtheorie Luhmannscher Prägung, insbesondere die dort prominente Unterscheidung Inklusion/Exklusion. Aufgezeigt wird, dass Exklusionen nicht geradlinig als soziale Probleme bzw. als Ursache sozialer Probleme verstanden werden können. Vor diesem Hintergrund werden solche Positionen innerhalb der Problemsoziologie kritisiert, die sich von objektivistisch gefassten Problembegriffen distanzieren und sich darauf beschränken, die kommunikative (mediale und politische) Konstruktion von Problemdefinitionen zu analysieren. Ausgehend von der Annahme, dass soziale Problemkonstruktion keine freischwebenden und beliebigen Setzungen, sondern Konstruktionen von etwas sind, zeigt der Beitrag weiter auf, dass der Möglichkeitsraum von Problemkonstruktionen gesellschaftsstrukturell begrenzt ist. Daran anschließend plädiert der Autor für eine Fundierung der Soziologie sozialer Probleme in einer ‚Theorie der Lebensführung in der modernen Gesellschaft’, die bestimmen kann, wie Gesellschaftsstrukturen auf Probleme der Lebensführung von Individuen, Familien und soziale Gruppen bezogen sind“
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9. Mai 2011
von Tom Levold
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Family Process 1/2011

Das aktuelle Heft der„Family Process“ wird mit einem interessanten Rückblick von Christian C. Beels auf die ersten acht Jahre der Zeitschrift eingeleitet, die unter der Herausgeberschaft von Jay Haley und dem Einfluss der Gruppe am Mental Research Institute in Palo Alto standen:„The later influence of the group‘s „double bind“ hypothesis of schizophrenia is explored. Some ideas about the influence of theory on practice are suggested. Several examples of experiments in the social setting of family work are picked out of these volumes because of their influence on later programs. Finally, the essay offers a retrospective appreciation of the influence of Gregory Bateson on the mood of „revolution“ forecast in the opening years of Family Process“. Darüber hinaus gibt es u.a. Arbeiten über die Kommunikation in Familien, die über verschiedene Länder und Kulturen verteilt leben, über„sekundäre Migration“ von Migranten innerhalb der USA, über den Einfluss vergangener Paarbeziehungen, die durch den Tod eines Partners endeten, auf die zweite Ehe des Hinterbliebenen, über die Entwicklung eines positiven Männerbildes in Familien alleinerziehender Mütter sowie einen Aufsatz über den Ansatz des reflecting teams.
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8. Mai 2011
von Tom Levold
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Liebe im Diminutiv

Im Jahre 2002 hat die im vergangenen Jahr verstorbene systemische Paartherapeutin Rosmarie Welter-Enderlin allwöchentlich Sonntags in der Neuen Zürcher Zeitung eine Kolummne mit dem schönen Titel„Paarlauf“ veröffentlicht, in der sie kleine Beobachtungen und Geschichten aus ihrer paartherapeutischen Praxis für ein größeres Publikum zugänglich machte. Rudolf Welter hat aus diesen Beiträgen eine kleine Broschüre zum Andenken an Rosmarie Welter-Enderlin gestaltet. Mit seiner freundlichen Erlaubnis können die LeserInnen des systemagazin heute und an den kommenden Sonntagen die Texte auch online lesen:

Liebe im Diminutiv
Paartherapie hat Konjunktur und ist ein beliebtes Sujet für Karikaturen, die den Eheberater (seltsamerweise immer ein Er) gelangweilt hinter seinem Pult zeigen, während gegenüber ein Mann elend im Stuhl hängt und eine übergewichtige Frau wütend auf ihn einredet. Konjunktur haben in meiner Praxis auch Fragen von Journalisten, die sich halbprofessionell mit Liebe befassen. Etwa solche: «Wie viele glückliche Pärchen kennen Sie eigentlich?», fragt mich einer und verzieht den Mund, während ich mir im Geist seine Freundin vorstelle, die die Koffer gepackt hat und dem Pärchenmythos entsprungen ist. Der arme Mann! Und redet immer noch im Diminutiv von der Liebe.
Weil ich beruflich mit Therapie und Beratung zugange bin, erfüllen mich solche Fragen und Klischees mit zwiespältigen Gefühlen: Die Psychologisierung des Alltags und die emotionale Erhitzung unserer persönlichen Welten finde ich zum Ersticken. Herzklopfen vor Rührung bekomme ich hingegen, da die Menschen so viel halten von der Hoffnung, aus ihren Wirklichkeiten Möglichkeiten zu schaffen. Und Herzklopfen vor Neugier auf ihre Geschichten zu meinen Fragen, was die Dinge aus ihnen gemacht haben, wie sie jetzt aus ihren Geschichten Zukunft machen. Ab und zu geschieht mir jedoch schon in der ersten Stunde, was ich das Lisi-Syndrom nenne: Ärger über die Unersättlichkeit meiner Klienten, ähnlich wie ich ihn bei Lisi, unserer Katze, habe, wenn sie mich in die Zehen beisst und sich unter meine Füsse stellt und jammert, bis ich ihren Teller fülle.
Menschliche Unersättlichkeit, verbunden mit dem fürchterlich hohen Anspruch an die Liebe, hat selten mit charakterlichen Defiziten, umso mehr aber mit dem zu tun, was wir als gesellschaftlich erzeugten Individualismus und Narzissmus bezeichnen: die Freiheit, unseres eigenen Glückes Schmied zu sein – und als ihre Kehrseite den Zwang, jeden Tag unser Leben neu zu entwerfen. Wer es nicht schafft, glücklich zu sein, ist gemäss dieser Ideologie selber schuld und darf von niemandem erwarten, Futter in seinen Teller zu bekommen.
Die wenigsten von uns sind in einer Kultur aufgewachsen, die uns Übungsfelder für Probedenken und Probehandeln vermittelt hat. Paartherapie heisst darum, dass ich die Bedingungen schaffe, welche Frau und Mann (oder Mann&Mann und Frau&Frau) ein Zwiegespräch mit den Füssen auf ihren eigenen Böden ermöglichen, die Bedingungen, die zu einer Begegnung zwischen zwei Menschen führen. Im Dreieck mit mir als Begleiterin.

7. Mai 2011
von Tom Levold
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Nachruf auf Heinz-Dieter Jung

Heinz-Dieter Jung, der zuletzt Leitender Arzt des Albert-Schweitzer-Therapeutikums Holzminden war, einer Fachklinik für Kinder und Jugendpsychiatrie, ist im Februar im Alter von nur 60 Jahren gestorben. Eugene Epstein und Manfred Wiesner haben lange mit ihm in Wilhelmshaven zusammengearbeitet und für das systemagazin einen Nachruf verfasst:„Nach Tätigkeit an der Universitätsklinik Göttingen begann er Ende der 80er Jahre unter systemischen Gesichtspunkten als Leitender Arzt die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Wilhelmshaven aufzubauen. Wir hatten das Glück, ihn hierbei unterstützen und mit ihm zusammenarbeiten zu können. Nach unserer Kenntnis schrieb er seinerzeit als erster eine Stelle in der Kinder- und Jugendpsychiatrie aus, die gezielt an sozial-konstruktionistisch orientierte TherapeutInnen gerichtet war (…) Wir vermissen einen guten Freund und einen Mitstreiter für eine menschengerechte und systemisch orientierte Kinder- und Jugendpsychiatrie“.
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2. Mai 2011
von Tom Levold
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Die „Aufhebung“ der konstruktivistischen Perspektive und anderes

Ulrich Pfeifer-Schaupp macht im neuen Heft der Zeitschrift für systemische Therapie und Beratung„Vorschläge zum Weiterdenken und zur „Aufhebung“ der konstruktivistischen Perspektive. Dabei steht Francisco Varelas Ansatz der Kognition als Inszenierung im Zentrum. Sein „mittlerer Weg der Erkenntnis“ hebt die Dualität zwischen Subjektivismus und Objektivismus auf. Er ist von der Interaktion der buddhistischen Achtsamkeit / Gewahrseins-Meditation mit der Phänomenologie und der Kognitionswissenschaft inspiriert“ Weitere Beiträge behandeln die Themen„Autorität durch Beziehung in der Schule“,„Brauchen unkonventionelle Jugendliche unkonventionelle TherapeutInnen?“ und„’Widerstand‘ und ‚Zwang‘ in der systemischen Beratung“.
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1. Mai 2011
von Tom Levold
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The birth of a word

MIT researcher Deb Roy wanted to understand how his infant son learned language — so he wired up his house with videocameras to catch every moment (with exceptions) of his son’s life, then parsed 90,000 hours of home video to watch„gaaaa“ slowly turn into„water“ Astonishing, data-rich research with deep implications for how we learn.
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