systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

18. Januar 2014
von Tom Levold
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Der Typus des postmodernen Professionellen – ein Porträt Psychologischer Psychotherapeuten?

In der neuesten Ausgabe des Psychotherapeutenjournals findet sich ein bemerkenswerter Aufsatz von Julia Thom und Matthias Ochs, der sich mit der Frage der Profession und Professionalisierung des Therapeutenberufes auseinandersetzt. Julia Thom, Dipl.-Psych., Stipendiatin des Ev. Studienwerkes, studiert Psychotherapie (Master of Science) in Kombination mit der Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin (Schwerpunkt VT) an der Psychologischen Hochschule Berlin. Ihre Forschungsinteressen liegen in der sozialwissenschaftlichen Untersuchung der Psychotherapie sowie Fragen der Epidemiologie und Versorgungsforschung. Matthias Ochs ist in der systemischen Szene vor allem durch die gemeinsame Organisation der Systemischen Forschungstagungen in Heidelberg (mit Jochen Schweitzer), als Herausgeber von www.systemisch-forschen.de und als Mitherausgeber des„Handbuches Systemisch Forschen“ bekannt (ebenfalls mit J. Schweitzer), er lehrt im Fachgebiet „Psychologie und Beratung“ am Fachbereich Sozialwesen der Hochschule Fulda. Ihr differenzierter, umfassend informierter Text leistet in aller Kürze einen ausgezeichneten Überblick über die gegenwärtige soziologische Professionalisierungsdebatte und deren Relevanz für die Frage, inwiefern Psychotherapeuten (und insbesondere Psychologische Psychotherapeuten) als Profession zu betrachten sind (und sich selbst so betrachten) und inwieweit unterschiedlichen Professionalisierungskonzepte zu unterschiedlichen Annahmen hinsichtlich der Vollständigkeit von Professionalisierung oder gar einer Deprofessionalisierung von Professionalisierung führen. Im abstract heißt es: „Wenn Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychothera­peuten an ihrem Arbeitsauftrag oder der Gültigkeit ihres Fachwissens zweifeln, diagnos­tiziert die Soziologie den ,Typus des postmodernen Professionellen‘. Dieser bekommt die Folgeprobleme des Modernisierungsprozesses Professionalisierung innerhalb seines Berufsstandes zu spüren und beginnt sie zu reflektieren. So lässt die Professionssoziolo­gie ein alarmierendes Bild der Psychotherapie zeichnen: Ihr gelingt die Professionalisie­rung nur unvollständig, ihre gesellschaftliche Funktion und Legitimität muss sich infrage stellen lassen, Wissenschaft und die eigene Klientel bedrängen das professionelle Selbstverständnis und das tägliche Handeln wird paradox. Die Entwicklung des psycho­therapeutischen Berufsstandes bietet Lesarten, in denen sich diese Hypothesen sowohl bestätigt als auch widerlegt sehen – was in seiner Widersprüchlichkeit so zeitgenössisch wie fachlich notwendig und typisch für die Psychotherapeutenschaft sein mag.“ Der Text ist auch im Netz erschienen, allerdings nicht solo, da das aktuelle Heft als Ganzes im Netz ist,
man findet den Beitrag auf den Seiten 381-387…

17. Januar 2014
von Tom Levold
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Memorandum „Reflexive Neurowissenschaft“

2004 erregte ein optimistisches Manifest von Hirnforschern, u.a. auch Gerhard Roth und Wolf Singer, ein gewisses Aufsehen, in dem diese die wesentlichen Rätsel der Funktionsweise des Gehirns als grundsätzlich lösbar erklärten, die Klärung der Einzelheiten sehr vor allem eine Frage der Zeit und der eingesetzten Ressourcen: „In absehbarer Zeit, also in den nächsten 20 bis 30 Jahren, wird die Hirnforschung den Zusammenhang zwischen neuroelektrischen und neurochemischen Prozessen einerseits und perzeptiven, kognitiven, psychischen und motorischen Leistungen andererseits soweit erklären können, dass Voraussagen über diese Zusammenhänge in beiden Richtungen mit einem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad möglich sind. Dies bedeutet, dass man widerspruchsfrei Geist, Bewusstsein, Gefühle, Willensakte und Handlungsfreiheit als natürliche Vorgänge ansehen wird, denn sie beruhen auf biologischen Prozessen.“ Nun ist auf der website von „Psychologie Heute“ ein „Memorandum ,Reflexive Neurowissenschaft’“ erschienen, das von 15 Professoren unterzeichet wurde, darunter Felix Tretter (Redaktion), Thomas Fuchs, Felix Hasler, Georg Northoff, Stephan Schleim und Wolfgang Tschacher. Hier zeigt sich, dass sich der Optimismus inzwischen weitgehend gelegt bzw. relativiert hat. Einleitend heißt es im Memorandum: „Vor 10 Jahren, im Jahr 2004 wurde der Öffentlichkeit ein Manifest von Neurowissenschaftlern präsentiert, das eine äußerst optimistische Zukunftsperspektive der Hirnforschung erkennen ließ. Unter anderem sollten neue Neurotechnologien die Enträtselung des Gehirns und damit des Geistigen ermöglichen, und für die klinische Praxis sollten bald effektivere und nebenwirkungsärmere Psychopharmaka entwickelt werden. Schließlich sollte ein neues, wissenschaftlich fundiertes Menschenbild entstehen.
Die heutige Bilanz fällt aus unserer Sicht allerdings eher enttäuschend aus. Eine Annäherung an gesetzte Ziele ist nicht in Sicht. Die Ursachen dafür gehen weit über organisatorisch-technische Schwierigkeiten hinaus und liegen einerseits an Schwächen im Bereich der Theorie der Neurowissenschaft, andererseits an zu wenig durchdachten naturalistischen Vorannahmen und Konzepten, die wünschenswerte Brückenschläge zur Psychologie, Philosophie und Kulturwissenschaft nachhaltig erschweren.
Bereits die oftmals unzulängliche Unterscheidung von notwendigen und hinreichenden Bedingungen hat auf vielen Feldern zur Überschätzung eigener Erklärungsansprüche geführt: Selbstverständlich ist ohne Gehirn alles nichts, aber das Gehirn ist nicht alles, denn es benötigt den Körper, und der Körper benötigt die Umwelt. Aussagen wie „Psychische Prozesse beruhen auf Gehirnprozessen“ führen uns nicht weiter, denn psychische Prozesse benötigen auch die Atmung, den Blutkreislauf usw.
Auch die Verkürzung der Psychologie auf alltagsweltliche Begriffe und Konzepte und auf einfache Experimente ist problematisch. So bleibt oft unbeachtet, ob die experimentelle Operationalisierung einer Funktion den psychologischen Inhalt dieser Funktion zutreffend widerspiegelt. Außerdem zeigt die Forschung, dass eine psychische Funktion (z.B. Sehen) an mehreren Gehirnorten realisiert ist und dass andererseits ein Gehirnort an mehreren Funktionen beteiligt ist. Damit werden mehrere Schwierigkeiten einer eindeutigen Zuordnung psychischer Funktionen zu Hirnstrukturen erkennbar. Dies beruht auf dem Netzwerkcharakter des Gehirns. Dieser Aspekt muss ausdrücklicher als zuvor durch die Einbindung der Systemwissenschaft berücksichtigt werden. Sie kann als mathematisch fundierte Disziplin helfen, die Funktionsweise des Gehirns als System zu verstehen. Das Gehirn ist ja aus Milliarden von zellulären Schaltkreisen aufgebaut, die eine hochkomplexe Signalaktivität aufweisen.
Um Gehirnfunktionen angemessen verstehen zu können, ist daher eine enge und institutionalisierte Zusammenarbeit von Biologie, Psychologie und Systemwissenschaft erforderlich, und zwar unter essenzieller Beteiligung der Philosophie mit ihren Facetten der Anthropologie, Philosophie des Geistes und Wissenschaftstheorie. Eine bloße Ergänzung der (neuro)biologischen Beschreibung durch einige psychologische und geisteswissenschaftliche Randaspekte ginge am Ziel vorbei. Nur wenn die klinische Praxis, also Psychiater und Neurologen, in die Forschung eingebunden wäre, könnte die nötige Transdisziplinarität  zustande kommen, die eine neue, diskursive und reflexive (nachdenkliche) Neurowissenschaft entstehen lässt, die auch ihre eigenen Grundlagen hinterfragen und ihre Grenzen erkennen kann.
Letztlich ist die Reduktion des Menschen und all seiner intellektuellen und kulturellen Leistungen auf sein Gehirn als „neues Menschenbild“ völlig unzureichend. In diesem einseitigen Raster ist der Mensch als Subjekt und Person in seiner Vielschichtigkeit nicht mehr zu fassen. Es ist immer die ganze Person, die etwas wahrnimmt, überlegt, entscheidet, sich erinnert usw., und nicht ein Neuron oder ein Cluster von Molekülen.“
Der Text ist frei im Netz zugänglich,
und zwar hier…

15. Januar 2014
von Tom Levold
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Nicht ob, sondern wie – Überlegungen aus Anlass einer professionellen Beziehungsstörung

Angesichts der aktuellen Bemühungen um eine positive Überprüfung der Systemischen Therapie durch den G-BA ist in der systemischen Mailingliste (nichtöffentlich, aber für systemische Fachleute zugänglich) eine aktuelle Diskussion über für und wider bzw. über die mutmaßlichen  dieses Schrittes in Gang gekommen. Ausgangspunkt war die Einladung der systemischen Gesellschaften an ihre Mitglieder (Forscher wie Praktiker), den Antrag an den G-BA mit eigenen Stellungnahmen zu Wirksamkeit und Nutzen der Systemischen Therapie zu begleiten. Die Diskussion verläuft kontrovers hinsichtlich der Einschätzungen, was ein Eintritt der Systemischen Therapie in das bestehende psychotherapeutische Versorgungssystem bedeutet für die Identität der Systemischen Therapie, die zukünftige Perspektive eines transdisziplinären und multiprofessionellen systemischen Ansatzes in der Therapie (bei einer zukünftigen monodisziplinären und monoprofessionellen Systemischen Psychologischen Psychotherapie) und für den Zusammenhalt der Systemischen Bewegung. Ganz unabhängig davon, ob die Leser des systemagazin diese Debatte verfolgen oder nicht, sei hier auf einen Text von Wolfgang Loth aus dem Jahre 2008 verwiesen, der noch vor dem Hintergrund der beantragten (und kurz danach vollzogenen) Anerkennung als wissenschaftlich fundiertes Verfahren durch den Wissenschaftlichen Beirat geschrieben wurde und der sich u.a. kritisch mit der (auch im systemischen Feld beliebter werdenden) Störungsorientierung auseinandersetzt. Im Hinblick auf die Prüfung der Systemischen Therapie aus der Perspektive der Mainstream-Psychotherapie stellen sich Loth zufolge folgende Aufgaben: „Angenommen es machte Sinn, die Prämissen und Praxiserfahrungen Systemischer Therapie in Bezug auf ihre Anschlussfähigkeit an diese ,Bedingungen des Gesundheitssystems‘ zu überprüfen und eventuelle Anpassung zu leisten, dann müsste Systemische Therapie m. E. a) ihre erkenntnistheoretischen Prämissen im Hinblick auf den Begriff ,Störung mit Krankheitswert‘ klären, b) ihre erkenntnistheoretischen Prämissen hinsichtlich der Linealität / Nichtlinealität von Sinnprozessen überprüfen (bzw. die Annahme zirkulärer Prozesse), c) auch ihre Position im Hinblick auf die Bedeutung Allgemeiner / bzw. Gemeinsamer Faktoren überprüfen, d) und schließlich sich mit dem Dilemma auseinandersetzen, dass der Nachweis, ob Systemische Therapie sich unter den Bedingungen des gegenwärtigen Gesundheitssystems als machbar erweisen kann, nur dann möglich ist, wenn Rahmenbedingungen erlaubt und finanziert werden, dies in vivo zu überprüfen. Das Einräumen fairer Bedingungen für diese Möglichkeit geschieht jedoch nur dann (wenn überhaupt), wenn sich Systemische Therapie vorher bereits den Bedingungen der Etablierten angepasst hat. D.h.: die Plausibilität systemischer Grundpositionen kann nicht als Ergebnis erwiesen werden, weil sie im Vorfeld preisgegeben werden mussten, um einen anerkannten Nachweis führen zu dürfen.“

Zum vollständigen Text…

13. Januar 2014
von Tom Levold
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Therapie als ein System in Sprache

Harlene Anderson und Harold Goolishian (9.5.1924-10.11.1991) hielten 1990 auf dem Kongress „Reflecting Team – Reflecting Process“, der am 2. und 3. November in Salzburg stattfand, einen Vortrag mit dem Titel „Therapie als ein System in Sprache: Geschichten erzählen und Nicht-Wissen“, in dem sie ihre Haltung des „Nicht-Wissens“ entwickeln. Im einleitenden Absatz heißt es: „Unsere theoretische Auffassung von Therapie nähert sich immer mehr einem hermeneutischen, interpretativen Standpunkt an, der ,Bedeutung‘ als etwas sieht, das von Menschen, die miteinander im Gespräch sind, geschaffen und erfahren wird. Von dieser neuen theoretischen Grundlage aus stellt sich uns Therapie nun als eine Arena beweglicher Systeme dar, die nur in der unberechenbaren, wunderlichen Welt von Sprache, Diskurs und Konversation existieren. Diese Arena ist im Bereich der Semantik, des Geschichtenerzählens beheimatet; einer ihrer Grundpfeiler ist die Annahme, daß menschliche Handlungen in einer Realität von Verstehen stattfinden, die durch soziale Konstruktion, Sprache und Dialog geschaffen wird.“ Andrea Brandl-Nebehay hat den Vortrag ins Deutsche übersetzt, der Text ist in der systeme 6(2) erschienen und auch online zu lesen,
nämlich hier…

10. Januar 2014
von Tom Levold
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SCORE


Eine Arbeitsgruppe in der Association for Family Therapy. Systemic Practice (AFT) um Peter Stratton, Judith Lask, Renee Singh ua. haben in den vergangenen Jahren ein Evaluationsinstrument für die Veränderungen in Familientherapien und Systemischen Therapien entwickelt, das auf den Selbsteinschätzungen der Familien beruht, als Fragebogen relativ schnell auszufüllen ist (10 Min.) und mittlerweile in vielen Ländern eingesetzt wird, was interessante Vergleichsmöglichkeiten eröffnet. In diesem Video werden die Grundzüge von Score im Gespräch von Peter Stratton und Renee Singh vorgestellt. Im „Handbuch Systemisch Forschen“ von Matthias Ochs und Jochen Schweitzer gibt es zu SCORE einen Beitrag von Stratton, Julia Bland, Emma Janes & Judith Lask („Entwicklung eines Indikators zur Einschätzung des familiären Funktionsniveaus und eines praktikablen Messinstruments zur Wirksamkeit systemischer Familien- und Paartherapie: Der SCORE“), in dessen abstract es heißt: „Es besteht ein Bedarf an Messinstrumenten zur Einschätzung der Wirksamkeit systemischer Familien- und Paartherapie (Systemic Family and Couple Therapy, SFCT), welche die gegenwärtige Theorie und Praxis dieses Verfahrens berücksichtigen. Um den Bedürfnissen der SFCT-Praxis gerecht zu werden, sollte ein solches Messinstrument als leicht verständlicher Selbsteinschätzungsfragebogen für alle Familienmitglieder konzipiert sein sowie eine kurze Bearbeitungszeit erfordern. Im folgenden Kapitel wird die Entwicklung eines Instrumentes dargestellt, das diesen Anforderungen genügt: der SCORE. Umfangreiche Pilotstudien und klinische Einschätzungen führten zur Konstruktion des SCORE-40. Der Fragebogen beinhaltet also vierzig Items, mit denen Familienmitglieder, die älter als elf Jahre sind, auf einer Likert-Skala das Funktionsniveau ihrer Familie beurteilen. Zusätzlich erfolgten unabhängige Einschätzungen der Familie und ihrer Probleme. Der SCORE-40 zeigt sich als ein praktikables Instrument, ist jedoch zu umfangreich für die tägliche klinische Verwendung. In einem Forschungsprojekt zur Kürzung, Überarbeitung und teststatistischen Analyse des SCORE-40 wurden 510 Mitglieder von 228 Familien zu Beginn ihrer ersten familientherapeutischen Sitzung in verschiedenen Kliniken ganz Großbritanniens befragt. Der SCORE-40 zeigt gute psychometrische Kennwerte und bringt sowohl eine drei- als auch vierfaktorielle Lösung hervor. Die klinischen Daten wurden mit einer vergleichbaren Stichprobe von 126 klinisch unauffälligen Familien kombiniert. Die Analyse des Datensatzes führte zur Reduktion der Skala auf 15 Items, in denen die wichtigsten Informationen des SCORE-40 beibehalten wurden. Eine Version mit folgenden drei Dimensionen wird dargestellt: Stärken bzw. Widerstandsfähigkeit und Adaptabilität (»strengths and adaptability«); Überforderung bzw. Überwältigung durch Schwierigkeiten (»overwhelmed by difficulties«); unterbrochene Kommunikation (»disrupted communication«). Der SCORE-15 kann zur routinemäßigen Therapieevaluationen in Kliniken sowie flexibel in Therapie und Forschung verwendet werden. Auf der gibt es neben dem hier verlinkten noch einige andere Trainings-Videos, auf denen man einen Überblick über SCORE sowie Unterstützung bei der Durchführung und Auswertung bekommen kann.

9. Januar 2014
von Tom Levold
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Arbeiten in Gruppen – mit systemischen Blickwinkel über den Tellerrand geschaut

In ihrem Editorial zur letzten Ausgabe der „Zeitschrift für systemische Therapie und Beratung“ im Jahre 2013 knüpft Cornelia Tsirigotis an eine Phase anfangs der 2000er Jahre an, in der mehrere Beiträge zum Thema systemische Gruppenarbeit erschienen. Diesen Faden greift sie mit dem aktuellen Heft wieder auf: „(Systemisches) Arbeiten mit Gruppen im Jahr 2013 entfaltet aus meiner Sicht eine andere Art von Vielstimmigkeit. Das Beschäftigen mit den ,streng‘ systemischen Aspekten von Gruppe wird ergänzt von Perspektiven aus anderen Bereichen. Dieses Heft ermöglicht einen Blick über den Tellerrand“. So lesen wir Beiträge von Rainer Hirschberg über ein systemisch-auftragsorientiertes Gruppenkonzept, Andreas Manteufel überprüft alltagstaugliche Angebote von Gruppentherapie in der Psychiatrie aus einer systemischen Perspektive (mit einem angesichts der gegenwärtigen Arbeitsbedingungen leicht resignativen Einschlag), Frank Natho setzt sich mit den Leitmotiven themenzentrierter Interaktion auseinander und Jakob Bausummen schließlich stellt Gruppenarbeit aus dem Blickwinkel der Traumapädagogik vor. Ein weiterer Artikel ist der aktuellen Auseinandersetzung um das DSM-V gewidmet, er stammt aus der Feder von Eugene Epstein, Manfred Wiesner und Lothar Duda, die damit eine Diskussion in der Zeitschrift eröffnen wollen.
Zum vollständigen Inhaltsvertzeichnis geht es hier…

7. Januar 2014
von Tom Levold
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Vom Gegenwind zum Aufwind

2012 ist Hans Schindler, Systemischer Therapeut, stellvertretender Präsident der Bremer Psychotherapeutenkammer und langjähriges Vorstandsmitglied der Systemischen Gesellschaft, 60 Jahre alt geworden, ein Anlass, zu dem Haja Molter, Hans Schindlers Tochter Rose und Arist von Schlippe ein Buch bei Vandenhoeck & Ruprecht als Festschrift herausgegeben haben, das „die Leistungsfähigkeit systemischen Denkens in ganz unterschiedlichen Anwendungsbereichen und aus einer Vielzahl von Perspektiven vorzustellen“ zum Ziele hat. Thomas Schwarz aus Essen hat das Buch rezensiert: „ Festschriften bringen mitunter das Problem mit sich, dass die Beiträgerinnen und Beiträger, häufig langjährige Weggefährten des Jubilars, durch die gemeinsame Arbeit und die geteilten Interessen, Kontroversen, Impulse, Anekdoten bereichert, über die und durch diese Zeit mit einem Potpourri an Themen und Arbeitsschwerpunkten aufwarten, aus denen sich in der Gesamtheit für den Lesenden kaum mehr ein systematischer Zusammenhang erkennen lässt. Dies muss nicht notwendigerweise so sein, wie dieses Buch zeigt“. Schwarz resümiert: „Einige der Beiträge werden gewiss noch manches Hochschulseminar oder das Selbststudium im Rahmen systemischer Weiterbildungen bereichern. Das systemische Feld ist jedenfalls weiträumig, aber keineswegs ausufernd abgesteckt“.
Zur vollständigen Rezension…

6. Januar 2014
von Tom Levold
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Die Person in ihrem soziale Kontext

Auch wenn es kein eigentliches Themenheft ist, kreisen die Haupt-Beiträge der letzten Ausgabe des „Kontext“ von 2013 um das Thema der der Person und ihre Einbindung in soziale Beziehungen, Netzwerke, professionelle und gesellschaftliche Zusammenhänge. Im Editorial heißt es: „Den Anfang macht ein sehr lesenswerter, philosophisch und soziologisch informierter Beitrag von Christoph Schneider. Der Soziologe und Systemische Berater beschäftigt sich unter der Überschrift „Person, Individualität, Authentizität“ mit der „kulturellen Bedeutung subjekbezogener Semantik“. Er zeigt dabei auf, dass der Begriff der Person seit der Antike (per-sona = Maske) auf die selektive Übernahme sozialer Rollen und Erwartungen Bezug nimmt, der Begriff der Person also nichts mit unseren heutigen Konzepten von Individualität zu tun hat. Der Personbegriff ist nur über die Relationalität zu anderen Interaktionspartnern zu verstehen, als Ensemble unterschiedlicher sozialer Erwartungen und Rollenvorgaben, die damit erst die Person als solche konstituieren. Dagegen beruht die Konstruktion des Individuums auf dem Versuch einer Abgrenzung von der sozialen Umwelt – im Sinne der Schaffung von Einzigartigkeit und Unverwechselbarkeit. Allerdings zeigt sich auch hier, dass das Individuum keineswegs eine Kategorie ist, die den sozialen Kontext vernachlässigen könnte, da dieser als Negativ-Folie, von der sich das Individuum als besonders absetzen muss, immer schon mitgedacht werden muss. Die Konsequenzen dieser Überlegungen für den Bereich der Psychotherapie liegen für Schneider in der kritischen Hinterfragung des in diesem Zusammenhang nicht selten angestrebten Ideals „individuell-authentischer Subjektivität“ und einem Plädoyer für die „Form der Person“, die erst die Vermittlung zwischen unterschiedlichen Interessen und Wünschen erlaube: „Intersubjektive Relationalität bedarf immer eines bestimmten Maßes an Vermittlung, und Vermittlung geht immer mit einem bestimmten Maß an Maskierung einher. Die persona steht mit den Anderen gemeinsam auf der Bühne, Individualität und Authentizität verbannen den anderen ins Publikum“.
Einen ganz anderen Zugang zur sozialen Verortung der Person findet Holger von der Lippe. Bekannte Formen der Visualisierung personaler Zusammenhänge im Bereich von Therapie und Beratung sind das Genogramm und das Soziogramm. Von der Lippe vergleicht die Stärken und Schwächen beider Vorgehensweisen und schlägt unter Einbeziehung neuerer Netzwerktheorien und netzwerkanalytischer Methoden vor, „familiale und nicht-familiale Beziehungen als Genosoziogramme zu konzipieren und diese als egozentrierte (personale) Netzwerke zu analysieren“. Damit können beispielsweise zentrale Beziehungspartner oder ungewöhnliche Beziehungskonstellationen identifiziert und generell unterschiedliche inner- und außerfamiliale Vernetzungsstrukturen sichtbar gemacht werden. Die Reichweite solcher Visualisierungsstrategien für die eigene Hypothesenbildung („Gibt es so etwas wie ,graue Eminenzen‘ im Beziehungsgebilde eines Klienten? Wer sind die offensichtlichen oder heimlichen ,Strippenzieher‘ im Beziehungsnetz? Wer ist in die Kernbereiche des Beziehungsnetzes eingebettet und wer steht eher am Rande?“ ) lässt sich auf diese Weise vergrößern, auch wenn die hier vorgestellte mathematisch-quantitative Methodik in erster Linie für vergleichende Untersuchungen und damit für Forschungskontexte von Interesse sein wird.
Was die Identität einer Person ausmacht, muss im Lebenslauf immer wieder neu bestimmt  werden. Narrative Ansätze orientieren sich an der Frage, wie die eigene Identität als Person oder Individuum durch Erzählung und Geschichten konstruiert wird und sich im Verlaufe dieses Prozesses ausdifferenziert und verändert. Ludger Kühling nähert sich diesem Thema von einer gänzlich anderen Perspektive, nämlich der der aufsuchenden Hilfen. In Kontexten wie der Sozialpädagogischen Familienhilfe haben es Helfer durchaus mit Klienten („Vielsprechern“) zu tun, die einen erheblichen narrativen Mitteilungsbedarf anbieten. Folgt man einem narrativen Ansatz, böte sich an, einen Raum für Geschichten zu schaffen, in denen dann die darin enthaltenen Ressourcen für die Bewältigung anstehender Aufgaben herausgearbeitet und gewürdigt werden können. Für Kühling ist das aber eine ambivalente Perspektive, geht es doch häufig aufgrund der Auftragslage (z.B. in Zwangskontexten) um die Erreichung verbindlich festgelegter, konkreter Ziele. Das Einlassen auf Erzählungen und Geschichten der Klienten kann unter diesen Bedingungen zu einem „situativen Driften“ führen, welches die Beteiligten von der Zielverfolgung ablenken kann. Diese Ambivalenz wird im Text nicht aufgelöst, vielmehr schlägt Kühling praktische Interventionen und Vorgehensweisen vor, mit denen man dem Redebedarf der Klienten einerseits einen wohlwollenden, öffnenden Rahmen für seine Erzählungen anbieten, andererseits aber auch einen narrativen Überlauf durch konkrete Strukturierungsmöglichkeiten begrenzen kann.
Die Reihe der Hauptbeiträge wird durch einen Text von Bernhard Pörksen abgerundet, der sich mit einem hochaktuellen Thema befasst, das in den letzten Wochen vor der Bundestagswahl noch einmal an Dramatik gewonnen hat. Wenn die Person, wie eingangs beschrieben, sich durch die Übernahme sozialer Rollen und Erwartungen definiert, dann ist sie in hohem Maße abhängig von der Anerkennung, die ihr in ihren relevanten sozialen Kontexten  zuteil wird. Der Entzug dieser Anerkennung in Form von Exkommunikation oder massivem Reputationsverlust stellt eine schwere Bedrohung der eigenen Identität, ja nicht selten auch der sozialen Existenz dar. Diese Bedrohung ist, so Pörkens These, heute eine andere als in früheren Zeiten. Mit der Veränderung der Medienlandschaft zur globalen Netzkultur ist die Positionierung als öffentliche Person nicht mehr an konkrete Orte (Archive, Zeitungsausgaben etc.) gebunden, weil die entsprechenden Informationen als Daten im Internet weltweit abgerufen werden können, gleichzeitig ist auch die spezifische Zeit, in der die Person sich selbst als solche präsentiert und wahrgenommen (und kritisiert) wird, aufgehoben, weil alles Vergangene im Netz aufbewahrt wird und zu ewiger Gegenwart gerinnt. Damit stellt sich allerdings die Frage, welche Chancen es für eine Veränderung von Personen noch geben kann, wenn alles, was sie in der Vergangenheit gemacht und gesagt haben, dem Publikum für alle Zeiten als gegenwärtiges Faktum zur Verfügung steht. Pörksen hat in der letzten Zeit eindrucksvolle Studien solcher Skandale unternommen, die im Internet schnell eine Eigendynamik annehmen, die von niemandem mehr unter Kontrolle zu bringen ist. In seinem Text für dieses Heft ist der vermeintliche Pädophilie-Skandal um Dany Cohn-Bendit Gegenstand:„Man kann, so zeigt sich, nicht auf einen kollektiven Erinnerungsverlust und die damit gegebene Chance zum Neuanfang warten und muss im Zeitalter der gnadenlosen Dokumentation die Antwort nach dem richtigen Augenblick des Vergessens notwendig für sich bestimmen, individuell und allein. Die Sätze gehen nicht weg. Sie bilden den dunklen Schatten einer Biographie, obgleich der Mensch, der sie einmal gesagt und vielleicht anders gemeint hat, längst ein anderer geworden ist“ Der Beitrag ist 2012 in erweiterter Fassung in einem gemeinsam mit Hanne Detel verfassten Band„Der entfesselte Skandal. Das Ende der Kontrolle im digitalen Zeitalter“ erschienen, der beim Herbert von Halem Verlag in Köln herausgekommen ist.“
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2. Januar 2014
von Tom Levold
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Wieviel Prävention braucht der Mensch? Tagung in Zürich am 29. und 30.11.2013

Ende November fand in Zürich eine kleine, aber sehr spannende und aufschlussreiche Tagung statt, die mehr Publikum verdient gehabt hätte. Ausgerichtet hatte sie das Ausbildungsinstitut in Meilen, das seit einiger Zeit in Zürich firmiert, aber den Gründungsort (auch als Reminiszenz an die Gründerin Rosmarie Welter-Enderlin) im Namen des Instituts beibehalten hat. Gemeinsam mit der Tagung wurde im Herbst auch das 25jährige Jubiläum des 1988 ins Leben gerufene Ausbildungsinstituts gefeiert, u.a. mit zwei interessanten Film-Matineen. Die Tagung selbst bot ein breites Spektrum an soziologischen, politischen, psychologischen und klinisch-therapeutischen Perspektiven, die die Spanne an unterschiedlichen Positionen zur Notwendigkeit und Begrenzung von Prävention deutlich machte und auch durchaus Stoff für Kontroversen und direkte Auseinandersetzungen geboten hätte, wenn nicht die dicht gepackte Programmstruktur, die von den Veranstaltern gut gemeistert wurde, wie so oft zuwenig Gelegenheiten zur Debatte im Plenum geboten hätte. Gabriella Selva hat einen farbigen Tagungsbericht für systemagazin verfasst,
den Sie hier lesen können…

31. Dezember 2013
von Tom Levold
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Ein Frohes Neues Jahr!

Liebe Leserinnen und Leser des systemagazin,

zum Abschluss des Jahres 2013 wünsche ich Ihnen allen ein frohes, erfolgreiches, gesundes und friedliches Neues Jahr – bleiben Sie dem systemagazin weiter gewogen (und wenn Sie auch mal eine kleine Pause von systemischen Themen nehmen wollen, gelangen Sie hier auf eine Seite mit einigen meiner Fotografien).

Bis 2014 grüßt Sie herzlich

Tom Levold
Herausgeber

30. Dezember 2013
von Tom Levold
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Psychotherapie im Dialog?

Der erste Jahrgang von „Psychotherapie im Dialog“ mit einer neuen redaktionellen Konzeption liegt nun hinter uns – und man muss bedauerlicherweise feststellen: kein Grund zur Freude. Schon auf die ersten beiden Hefte des Jahres bin ich an dieser Stelle kritisch eingegangen (hier und hier), die beiden nachfolgenden Ausgaben, deren Inhalt mit allen bibliografischen Angaben jetzt im systemagazin nachzulesen ist, relativieren die Kritik leider nicht, sondern bestärken sie. Die schlimmste Änderung besteht darin, dass alle Artikel nun einer kompletten formalen Überarbeitung professioneller Redaktionsmitarbeiter unterzogen werden. Während eine gute redaktionelle Betreuung dafür Sorge trägt, die Texte der Autorinnen und Autoren – wenn nötig – zu korrigieren, stilistisch zu glätten, Redundanzen zu vermeiden etc., werden in der PiD nun alle Beiträge durch einen großen redaktionellen Fleischwolf gejagt, unter Beifügung von hunderten von Spiegelstrichen und Zwischenüberschriften (ich übertreibe nicht, sondern habe nachgezählt!), so dass am Ende ein öder stilistischer Einheitsbrei herauskommt, der für die völlige Gesichtslosigkeit der Texte sorgt – die nun für die Aufnahme in eine anonyme Lose-Blatt-Sammlung für die Approbationsprüfung von PsychotherapeutInnen bestens geeignet wären (in diesem Fall könnte man auch auf die Fotos der Autorinnen und Autoren verzichten, was der Verlagspolitik des Papiersparens entgegenkäme).
In der Tat kann ich keinen einzigen Artikel nennen, den ich – abgesehen vom Informationsgehalt – gerne gelesen hätte bzw. der mir als Text in Erinnerung geblieben wäre! Auch wer als Leser damit einverstanden ist, Textgulasch vorgesetzt zu bekommen, müsste eigentlich die darin liegende Missachtung der Autoren erkennen können.
Ein zweiter Punkt, der ebenfalls die Form betrifft, ist die unsägliche Praxis,  Literaturangaben, auf die die in den Texten verwiesen wird, als PDF mit kryptischen Dateibezeichnungen ins Internet zu stellen. Das ist nicht nur eine Missachtung der Autoren, sondern noch mehr der Leser, die außer den Zwischenüberschriften auch noch Inhalt, Kontext und Referenzen der Beiträge als geschlossene Einheit zur Kenntnis nehmen möchten (vorausgesetzt, dass an dieser Art von Lesern Interesse besteht). Wie mir vom Verlag mitgeteilt wurde, soll dies tatsächlich der Papierersparnis dienen. Während diese Praxis früher bei drei bis fünf Beiträgen pro Heft angewandt wurde, was schon indiskutabel ist, findet sie sich in den beiden letzten Heften in 14 bzw. 13 Fällen, und damit bei fast allen Originalbeiträgen (Glossen, Editorials und Rubriken ausgenommen). Das gilt aber nicht nur für die Printfassung, sondern auch für die Online-PDFs der Beiträge, d.h. für jeden dieser Texte finden sich auf der website des Verlages zwei Dokumente, die man herunterladen und manuell zusammenfügen muss, will man den kompletten Text lesen. Da verbringt man bei 14 Beiträgen schon eine ganze Menge Zeit! Die Zeit verlängert sich beträchtlich, wenn man die Texte in eine Literaturdatenbank einpflegen möchte. So fröhlich bunt und aufgeräumt sich die website auch präsentiert, so langwierig ist der Prozess der Informationsgewinnung. Mittlerweile haben alle Beiträge einen sogenannten DOI („Digital Objekt Identifier“), damit kann jedem beliebigen digitalen Objekt eine URL, d.h. eine Web-Adresse zugeordnet werden. Bibliografieprogramme können den DOI aus einem PDF auslesen und laden dann die entsprechenden bibliografischen Angaben (Titel, Untertitel, Autoren, abstract etc.) aus dem Internet. Leider funktioniert das Auslesen des DOI aus den PDFs der PiD-Beiträge äußerst selten (in den letzten beiden Heften nur bei den unwichtigen Mantelthemen), was bedeutet, dass man jeweils aus einem PDF den DOI kopieren und in das entsprechende Feld einsetzen muss, damit man aus dem Netz die entsprechenden Informationen laden kann. Die sind leider recht schlampig umgesetzt, so dass man Untertitel, abstracts und gelegentlich auch Autorennamen noch zusätzlich manuell kopieren und einfügen muss. Da kann man sich vorstellen, dass man bei ca. 30 Beiträgen pro Heft eine Weile beschäftigt ist. Ich gebe zu, dass das für die meisten Leser irrelevant sein dürfte, möchte aber auf die vorbildliche Umsetzung bei anderen Verlagen (z.B. Wiley, bei dem auch die Family Process und das Journal of Family Therapy erscheinen) hinweisen, bei der man mit einem Klick alle bibliografischen Angaben eines kompletten Heftes als Datei herunterladen und diese dann in die eigene Literaturverwaltung importieren kann.
Ganz unabhängig aber von der Form – und noch viel grundsätzlicher – stellt sich die Frage der inhaltlichen Ausrichtung der Zeitschrift, die sich immerhin einem Dialog der Psychotherapieschulen verpflichtet hat. Schon zu Beginn wurden die einzelnen Hefte spezifischen Störungsbildern gewidmet, die von Autoren unterschiedlicher therapeutischer Ausrichtung behandelt wurden. Da mittlerweile alle marktgängigen Störungen behandelt worden sind, lässt die Heftplanung erkennen, dass nun eine zweite oder dritte Runde gedreht wird, immerhin gibt es ja nach einigen Jahren eine Menge „Fortschritte“ bei der Arbeit mit diesen Störungsbildern zu vermelden. Allerdings kann man nach der redaktionellen Rosskur von 2013 auch feststellen: So wenig Dialog war nie! Nie war PiD weiter weg von einem Diskurs. Womöglich sind alle Fragen ausgeräumt. Womöglich traut man sich an die kritische Diskussion von inhaltlichen Unterschieden gar nicht heran. Womöglich kommt man mit fach- und berufspolitischen Themen in Diskussionen hinein, die man gar nicht führen möchte. Vielleicht kann man aber auch mit Spiegelstrichen, Textgulasch und farbigen Kästchen gar keinen Dialog führen. Dafür braucht es Positionen und Personen, die sich positionieren wollen und können. Die von mir sämtlich sehr geschätzten HerausgeberInnen rechne ich ebenso zu diesem Personenkreis wie den Großteil der hochkarätigen AutorInnen. Allerdings bin ich auch ziemlich sicher, dass ein echter Diskurs im aktuellen Format der PiD keine Chance hat. Vielleicht sollten sich die HerausgeberInnen einen neuen Verlag suchen? Bei Thieme, der eigentlich ein reiner Medizinverlag ist, dürfte kein besonders großes Interesse an der Förderung eines eigenständigen psychotherapeutischen Diskurses bestehen – eine wahrscheinlich vergleichbare Erfahrung konnte ich selbst als Herausgeber von „System Familie“ im Springer Verlag machen.  
Wie auch immer, auch Kritik ermüdet und wird redundant, wenn sie nicht gehört wird – oder nur den Kritiker beschäftigt. Deshalb werde ich mich ab sofort nicht mehr mit der PiD in der bestehenden Form auseinandersetzen, sondern präsentiere zukünftig nur noch die Einträge in meiner Datenbank – und schweige. Den HerausgeberInnen möchte ich dennoch für ihren Einsatz und ihre Arbeit danken und ein gutes Jahr für einen psychotherapeutischen Dialog wünschen!

Zu den aktuellen Heftinhalten kommen Sie hier