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Öl ins Ehe-Getriebe

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Es verblüfft mich immer wieder, was für Sprachbilder, die ich irgendwann und nebenbei gebraucht habe, auf den geistigen Landkarten meiner Klienten haften bleiben. Und leider auch, wie viele schöne Bilder und anregende Ideen ohne Nachhall bleiben – weg, zum Fenster hinaus geredet …
Der Gebrauch von Sprachbildern ist offensichtlich Glückssache. Ihre Wirksamkeit wird allein von den Empfängern bestimmt. Verhandlungskultur als Öl im Getriebe, sagte mir kürzlich ein Paar, welches nach einem Jahr wieder einmal kam, diese Idee hätten sie von mir mit nach Hause genommen. Erfolg hatten sie mit ihrer Umsetzung auf den Alltag offensichtlich nicht. Öl im Getriebe, denke ich, das passt zu mir. Erinnert mich an die Tretnähmaschine in der oberen Stube, die wir als Kinder ölen durften. Aber Verhandlungskultur? So ein Schwachsinn, denke ich. Habe ich das Wort damals vielleicht in irgendeiner Geschäftsleitungssitzung aufgeschnappt und auf die Liebe übertragen?
Leider stimmt das mit dem Sand im Getriebe im Alltag von Mara und Georg. Sie machen aus dem Sand aber keine Perlen, sondern schmerzhafte Szenen. Zum Beispiel, wenn Georg, der als Bauingenieur ein eigenes Büro hat, abends wortlos vom Familientisch aufsteht und «Hausaufgaben» machen geht, obwohl die Buben darauf gewartet haben, mit ihm zu basteln. Oder wenn Mara, verantwortlich für vier Schulkinder, für betagte Eltern und Haushalt, Georg beim Heimkommen mit der Aufforderung überfällt, endlich die Geranien in den Keller zu tragen. Es kommt auch vor, dass Mara Termine findet, die ihr Mann in ihren Kalender eingetragen hat ohne Rücksprache mit ihr. In solchen Situationen öffnen sich Abgründe für beide, und ab und zu reden sie von Scheidung. Mara: «Ein Leben lang habe ich mich angepasst und mich selber ignoriert. Wenn Georg schweigend seinen Weg geht und über mich und die Kinder verfügt, hasse ich ihn manchmal richtig.» Georg: «Eine Kindheit lang musste ich Dienst nach Vorschrift leisten. Im Geschäft bin ich so eingespannt, wie meine Frau es sich nicht vorstellen kann, und kaum bin ich im Haus, kommen neue Anforderungen. Ich möchte manchmal wegrennen, so weit ich kann, aber keiner versteht das.»
Die Lösungen haben tatsächlich mit Öl im Getriebe zu tun. Erstens durch die Errichtung eines Ré́duits, wohin Georg sich nach der Arbeit zurückzieht, bevor er in die Familie taucht. Und zweitens durch kleine heilige Zeiten für Frau und Mann, bei denen sie einander erzählen, was sie bewegt und wofür sie Unterstützung brauchen. Verhandlungskultur mit Kalender nennen sie das, und mir ist klar, dass das mit Liebe zu tun hat.

Im Jahre 2002 hat die im vergangenen Jahr verstorbene systemische Paartherapeutin Rosmarie Welter-Enderlin allwöchentlich Sonntags in der Neuen Zürcher Zeitung eine Kolummne mit dem schönen Titel„Paarlauf“ veröffentlicht, in der sie kleine Beobachtungen und Geschichten aus ihrer paartherapeutischen Praxis für ein größeres Publikum zugänglich machte. Rudolf Welter hat aus diesen Beiträgen eine kleine Broschüre zum Andenken an Rosmarie Welter-Enderlin gestaltet. Mit seiner freundlichen Erlaubnis können die LeserInnen des systemagazin an diesen Sonntagen die Texte auch online lesen.

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