Sabine Klar, Lehrtherapeutin der ÖAS in Wien und langjährige Mitarbeiterin am Institut für Ehe- und Familientherapie in der Wiener Praterstraße erinnert sich für den systemagazin-Adventskalender an eine Beratungssituation, in der ihr deutlich wurde, dass es in der Beratung nicht darum geht, dass Berater die Probleme ihrer Klienten lösen:
Mir fiel vorerst nichts anderes ein, als den beiden zuzuhören
Es war vor nunmehr 23 Jahren und in Österreich gab es damals noch nicht einmal das Psychotherapiegesetz. Ich hatte zwar ein Studium irregulare zur Humanethologin absolviert und war gerade dabei mich in systemischer Familien-, und Sexualberatung auszubilden, hatte aber noch keinerlei Erfahrungen mit konkreten Klientinnen machen können. Trotzdem wurden mir im Rahmen eines Praktikums in einer Familienberatungsstelle bereits Fälle zugeteilt, mit denen ich alleine zurechtkommen musste. Ich erinnere mich, dass ich eines Dezembertages eine junge Frau erwartete. Das Anmeldeblatt erzählte von einer ausnehmend schwierigen Problemlage und Herkunftsgeschichte, die Klientin war vom Jugendamt zugewiesen worden und musste sozusagen zwangsweise Beratung in Anspruch nehmen. Sie kam an der Seite ihrer schon etwas älteren Sozialarbeiterin und ich fürchtete mich so sehr zu versagen, dass mir alle klugen Fragen, die mir die Ausbildung vermittelt hatte, abhanden gingen. Da saß ich nun und mir fiel vorerst nichts anderes ein, als den beiden zuzuhören. Ich merkte allerdings sehr bald, dass sie gar nichts anderes von mir erwarteten, denn sie hatten vorrangig etwas miteinander zu klären. Die Sozialarbeiterin hatte die junge Frau, die im Heim aufgewachsen war, von Kindheit an betreut. Diese war ihr dankbar, wollte sich nun aber nicht mehr bevormunden lassen und wehrte sich gegen die gut gemeinte Unterstützung. Das kränkte die Sozialarbeiterin, die sich außerdem Sorgen machte. Ich hatte nichts anderes zu tun, als mich für das Beziehungsverhältnis der beiden zu interessieren und sie dabei zu begleiten, zu einem der Situation angemesseneren Umgang miteinander zu gelangen. Mit der schweren Problemlage der jungen Frau musste ich mich gar nicht befassen, denn keiner der beiden war es wichtig damit kannten sie sich viel besser aus als ich. Da hätte ich mich geradezu einmischen müssen. Ich kann mich noch gut erinnern, wie erleichtert ich mich nach Abschluss dieses Falles fühlte, der nach 3 Sitzungen beendet war, denn nun war mir endlich klar geworden, dass es gar nicht zu meinen Aufgaben gehörte, das Problem der Klientin zu lösen, sondern ihr die Möglichkeit zu geben, die Beziehung zu einer ihrer wichtigsten Bezugspersonen anders zu gestalten.