Dirk Tänzler ist Kulturwissenschaftler an der Universität Konstanz und Koordinator des Forschungsprogramms„Crime and Culture“. In der Zeitschrift„Mittelweg“ des Hamburger Institutes für Sozialforschung hat er einen bemerkenswerten Aufsatz über den Zusammenhang von kleiner und großer Korruption geschrieben, der jetzt auch online über den europäischen Zeitschriftenverbund„eurozine“ zu lesen ist. Er vergleicht dabei die aktuelle Situation in Rumänien mit der in Deutschland. Für die Verhältnisse in Rumänien konstatiert Tänzler:„Die postsozialistische Transformation ist der reale radikale (soll heißen: alle Voraussetzungen ignorierende) Konstruktivismus. Die Länder des ehemaligen Ostblocks geben seit anderthalb Dezennien eine Spielwiese ab für marktwirtschaftliche Reformexperimente. Die postsozialistische Transformation war der mal mehr, mal weniger radikale Versuch, einen ‚ready made‘-Kapitalismus zu schaffen, der im Zuge einer ’nachholenden Modernisierung‘ nicht nur die Fehlentwicklungen des sozialistischen Entwicklungspfades korrigieren, sondern zugleich zur Globalisierung aufschließen sollte. Aus dieser doppelten Perspektive erscheinen Phänomene wie die Korruption zugleich als sozialistisches Erbe und als Nebenwirkungen einer forcierten Anpassung an die neue Weltwirtschaftsordnung“ Während in Rumänien die„große“ Korruption der Eliten als Grund für die schlechte Lage des Landes beklagt wird, ist auf der alltäglichen Ebene so gut wie jeder Bürger in Korruptionshandeln verstrickt. In Deutschland spielt diese kleine Korruption keine so große Rolle, dafür spielt der Versuch, mithilfe von Korruption postmodernde Steuerungsprobleme in den Griff zu bekommen, in Deutschland eine immer größere Rolle. Das zeigt Tänzler vor allem am Zusammenspiel von öffentlicher Verwaltung, die sich selbst zunehmend als betriebswirtschaftliche Größen definieren, und den Wirtschaftsunternehmen, die von öffentlichen Aufträgen abhängig sind:„Korruption ereignet sich zwar nicht allein, jedoch vornehmlich an der Schnittstelle zwischen Verwaltungen der öffentlichen Hand und Unternehmen der Privatwirtschaft, und zwar überall dort, wo öffentliche Mittel vergeben werden. Ging, etwa in der Bauwirtschaft, früher der Bestechungsversuch in der Regel von privatwirtschaftlicher Seite aus, so sieht diese sich zunehmend der Erpressung durch Vertreter der öffentlichen Verwaltung ausgesetzt, die mit immer höheren Ansprüchen aufwarten, um mit den sich aus den Firmenvermögen bedienenden Managern auch lebensstilistisch mithalten zu können. Bilden die Unternehmen Kartelle zur Plünderung des Staates, so spinnen die Akteure der öffentlichen Hand von ihnen dominierte Klientelbeziehungen zum Abschöpfen privatwirtschaftlicher Geldquellen, die sich allerdings aus Staatsvermögen, d. h. Steuergeldern, speisen“ Sehr lesenswert!
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Korruption als Metapher
6. Mai 2008 | Keine Kommentare