Mit dieser interessanten Frage macht sich Alexander Riegler Gedanken zum Seelebegriff aus kognitiv-konstruktivistischer Perspektive, die 2005 im von Markus F. Peschl herausgegebenen Band Die Rolle der Seele in der Kognitionswissenschaft und der Neurowissenschaft. Auf der Suche nach dem Substrat der Seele (Würzburg, Königshausen und Neumann) erschienen sind. Alexander Riegler forscht an der Universität Wien ist Herausgeber der Constructivist Foundations (CF), die seit Jahren den konstruktivistischen Diskurs ganz wesentlich gestaltet. In seiner Darstellung des Konstruktivismus bemüht er sich in diesem sehr gut zu lesenden Text, jede Inanspruchnahme von Wahrheit bei Aussagen über seinen Gegenstand zu vermeiden, kommt aber bei der Frage, wie wir konstruieren, um naturwissenschaftliche Aussagen mit Wahrheitsanspruch nicht ganz herum – das klassische Dilemma des radikalen Konstruktivismus. Im abstract heißt es:
„Gemäß des Konstruktivismus sind wir die Konstrukteure unserer eigenen Welt und nicht durch eine externe Realität determiniert. Seine am meisten konsistente Formulierung, der Radikalen Konstruktivismus (RK), behauptet, dass wir unsere Erfahrung nicht transzendieren können. Deshalb macht es wenig Sinn zu sagen, dass sich unsere Konstruktionen den Strukturen einer externen Realität annä- hern. Was sind die Konsequenzen einer derartigen Sichtweise? Können wir sie benutzen, um kognitive Artefakte zu bauen – eine Möglichkeit, der Freizügigkeit philosophischer Spekulationen über Wahrheit und Wirklichkeit zu entrinnen? Der vorliegende Beitrag soll die Grundzüge des RK darstellen, sofern dies bei seiner Heterogenität möglich ist. Fragen werden behandelt wie etwa: Sind unsere Konstruktionen arbiträr? Wie können wir miteinander reden, wenn unsere Kognition organisationell abgeschlossen ist, wie es der RK behauptet? Und schließlich die für mich interessanteste Frage: Wer macht wirklich die Konstruktionen? Zeichnet dafür eine Seele verantwortlich?“
Eine entschiedene Antwort auf die Eingangsfrage erhalten wir nicht. Riegler stützt sich am Schluss seines Textes auf ein Zitat und hält die Frage ein bisschen offen: „Oft wird die Seele dem Körperlichen gegenübergestellt, etwa in Form des Bewusstseins und der Denkkraft. Oft wird aber auch ihre Existenz geleugnet. Das trifft ganz besonders für das wissenschaftliche Gebiet zu, wo das Konzept der kaum noch Verwendung findet. Thomas Metzinger (1996) hält das endgültige Aus für die Seele für sehr wahrscheinlich, sobald die Forschung die neuronalen Korrelate von Bewusstsein vollständig herausfindet: „Theorien, die sich noch an diesem Begriff orientieren, würden dann genauso irrational erscheinen wie die […] Theorie, nach der sich die Sonne um die Erde dreht. Das könnte dazu führen, dass Leute, die […] hartnäckig mit altmodischen Begriffen wie dem der ‚Seele‘ operieren, genauso verlacht werden wie Leute, die heute noch im Ernst an Ptolemäus’ Weltbild glauben“. Wie bereits erwähnt, denke ich nicht, dass es noch Sinn hat, den Platz der Seele zu suchen, wenngleich behauptet werden könnt, dass bei den 100 oder mehr Billionen Synapsen des neuronalen Systems genug Platz ist, um eine Seele darin unterzubringen – oder eine naturwissenschaftliche Erklärung zu finden. Gerade der KK betont, dass Konsistenz und Kohärenz ausschlaggebende Kriterien sind, und nicht der Bezug zu einer absoluten Wahrheit.“
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