Niels Werber zum zweiten (Foto: Gegeninformationsbüro.de): Die Gesamtheit aller Kommunikationen lässt sich Niklas Luhmann zufolge als„Weltgesellschaft“ verstehen. Die technische Entwicklung macht es scheinbar möglich, dass Kommunikationen weltweit, ohne Berücksichtigung räumlicher Grenzen, für andere Kommunikationen anschlussfähig werden. In einem differenzierten Text (eines Vortrages von November 2001) untersucht Werber die Implikationen dieser Idee bei Luhmann, Willke und Stichweh, die – so Werber – darauf hinauslaufen, dass die materialen und räumlichen Voraussetzungen der technischen Medien der Kommunikation weitgehend ausgeblendet werden, zugunsten einer Vorstellung, dass Raum (z.B. Staaten, Grenzen etc.) angesichts der zunehmend möglichen raumüberwindenden Gleichzeitigkeit von Kommunikation eine immer kleinere Rolle spiele. Diese Vorstellung wird von Werber kritisiert:„Wenn die Unterscheidung des Raums: da oder dort, einen Unterschied macht, also den Systemzustand eines sinnverarbeitenden Systems verändert und mithin Information erzeugt, dann sollte man sie in den Rang einer Sinndimension befördern. Mit der Aufwertung des Raums würde man Anschluß gewinnen an den Stand der medientheoretischen Diskussion, welche Verbreitungsmedien nicht nur auf ihre temporalen Strukturen untersucht, sondern wesentlich auch auf räumliche. Der Raum würde auch Gewicht bekommen für die Wahl der raumüberwindenden Medien: Maultiere und Boten oder Datenpakete und Glasfaserleitungen. Saskia Sassen hat daran erinnert, daß die Rhetorik der globalen real-time-Kommunikation, die immer gleichzeitig überall stattzufinden scheint, den Blick dafür verstellt, daß ,die führenden Telekommunikationsunternehmungen, um Telekommunikationsdienstleistungen anzubieten, die Distanz neutralisieren, einen Zugang zu echtem, materiellem Land brauchen, weil die wesentliche Technologie immer noch Glasfaser sind, und die sind auch ganz materiell.‘ Da Land gebraucht wird und Land immer noch Hoheitsgebiet eines Staates ist, gehört zur politischen Souveränität die Möglichkeit, im Ausnahmefall die Kabel kappen lassen zu können. Die schon zitierte Behauptung, daß Grenzen zwischen Staaten ,weder von Wahrheiten noch von Krankheiten, weder von Bildung noch vom Fernsehen, weder vom Geld noch von der Liebe respektiert werden‘, ist also nur bedingt gültig, nämlich nur für den Normalfall. Daß die Funktionssysteme ,unabhängig von Raumgrenzen‘ operieren, trifft nur dann zu, wenn der Verkehr von Daten und Gütern: also die entsprechende Technik funktioniert. Den Ausnahmefall zu denken, in dem auf Räume und Körper zugegriffen wird, vermeidet die Systemtheorie bisher. Deshalb kennt sie zwar infinite Hierarchien von Medium-Form-Unterscheidungen, nicht aber die Frage nach den Medien in Medien, die uns hier zum Raum, zum Körper und zur Technik geführt hat“
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Kommunikation ohne Raum?
4. Februar 2007 | Keine Kommentare