Im Jahr 2000 erschien in der Zeitschrift Communicatio Socialis ein interessantes Gespräch zwischen Bernhard Pörksen und Siegfried Weischenberg über Konstruktivismus, Systemtheorie und die Ethik der Medien. Siegfried Weischenberg ist Kommunikationswissenschaftler und Soziologe und leitete u.a. den Lehrstuhl Journalistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Hamburg, Von 1999 bis 2001 war er Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes. Bernhard Pörksen ist Medienwissenschaftler mit einem Lehrstuhl an der Universität Tübingen. Im systemischen Feld ist er durch seine Arbeiten zum Thema Konstruktivismus sowie durch seine Interview-Bände (mit Heinz von Foerster, Humberto Maturana und Friedemann Schulz von Thun) bekannt geworden.
Das Gespräch kreist um epistemologische und ethische Fragen eines Journalismus, der sich innerhalb eines konstruktivistischen Selbstverständnisses bewegt. In seiner Einleitung schreibt Pörksen: „Es sind die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Konstruktivismus und Systemtheorie, die auch das folgende Gespräch zur Ethik der Massenmedien durchziehen: Der Kommunikationswissenschaftler Siegfried Weischenberg, der die konstruktivistischen und systemtheoretischen Debatten wesentlich geprägt und inspiriert hat, schlägt nämlich vor, beide Theorien zu verbinden und das (journalistische) Individuum und die Welt der Medien, das psychische und das soziale System gleichzeitig im Blick zu behalten. Den Widersprüchen und Spannungen, die sich bei der Arbeit an einer solchen Theorie-Synthese notwendig einstellen, gibt er eine überraschend produktive Wendung. Er nutzt die paradoxale Ausgangslage als generatives Moment; Siegfried Weischenberg zeigt, wie sich die strukturelle Unvereinbarkeit zwischen der kleinformatigen konstruktivistischen und der großformatigen systemtheoretischen Perspektive, gerade wenn es um Medienethik geht, auf eine fruchtbare Weise nutzen lässt: Diese Unvereinbarkeit erzeugt – so das Argument – Diskussionsstoff, sie provoziert Fragen nach der Autonomie des Einzelnen und den grundsätzlich vorhandenen Zwängen, die sich aus der Arbeit im System der Medien ergeben; sie bringt ein angemessen komplexes Gespräch, das sich nicht auf Sonntagsreden und erhobene Zeigefinger beschränkt, überhaupt erst in Schwung. Die unauflösbare Spannung zwischen der ethischen Verantwortung des Individuums und den Imperativen des Mediensystems wirkt wie eine Art Diskursgenerator – und ist, so verstehe ich Siegfried Weischenberg, kein zu beseitigendes Übel, sondern äußerst nützlich und dem genauen, undogmatischen Nachdenken förderlich.“