Heute vor 110 Jahren wurde Heinz von Foerster, der Namensgeber der Kybernetik 2. Ordnung, in Wien geboren. Auf einer Tagung zum Thema „Communication and Control in Society“ hielt er eine kurze Rede, die im von Klaus Krippendorf 1979 zum gleichen Thema herausgegebenen Band, der bei Gordon & Breach in New erschien, abgedruckt wurde (S. 5–8).
Der englische Text endet mit einer Passage, die ich ins Deutsche übersetzt habe, und die die ethische Implikation der Kybernetik 2. Ordnung gut zum Ausdruck bringt: „Ich habe bereits vorgeschlagen, dass eine Therapie zweiter Ordnung erfunden werden muss, um mit den Störungen zweiter Ordnung umzugehen. Ich behaupte, dass wir die Kybernetik der beobachteten Systeme als Kybernetik erster Ordnung betrachten können, während die Kybernetik zweiter Ordnung die Kybernetik der beobachtenden Systeme ist. Dies steht im Einklang mit einer anderen Formulierung von Gordon Pask. Auch er unterscheidet zwei Ordnungen der Analyse. Diejenige, bei der der Beobachter in das System eintritt, indem er den Zweck des Systems festlegt. Wir können dies eine „Vorgabe erster Ordnung“ nennen. Bei einer „Vorgabe zweiter Ordnung“ tritt der Beobachter in das System ein, indem er seinen eigenen Zweck festlegt.
Damit scheint klar zu sein, dass die Sozialkybernetik eine Kybernetik zweiter Ordnung sein muss – eine Kybernetik der Kybernetik -, damit der Beobachter, der in das System eintritt, seinen eigenen Zweck festlegen kann: Er ist autonom. Wenn wir das nicht tun, wird jemand anderes einen Zweck für uns bestimmen. Und wenn wir das nicht tun, liefern wir denen, die die Verantwortung für ihr eigenes Handeln auf andere abwälzen wollen, die Ausrede: „Ich bin nicht verantwortlich für mein Handeln, ich befolge nur Befehle. Wenn wir schließlich scheitern, die Autonomie jedes Einzelnen anzuerkennen, könnten wir uns in eine Gesellschaft verwandeln, die zwar Verpflichtungen hochhält, aber dabei ihre Verantwortlichkeiten vergisst.“
Der vollständige Text ist unter dieser Adresse im Internet zu lesen…
Dem schliesse ich mich gerne an mit der leisen Befürchtung, dass nicht nur das Denken abgeschliffen und verwurstet wird, sondern dieses in der Alltagspraxis heute schon gar nicht mehr ankommt und als Solches denn auch nicht greifbar ist.
Sei bedankt für diesen Hinweis, Tom. Ich finde, von Foerster benennt hier ein zentrales Merkmal systemisch orientierten Denkens. Wäre zu hoffen, dass es nicht folgenlos abgeschliffen wird und als beliebiger Systemklimbim verwurstet. Die Konsequenzen der zitierten Überlegungen können nicht gründlich genug bedacht werden.