Im Jahr 2004 hielt Oliver König einen Kongress-Vortrag zu diesem Thema, der in dem Kongressband der Herausgeber Bernhard Strauß und Michael Geyer„Psychotherapie in Zeiten der Globalisierung“ 2006 veröffentlicht wurde. Es handelt sich hierbei nicht nur um eine Übersicht über die Aufstellungsarbeit, sondern gleichzeitig um eine Reflexion des Standortes der Psychotherapie als„angewandte Sozialwissenschaft“ sowie um eine Reflexion des Nachdenkes über Psychotherapie schlechthin. Gerade die Entfernung zum psychotherapeutischen Mainstream, die die konzeptuelle wie ökonomische Position von Oliver König auszeichnet, ermöglicht eine kritische Distanz, die leider zunehmend verloren geht. Allein schon deshalb lohnt sich ein ausführliches Zitat aus dem Beginn des Textes, das deutlich macht, dass es hier um noch viel mehr als um Familienaufstellungen geht:„Als Sozialwissenschafter eine reflexive Haltung einzunehmen erfordert ein Wissen darum, ,dass das Besondere seines Standpunktes darin besteht, ein Standpunkt im Hinblick auf einen Standpunkt zu sein‘ (Bourdieu). Die einzige Möglichkeit, die Einschränkungen der Standortgebundenheit unserer Wahrnehmungen und Analysen zu relativieren, besteht daher darin, die Perspektivität des eigenen Standpunktes auszuweisen. Dies ist umso notwendiger, wenn es um ein Thema geht, das so umstritten ist und innerhalb der psychosozialen und therapeutischen Profession derart skandalisiert wurde, wie dies für die Methode der Familienaufstellungen der Fall ist. In meinem Fall ist dieser Standpunkt in mehrerer Hinsicht randständig. Ich arbeite in freier Praxis psychotherapeutisch mit Familienaufstellungen, bin aber in der Perspektive des ,Zentrums‘ kein Psychotherapeut, sondern firmiere unter dem Begriff ,Heilpraktiker‘. Mit ,Zentrum‘ ist in diesem Fall jene hegemoniale Figuration von Institutionen und Personen gemeint, die in der Frage, was Psychotherapie und wer ein Psychotherapeut sei, die Definitionsmacht haben. Von dieser Position am Rande trete ich nicht nur als Vertreter der Arbeit mit Familienaufstellungen auf, sondern zugleich als ihr Kritiker. Da diese Kritik nicht von außen kommt, sondern von jemandem, der die Methode selber praktiziert, kann sie sich nie ganz von dem hegemonialen Beigeschmack befreien, ihrerseits definieren zu wollen, wie man diese Arbeit eigentlich machen müsse. Insofern führe ich vom Rande aus einen hegemonialen Diskurs gegenüber dem Rande. Dabei gerät aus dem Blick, dass die hegemoniale Definitionsmacht hinsichtlich des Feldes der Psychotherapie im Zentrum angesiedelt ist. Ein kritischer Blick auf die Arbeit mit Familienaufstellungen hat nur
dann eine Chance, sich von dieser Einseitigkeit der Kritik zumindest partiell zu befreien, wenn sie die gegenseitige Bezogenheit von Rand und Zentrum im Auge behält. Um dies zu tun, ist wiederum der Rand besser geeignet als das Zentrum, vorausgesetzt natürlich, man schließt sich an diesem Rande nicht einem jener Zirkel an, die sich in ihr Randdasein eingraben und zur Gemeinde werden, wie dies für die Szene um Bert Hellinger herum in der Vergangenheit zu beobachten war. Um in diesem Bild zu bleiben, geht es also um eine doppelte Randständigkeit. Der Preis dafür sind unklare Zugehörigkeiten. Der Vorteil ist jedoch, in dieser Position nicht so schnell von den Denk- und Handlungsselbstverständlichkeiten des beruflichen Feldes aufgesaugt zu werden, dem man angehört. Unterstützt wird dies dadurch, dass ich aus der Soziologie komme und in das berufliche Feld der Psychotherapie vorgedrungen bin, das traditionell von anderen Fächern als ihr Territorium angesehen wird, der Medizin und der Psychologie. Je länger ich mich in diesem Feld bewege, um so mehr wächst in mir die Auffassung, dass der Psychotherapie ein Selbstverständnis gut anstehen würde, sich als Teil der angewandten Sozialwissenschaften zu verstehen, zu der ich auch die Psychologie zählen würde. Als Sozialwissenschaft hat sie sicherlich eine wesentliche Schnittstelle zu den biologischen Wissenschaften vom Menschen, aber eben in dieser Gewichtung und nicht umgekehrt. Solange Psychotherapie talking cure ist und bleibt, ist sie soziales Geschehen und sollte auch als solches analysiert und begründet werden“ Die Lektüre sei dringend empfohlen.
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Familienaufstellungen als kurzzeittherapeutisches Verfahren in der Gruppentherapie
12. März 2007 | Keine Kommentare