Unter diesem Titel veröffentlicht Sascha Dickel, Professor am Institut für Soziologie der Universität Mainz mit dem Arbeitsbereich Mediensoziologie & Gesellschaftstheorie einen Open Access-Artikel „Zur systemtheoretischen Selbstbeschreibung der digitalen Gesellschaft“, der 2022 im Berliner Journal für Soziologie erschienen ist. In seiner Einleitung schreibt er: „Vor dem Hintergrund der Digitalisierung stellt sich für Sozial- und Gesellschaftstheorien fast zwangsläufig die Frage, wie zeitgemäß ihre eigenen theoretischen Instrumente (noch) sind, gilt der seit mindestens drei Jahrzehnten ablaufende Prozess der Digitalisierung doch als anhaltender Epochenbruch, der auch und gerade dazu zwingt, die Frage nach dem ,Sozialen’ neu zu stellen. Ansatzpunkte dafür gibt es viele: Wie etwa lassen sich Gesellschaften begreifen, in denen medial vermittelte, ,synthetische Situationen’ (…) zum Normalfall des Miteinanders werden? Oder: Wie ist Sozialität beschreibbar, die – etwa im Kontext sozialer Medien – fundamental von digitalen Interfaces und Infrastrukturen abhängt, in denen das Soziale selbst zum Objekt von Designprozessen und Realexperimenten wird (…)? Und wer gilt in dieser digitalen Welt überhaupt als Teilnehmer:in am Sozialen? Nur Menschen oder auch Computer und Algorithmen? (…)? Muss man das theoretische Verständnis des Sozialen grundlegend von seinem humanistischen Ballast befreien (…)? Oder geht es vielmehr darum, die Besonderheiten menschlicher Sozialität gegenüber algorithmischer Operation und ,Künstlicher Intelligenz’ zu verteidigen (…)? Müsste eine Theorie der digitalen Gesellschaft selbst mit digitalen Begriffen operieren (…)? Oder sollte sie sich im Gegenteil von einem solchen Sprachgebrauch distanzieren, um digitale Sprechweisen von außen beobachten zu können (…)? Kurzum: Was sind die Folgen sozial- und gesellschaftstheoretischer Festlegungen für die Beobachtung dessen, was heute als ,Digitalisierung’ in aller Munde ist? Der Verhandlung dieser Fragen widmet sich dieser Beitrag anhand der soziologischen Systemtheorie.“
Zu diesem spannenden, aber auch theoretisch anspruchsvollen Text geht es hier…
„Wie etwa lassen sich Gesellschaften begreifen, in denen medial vermittelte, ,synthetische Situationen’ (…) zum Normalfall des Miteinanders werden?“ Mein Antwort auf diese Frage lautet: indem man diese blöden Digitalschachteln wegläßt und das, was man mittlerweile als „analog“ bezeichnet, wieder zum „Normalfall“ werden läßt: miteinander reden, schweigen, sich berühren, mit den Nachbarn reden, zusammensitzen, in den Wald gehen etc. pp.
Mein persönliches Lieblingswort in diesem Text ist die „Seinsvergessenheit“ von Heidegger, die zweimal auftaucht.
Lasst uns aus der Seinsvergessenheit eine Seinswiederanbindung machen!
Gestern hatte ich eine SItzung mit einer verzweifelten Mutter eines demnächst 13jährigen. Der sitzt den ganzen Tag an seiner dummen Digitalschachtel, hat die Jalousien heruntergelassen und die Mama würde ihn so gerne als jungen lebendigen Mann sehen, der seine Vitalität auslebt (nebenbei sind die analogen Aktivitäten junger männlicher Pubertiere den Mamas dann auch nicht immer recht, aber das ist eine andere Geschichte).
Ich denke in diesem Zusammenhang gerne an die „kindliche Gesellschaft“ von Robert Bly. Wie sollen wir junge Leute ans Leben heranführen, wenn die Erwachsenen keine Erwachsenen mehr sind, sondern wie 5jährige mit ihren digitalen Krawallschachteln den öffentlichen Raum okkupieren? Die nicht mehr in den Himmel schauen, sondern rückenverkrümmt beim Gehen auf ihre „Displays“ starren und man aufpassen muss, dass sie einen nicht umrennen, wenn man in der Stadt unterwegs sind.
Dazu hätte ich bitte einmal gerne ein paar soziologische Überlegungen!