Können Professionelle aus dem systemischen Feld auch Literatur? Immerhin lässt sich mutmaßen, dass Auftragsklärung, Zieldefinition und Lösungsorientierung nicht gerade eine Trias sind, aus der sich Inspirationen für Romane gewinnen lassen. Die folgen schließlich immer der Eigendynamik von Geschichten, Problemen und – vor allem – individuellen Protagonisten, ihren Verstrickungen, Kämpfen, Versuchungen und Entscheidungen, ohne die wir uns nicht identifizieren und von der Geschichte fesseln lassen können. Romane sind daher in der Regel immer auch psychologisch von Interesse, aber es wundert nicht, dass die Form des Romans sich eher aus tiefenpsychologischen als aus zielorientierten Ansätzen speisen kann, geht es im Roman doch eher um den Nachvollzug von (schmerzhaften) Entwicklungsprozessen als um die Identifizierung von Zielen und die schnelle Erreichung von Lösungen! Nun hat Walter Schwertl, in Frankfurt lebender Österreicher und im systemischen Feld als Systemischer Therapeut (früher) und systemischer Coach (heute) weithin bekannt, im österreichischen Mackinger-Verlag sein Debüt als Romancier vorgelegt, das sich erfreulicherweise von allen Versuchen fernhält,„systemisches Denken“ in irgendeiner – womöglich didaktischer – Weise zu literarisieren. Stattdessen wird die Geschichte eines Mannes erzählt, dem es gelingt, sich aus der Position eines aufgrund einer Sprechhemmung leidvoll stigmatisierten Neutrums („das presslauternde Hiasl“) in einem dörflich ausgrenzendem Kontext der österreichischen Provinz durch einen günstigen Zufall in den Status eines angesehenen Unternehmers in Spanien durchzuboxen, ohne dabei die eigene Vergangenheit abschütteln zu können. Vanessa Pulch hat das Buch für systemagazin gelesen und kommt zu dem Schluss:„Walter Schwertl beweist in seinem Roman einen fein-nuancierten Umgang mit Sprache, gerade da wo sie unzulänglich erscheint und durch die Etablierung eines Raumes des Unbesprechbaren abgelöst wird. (
) Ein lesenswertes Stück Literatur, bewegend und tiefgründig und ein ambitioniertes Plädoyer für das Begreifen des Schweigens als Möglichkeit mit den eigenen Dämonen umzugehen, entgegen der existierenden Maxime, die Bewältigung bestimmter biografischer Ereignisse sei bedingungslos mit Versprachlichung selbiger gleichzusetzen“
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Der Blues des Herrn von Stockham
13. Juli 2013 | Keine Kommentare