Unter diesem metaphorischen Titel haben der Philosoph und Psychotherapeut Günter Gödde und der Psychoanalytiker Michael B. Buchholz eine fulminantes zweibändiges Werk über die Wissenschaft und Therapeutik des Unbewussten herausgegeben. Die Bände sind 2012 im Psychosozial-Verlag in Gießen erschienen. Lothar Eder hat die beiden Bände mit über 1300 Seiten für systemagazin gelesen. Er schreibt: Worum geht es? Als Ausgangspunkt dient Goethes Gedicht vom Zauberlehrling; dieser bedient den Besen (in der Analogie der Herausgeber: die Psychotherapie), da ihm aber Worte und Einsicht fehlen, gerät er außer Kontrolle. Erst die Worte des Meisters (In die Ecke, Besen, Besen
) können ihn zähmen. In Fortführung dieser Analogie führen Gödde und Buchholz aus, dass erst eine Art hexischer Fähigkeit Fantasieren im Sinne Freuds, eine Metapsychologie, die sich dem Spekulieren, dem Ahnen und der Intuition verpflichtet dem Besen das verleiht, was er (also die Psychotherapie) braucht, um nützlich zu sein. Ohne dieses hexische Element bleibt der Besen nichts als ein Instrument zum Reinemachen, will sagen: phantasie- und intuitionslose, mechanische Anwendung von Manualen oder vorgegebenen Behandlungsschritten in der Psychotherapie. Eine Überbetonung des Hexischen unter Ausblendung von empirischen Befunden andererseits führe ins Chaos, in die Verwüstung. Beide Seiten, Empirie und Intuition, eine naturwissenschaftlich-technische und eine geisteswissenschaftlich-humanistische Kultur, zwei Flügel also seien zum Fliegen notwendig. Mit der Überbetonung der empirischen Seite und einer technisch fokussierten Therapeutik, die sich an störungsspezifischen Aspekten orientiere, mache sich die Psychotherapie, um im Bild zu bleiben, flugunfähig. Dies führt zur Kernthese des Werkes: Psychologie (implizit als Grundlagenwissenschaft der Psychotherapie vorausgesetzt) sei
als Wissenschaft der Komplementarität zu verstehen. Komplementarität sei (explizit im Sinne Batesons) die verbindende und übergreifende Sichtweise des harten (naturwissenschaftlich-empirischen) und des weichen (Interpretation, Deutung und Intuition betonenden) Denkstils. Als Wurzel dieser komplementären Denkweise nennen die Herausgeber in ihrer Einleitung die Quantenphysik Bohrs der 1930er Jahre. Ein Phänomen (Licht) kann aus 2 Perspektiven betrachtet werden, als Teilchen oder Welle. Erst beide Sichtweisen zusammen machen eine vollständige Erfassung des Gegenstandes möglich. Damit sind Gödde und Buchholz bei einem für Systemiker vertrauten Sowohl-als-auch statt eines Entweder-oder angekommen. Auch sind naturwissenschaftlichen Analogien einer systemischen Leserschaft aus der eigenen Domäne vertraut. Wie es den Herausgebern und AutorInnen gelingt, diese komplementäre Denkweise zu entfalten, bringt Eder in seiner ausführlichen Rezension den Lesern näher,
die Sie hier lesen können
Der Besen, mit dem die Hexe fliegt
7. November 2013 | Keine Kommentare