systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

Das Training ist vorbei…!

| Keine Kommentare

Inge Liebel-Fryszer, Wolfgang Nöcker und Petra Girolstein (Foto: http://www.praxis-am-platz.de) waren im April dieses Jahres in China, um dort zusammen mit einem Team chinesischer Trainerinnen und Trainer eine Weiterbildung für 75 chinesische PsychiaterInnen und Psychotherapeuten zu leiten. Es handelte sich um das zweite von vier Seminaren innerhalb des„Fifth Chinese-German Advanced Training Program For Systemic Family Therapy“, ein Kooperationsprojekt der Deutsch-Chinesischen Akademie für Psychotherapie, dem Institute Of Mental Health Bejing University und dem Center Of Clinical Psychology Bejing University. Petra Girolstein macht heute das 20. Adventskalendertürchen mit einem Bericht vom letzten Seminartag auf:

Heute war der letzte Seminartag. Noch purzeln alle Eindrücke durcheinander. Am Anfang unsere Aufregung, die fremde Sprache, die große Gruppe, lectures auf Englisch! An jedem Tag gab es so viel Neues dass wir abends erfüllt und platt waren und uns erstaunt fragten ob wir wirklich erst ein, zwei oder drei Tage da wären. Die ersten lectures, der erste Abendvortrag, die erste Supervision, das erste Team mit den chinesischen Trainern, die erste Live-Familie! Wir drei, Wolfgang, Inge und ich, die erst eher zusammengewürfelt als abgestimmt schienen. In Deutschland hatten wir uns zweimal zur Vorbereitung getroffen, und in Bejing ging die Zusammenarbeit von null auf hundert los.
Es ist uns gut gelungen! JedeR von uns konnte seinen oder ihren Stil leben und auf den Support der anderen bauen. Kooperationsmomente klappten nahezu mühelos und wir hatten viel Spaß!
In der Mitte des Seminars erlebten wir eine Wende: Die Aufregung ließ nach, die Energie langsam auch. Es gab mehr Genuss auch während der Arbeit – und abends fielen wir halbtot ins Bett.
Die chinesischen Teilnehmer machten es uns leicht. Kaum hatten wir Bilder oder Metaphern angesprochen, wetteiferten sie darum sie zu kreieren. Rollenspiele oder Aufstellungsarbeit waren kein Problem sondern immer eine energetische Freude. Zum ersten Mal in der Geschichte dieser Weiterbildung wurde bei einer Live-Familie mit Skulpturen gearbeitet. Dass es das erste Mal war erfuhren Wolfgang und ich zum Glück erst danach.
Chinesen scheinen ihre Energie wie auf Knopfdruck nutzen zu können. Sie haben unglaubliche Talente beim Singen, Spielen und Erzählen – Letzteres brachte uns so manches Mal in die Bredouille, wenn wir den chinesischen Wortschwall stoppen wollten, nicht verstanden und deshalb keine Lücke fanden. Genauso schnell wie sie den Raum füllen verlassen sie ihn auch wieder, wie ein Spuk oder eine Erscheinung nach der man sich fragt ob man sie erlebt hat oder nicht.
Wir lernten unglaublich viel von chinesischer (Familien-) Geschichte der letzten Jahrzehnte und staunten über manch unerwartete Unterschiede. In diesem Land scheint so viel im Umbruch und in tiefgreifenden Veränderungsprozessen zu sein, dass die Verführung groß ist mitmischen zu wollen. Es gäbe so viel zu tun für Therapeuten, Sozialarbeiter und Beraterinnen! Doch wäre es wirklich mehr als bei uns oder nur anders?
Nun ist es Abend, fast Nacht. Wir waren in der Peking-Oper, ein irres Erlebnis an fremden Klängen und wunderschönen Stimmen. Die Klänge manchmal schrill für unsere Ohren, es fehlt die europäische Lieblichkeit. Hier gehen auch kleine Kinder und Jugendliche in die Oper, meist mit ihren Großeltern während die Eltern hinterherlaufen oder gar nicht da sind.
Das Gebäude ist imposant und ein architektonisches Wunderwerk. Von außen sehen wir eine riesige gläserne Kuppel. Innen schwappt ein See über die Glasdecke und und Rolltreppen führen in Stockwerke die mit einer Vielzahl an Materialien und immer neuen Formen und Winkeln gebaut wurden.
Nach der Vorstellung versuchten wir vergeblich ein Taxi anzuhalten. Schließlich fuhren wir zu dritt mit einer Rikscha durch die Nacht bis der Radfahrer an einer Kreuzung ein Taxi für uns ergatterte. Der Taxifahrer brauchte eine Weile um zu entscheiden ob er uns fahren könne – Beijing ist anscheinend zu groß um alle Stadtteile kennen zu können. Schließlich brachte er uns unter unserem Applaus ins Hotel. Die erste Nacht nach dem Seminar wartet.
Gute Nacht.

Kommentar verfassen

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..