Heft 1
Haun, Markus W. ( 2024): Editorial: Systemik und Systemtheorie – Engel und Teufel? In: Kontext, 55 ( 01), S. 3-4.
Abstract: Der Sozialpsychologe Kurt Lewin hat bekanntlich den Satz »Nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie« geprägt. Das Heft in Ihren Händen lädt Sie ein zum Innehalten zwischen Praxis und Theorie, zwischen »Systemik« als systemischer Praxis einerseits und Systemtheorie (Luhmannscher Prägung) andererseits. Barbara Kuchler hat dazu einen gleichermaßen fundierten wie inspirierenden Beitrag vorlegt. Sie sieht Systemiker:innen als Akteure in kleineren Beziehungssystemen der Integration von Unterschieden verschrieben. Dabei kann Integration beispielsweise bedeuten, dass das Ungelebte gelebt wird (»Ich habe endlich mal ›Nein‹ gesagt«). Hingegen sieht Kuchler Systemtheoretiker:innen als kühle Beobachter:innen größerer sozialer Systeme, die sich der immer präziseren Beschreibung der sozialen Welt durch immer elaboriertere Unterschiedsbildungen widmen. Luhmann habe auf Einheitsanmutungen recht allergisch reagiert, schreibt Kuchler. Wie ließe sich nun der Unterschied im Operieren mit Unterschieden zwischen Systemik und Systemtheorie erklären? Kuchler liefert dazu zwei Hypothesen: (1) Es ist die Rolle bzw. der Kontext. Systemiker:innen müssen unterstützende Impulse bereitstellen, die anschlussfähig sind für die Unterstützung suchenden Personen. Systemtheoretiker:innen arbeiten an abstrakten Problemen und sind dabei keinem professionsgebundenen Ethos verpflichtet. (2) Systemiker:innen arbeiten inhaltlich mit kleinen personnahen Beziehungssystemen (bspw. die Familie), Systemtheoretiker:innen hingegen mit sozialen Systemen, die intern nicht aus Beziehungen bestehen, quasi »Nicht- Beziehungssystemen«.
Call for Papers – Debattenheft des KONTEXT zum Thema: Was emotionalisiert uns an der Genderdebatte? In: Kontext, 55 ( 01), S. 5-6.
Kuchler, Barbara ( 2024): Engel und Teufel, Heiler und Spalter: Zum Verhältnis von Systemik und Systemtheorie. In: Kontext, 55 ( 01), S. 7-45.
Abstract: Systemik und akademische – soziologische – Systemtheorie gelten normalerweise als verwandte Arbeitsrichtungen und werden oft als praktischer und theoretischer Arm desselben Paradigmas verstanden. Bei näherem Hinsehen zeigen sich aber große Unterschiede in den Denkweisen und Theorietechniken. Beide arbeiten gern mit Zweierunterscheidungen, oder binären Unterscheidungen, Dichotomien, Polaritäten, polaren Gegensatzpaaren. Aber systemische Praktiker tun dies in der Regel mit einem Interesse an Integration, Balance, Ausgleich, Ganzheit, Rundheit, Versöhnung gegensätzlicher Kräfte und Tendenzen, sie versuchen ungesunde Spaltungen und Verhärtungen aufzulösen und dem System einen Zugang zu seinen verschütteten anderen Seiten zu ermöglichen. Dagegen haben Systemtheoretiker kein Problem mit dem Sich-Eingraben von Unterschieden in die Welt, sie können mit der Idee von Ganzheit und Rundheit nichts anfangen und sehen Systeme als ein Ordnungsprinzip, das einen grundsätzlichen Schnitt durch die Welt zieht, also Unterschiede schafft, die nie wieder »geheilt« oder überbrückt oder in Richtung auf Einheit geführt werden können. Diese Unterschiede im theoretischen Weltzugriff hängen mit den unterschiedlichen Rollen von Systemikern versus Systemtheoretikern als klientenorientierten Beratern einerseits versus distanzierten Beobachtern andererseits zusammen – als »Engeln« oder »Teufeln« –, und vielleicht auch mit der unterschiedlichen Natur der jeweils schwerpunktmäßig betrachteten Systemen, die im einen Fall Individuen und kleine, personnahe Systeme sind (Beziehungssysteme) und im anderen Fall größere, abstraktere, anonymere soziale Systeme (Nicht-Beziehungssysteme).
Retzer, Arnold & Fritz B. Simon ( 2024): Teuflische Systemiker. Kommentar zum Artikel von Barbara Kuchler: »Engel und Teufel, Heiler und Spalter: Zum Verhältnis von Systemik und Systemtheorie«. In: Kontext, 55 ( 01), S. 46-53.
Abstract: Um der Rolle der systemischen »Engel« gerecht zu werden, wollen wir zunächst benennen, welchen Aspekten der Thesen der Autorin wir zustimmen: Die Kontexte von Systemtheorie und Systemik sind unterschiedlich, so dass die »Denktechniken« (um hier den Theoriebegriff zu vermeiden) beider Ansätze unterschiedliche Funktionen zu erfüllen haben. Systemtheoretiker (Luhmannscher Prägung) zielen akademische Anschlussfähigkeit und Reputation bzw. Karriere usw. an und müssen daher logische Konsistenz ihrer Argumentation innerhalb der Prämissen des gegebenen fachlichen Diskurses realisieren. Systemiker als Therapeuten und Berater brauchen hingegen Denktechniken, die ihnen als Praktiker, die sich alltäglich in nicht einseitig kontrollierbaren Situationen (Therapie, Beratung) finden, schnelles Agieren ermöglichen. Sie müssen dabei in der Lage sein, so zu intervenieren, dass die Klienten diesen Prozess als sinnvoll erachten und – gegebenenfalls – zur nächsten Sitzung kommen (um erst einmal Minimalziele zu benennen). Zuzustimmen ist auch der Beschreibung, dass beide Ansätze den Fokus auf Unterscheidungen richten. Soviel zur Übereinstimmung mit den Thesen von Frau Kuchler. Die Darstellung der systemtheoretischen Prämissen wollen wir nicht kommentieren, da die Autorin dort ihren originären Kompetenzbereich hat, den in Frage zu stellen wir uns nicht anmaßen. Unser Kommentar – genauer: unsere Kritik – bezieht sich also nur auf die Darstellung dessen, was die Autorin als Systemik zu verstanden haben meint.
Beher, Stefan ( 2024): Das Eckige ins Runde? Engel, Teufel und das Spiel mit Unterscheidungen in Systemtheorie und systemischer Praxis. In: Kontext, 55 ( 01), S. 54-63.
Abstract: »Lebendige machen alle den Fehler, dass sie zu stark unterscheiden«, klagte einst Rilke (1975) in seinen Duineser Elegien: »Engel (sagt man) wüssten oft nicht, ob sie unter Lebenden gehn oder Toten«, heißt es dort. Für scharfe Kontraste, so lehrt uns die Genesis, kann man sich dagegen an den Erzengel Luzifer (wörtlich: »Lichtbringer«) halten. Oder an die Systemtheorie? Wie hell deren kantige Unterscheidungen – bei Spencer Brown symbolisiert durch einen Winkel – auch das erleuchten, was sich immerhin recht lebendig unter dem Label der »Systemik« entwickelt, diese Frage stellt Barbara Kuchler zur Diskussion. Engel und Teufel, Heiler und Spalter: Während uns »Systemiker« und »Systemtheoretiker« in einer »grundlegende[n] Annahme auf Verwandtschaft und Kontinuität« gemeinhin präsentiert werden, als ob sie »gut zusammenpassen und auf einem gemeinsamen theoriekonstruktiven Mist gewachsen sind«, identifiziert Kuchler hier einen »Gegensatz«, einen »Zusammenstoß« zweier Denkweisen, die sich, wenn nicht auf »verschiedenen intellektuellen Planeten«, so doch in einem »flir- renden intellektuellen Spannungsfeld« zueinander befinden. »Wenn Systemiker Unterscheidungen gebrauchen«, so ihre These, »sehen sie darin die Chance auf Balance, Ausgleich, Ganzheit, Rundheit, Gesundheit«, nicht etwa, wie Systemtheoretiker, ein analytisches Potential, das unterkühlt und provokativ auf die Zusammenhänge der sozialen Welt blicke. Dieser unterschiedliche Unterscheidungsgebrauch resultiere, so ihre Hypothese, zum einen aus ihren unterschiedlichen sozialstrukturellen Positionen, zum anderen aus unterschiedlichen Gegenstandsbereichen. »Systemiker«, so Kuchler, seien mit »Beziehungssystemen« beschäftigt, die charakteristischerweise Strukturpolaritäten aufweisen und daher engelhafter Unterschiedsnivellierung bedürfen. Wir wollen ihre Thesen im Folgenden – wie sollte es anders sein! – mit Blick auf einige Unterscheidungen diskutieren.
Lutterer, Wolfgang ( 2024): Engelchen und Teufelchen … Ein Kommentar. In: Kontext, 55 ( 01), S. 64-70.
Abstract: Barbara Kuchler erweist mit ihrer Analyse zum Verhältnis von Systemik und Systemtheorie beiden Communities einen ausgesprochen großen Dienst. Zunächst, indem sie einige der Unterschiede zwischen beiden Theorieanlagen, welche nur allzu zu oft im Diskurs verschwimmen, explizit macht. Des Weiteren, indem sie zum Kommentar und damit zur Ergänzung sowie zum Widerspruch einlädt. Idealerweise führt dies zu einer längst überfälligen Klärung von Unterschieden wie Gemeinsamkeiten beider Felder, zu der es mich freut, beitragen zu dürfen. Dieser Kommentar ist in zwei Abschnitte gegliedert. Zunächst wird das diskursive Angebot von Barbara Kuchler angenommen und der von ihr vorge- schlagenen heuristischen Dichotomie weiter nachgespürt. Im zweiten Abschnitt setze ich mich darüber hinweg und versuche aus systemischer Sicht eine etwas andere Perspektive zu eröffnen. Damit ist dieser Beitrag »einseitiger« als der Kuchlersche, indem er eine Positionierung innerhalb des systemischen Dis- kurses einnimmt und von dort aus seine Beobachtungen formuliert.
Eidenschink, Klaus ( 2024): Zur fehlenden Systemtheorie der Psychodynamik. In: Kontext, 55 ( 01), S. 71-79.
Abstract: Der Text von Barbara Kuchler füllt thematisch eine Lücke und war im Grunde überfällig. Die häufig anzutreffende Gleichsetzung von systemisch und systemtheoretisch ist praktisch wie theoretisch falsch und braucht eine gründliche professionelle Diskussion. Daher bin ich sehr dankbar, dass Kuchler mit ihrem Text zu dieser Klärung anregt.
Kuchler, Barbara ( 2024): Replik. In: Kontext, 55 ( 01), S. 80-86.
Abstract: Ich freue mich über die Resonanz auf meinen Text, über die vielen Denkanregungen in den Kommentaren und auch über die Gelegenheit zum Zurückfragen, die ich hier noch habe. Ich genieße den Schlagabtausch der Argumente – was aggressiver klingt, als ich es meine –, und ich erlaube mir deshalb, mehr oder weniger halsstarrig und lernunwillig meinen Standpunkt zu behaupten, in der Überzeugung, dass meine Absicht eine zutiefst gute ist, ich will nicht sagen: engelhafte, aber jedenfalls keine destruktive. Ich greife sehr selektiv nur drei Punkte heraus, erstens zur Richtung von Therapie, zweitens zur Theorie psychischer Systeme, und drittens zur Theorie/Praxis-Differenz.
Bräutigam, Barbara ( 2024): Genogrammatische Lektüren: »Valentinstag« oder die Frage nach dem Glück – ein Roman von Richard Ford (2023). In: Kontext, 55 ( 01), S. 88-90.
Riemer, Christine ( 2024): Rezension – Klaus-Christian Knuffmann (2022): Mein Lebenswerk in besten Händen. 12 kurzweilige Geschichten für eine gelingende Unternehmensnachfolge. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: Kontext, 55 ( 01), S. 91-92.
Riemer, Christine ( 2024): Rezension – Frank Ertel et al. (2023): Gespräche auf den Punkt. Impulse für zielorientierte Kurzgespräche. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: Kontext, 55 ( 01), S. 92-93.
Crone, Ilke ( 2024): Rezension – Peter Ebel, Heiko Kleve & Julia Strecker (Hrsg.) (2022): Systemische Supervision in Lehre und Praxis. Heidelberg (Carl-Auer). In: Kontext, 55 ( 01), S. 94-95.
Crone, Ilke ( 2024): Rezension – Martin Lemme & Bruno Körner (2022): Die Kraft der Präsenz. Heidelberg (Carl-Auer). In: Kontext, 55 ( 01), S. 95-97.
Polchau, Anne ( 2024): Rezension – Peter Fonagy & Tobias Nolte (Hrsg.) (2023): Epistemisches Vertrauen. Stuttgart (Klett-Cotta). In: Kontext, 55 ( 01), S. 97-98.
Heft 2
Sebastian Baumann & Björn Enno Hermans (2024): Editorial: Im System. In: Kontext 54 (02), S. 123-124.
Sebastian Baumann & Björn Enno Hermans (2024): Mission completed!? Der lange Weg der Systemischen Therapie durch die Institutionen. In: Kontext 54 (02), S. 125-136.
abstract: Manche systemischen Institute versehen ihre Haustüren mit einem Zahlencode. Werden hinter diesen Türen auch Approbationsausbildungen angeboten, würden wir es – psst, Geheimnis! – mit einer 2211 oder einer 1801 versuchen. Wer in der sozialrechtlichen Anerkennung der Systemischen Therapie ein freudiges Ereignis sieht, für den sind der 22.11.2018, der 22.11.2019 sowie der 18.01.2024 Feiertage. Während es bei der Anerkennung der Systemischen Therapie für Erwachsene noch zwei Anerkennungsschritte gab, 2018 die Bestätigung der Wirksamkeit, 2019 die notwendige Ergänzung der Psychotherapie-Richtlinie, ging es diesmal deutlich schneller: Nur 9 Monate nach der Übersendung der Studienlage Systemischer Therapie für Kinder und Jugendliche durch das IQWiG1 (IQWiG, 2023) hat der Gemeinsame Bundesausschuss2 (G-BA) sowohl die Wirksamkeit in den wichtigsten Diagnosekategorien festgestellt, als auch die Anpassung der Psychotherapie-Richtlinie vorgenommen. Anders als beim Erwachsenen-Prozess gab es in der öffentlichen Plenumssitzung des G-BA am 18.01.2024 ein einstimmiges Ergebnis: Diesmal stimmte auch die Vertretung der gesetzlichen Krankenversicherungen für die Aufnahme Systemischer Therapie als Richtlinien-Verfahren. Dieser generell geänderte Umgang mit der Systemischen Therapie deutete sich bereits im Vorfeld an. Der vdek etwa, der Verband der Ersatzkassen, in dem unter anderem die großen Einzelkassen TK, DAK, Barmer zusammengeschlossen sind und der über einen Marktanteil von knapp 40 % verfügt, forderte bereits im Sommer 2022 »dass eine Rechtsgrundlage geschaffen wird, dass bei der Nachbesetzung von Psychotherapeut:innensitzen Vertreter:innen der Systemischen Therapie solange bevorzugt werden, bis ihr Anteil an der Versorgung mindestens das Niveau des zweitkleinsten Therapieverfahrens erreicht hat. Dadurch erhöhen sich auch die zur Verfügung stehenden Behandlungskapazitäten«
Kirsten von Sydow, Rüdiger Retzlaff & Stefan Beher (2024): Nutzenbewertung des IQWiG für Systemische Therapie bei Kindern und Jugendlichen. In: Kontext 54 (02), S. 137-151.
abstract: Nachdem Systemische Therapie (ST) bereits 2008 wissenschaftlich anerkannt wurde und 2020 sozialrechtlich als Verfahren der Erwachsenenpsychotherapie anerkannt worden ist, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) 2021 das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) beauftragt, auch die Wirksamkeit von ST bei Kindern und Jugendlichen zu evaluieren, in Hinblick auf die Prüfung der sozialrechtlichen Anerkennung von ST für diese Altersgruppe. Der Artikel beschreibt den Kontext dieser IQWiG-Studie, ihre Methodik und die wichtigsten Ergebnisse und nennt zentrale manualisierte Ansätze der systemischen Kinder- und Jugendtherapie, die in diesem Evaluationsprozess bedeutsam waren. Die neu erstellten Metaanalysen des IQWiG (2023) belegen die Wirksamkeit von ST bei Angst-/Zwangs-, Ess-, hyperkinetischen, Substanzkonsum- und gemischten Störungen des Kindes- und Jugendalters; in Bezug auf Depressionen ist die Befundlage uneindeutig, in Bezug auf dissoziale Störungen weniger positiv als erhofft. Die Befunde werden zusammengefasst und kritisch diskutiert. Die Ergebnisse der IQWiG-Evaluation führten dazu, dass der G-BA ST 2024 auch als Verfahren der Kinder- und Jugendtherapie sozialrechtlich anerkannt hat.
Rüdiger Retzlaff (2024): Systemische Fallkonzeption und Antragsverfahren – mögliche Probleme und Lösungen. In: Kontext 54 (02), S. 152-171.
abstract: Seit der Anerkennung als Kassenverfahren müssen systemische Therapeuten für ihre Patienten Therapieanträge bei den Krankenversicherungen stellen. In diesem Artikel werden die zu beachtenden sozialrechtlichen Vorgaben erläutert. Dazu zählt unter anderem auch eine Einschätzung des Familien- bzw. des relevanten sozialen Systems, eine gemeinsame mit Patienten entwickelte Problemdefinition sowie ein ebenfalls gemeinsam entwickelter Behandlungsplan. Abschließend werden typische Probleme und mögliche Lösungen bei der Antragstellung und -formulierung dargestellt.
Susanne Kiepke-Ziemes, Anne Valler-Lichtenberg & Renate Zwicker-Pelzer (2024): Leserbrief. In: Kontext 54 (02), S. 188-189.
Silvia Beckmann (2024): Rezension – Ursula Baatz (2023): Achtsamkeit. Der Boom, Hintergründe, Perspektiven, Praktiken. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: Kontext 54 (02), S. 190-191.
Gabriel Bücherl (2024): Rezension – Harald Pühl & Katrin Thorun-Brennan (2023): Kleines Praxishandbuch Coaching. Gießen (Psychosozial-Verlag). In: Kontext 54 (02), S. 191-192.
Ingegerd Schäuble (2024): Rezension – Harry Friebel (2023): An den Nationalsozialismus erinnern. Entwicklung der Erinnerungskultur und zukünftige Perspektiven. Ein Essay. Opladen (Barbara Budrich). In: Kontext 54 (02), S. 193-194.
Kathrin Barkam (2024): Rezension – Alexandra Peischer (2023): Versuchen Sie’s mal mit Schreiben! Ein effektives Werkzeug für Coaching, Beratung und Erwachsenenbildung. Heidelberg (Carl-Auer). In: Kontext 54 (02), S. 194-195.
Kay Niebank (2024): Rezension – Jan Skudlarek (2023): Wenn jeder an sich denkt, ist NICHT an alle gedacht. Stuttgart (Tropen). In: Kontext 54 (02), S. 196-197.
Christine Kirsch (2024): Rezension – Joachim Merchel, Peter Hansbauer & Reinhold Schone (2023): Verantwortung in der Sozialen Arbeit. Ethische Grundlinien professionellen Handelns. Stuttgart (Kohlhammer). In: Kontext 54 (02), S. 197-198.
Tanja Retzer (2024): Rezension -Eia Asen & Peter Fonagy (2023): Mentalisieren in der systemischen Praxis. Heidelberg (Carl-Auer). In: Kontext 54 (02), S. 199-200.
Dirk Schumann (2024): Rezension – Franz Herrmann (2023): Intuition und Improvisation in der Praxis der Sozialen Arbeit. Stuttgart (Kohlhammer). In: Kontext 54 (02), S. 200-201.
Silvia Beckmann (2024): Rezension – Tom Küchler (2023): HIRNgeküsst – Nützliche Tools zur Veränderung von inneren Bildern, Mindsets und Glaubenssätzen. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: Kontext 54 (02), S. 202-203.
Alexander Korittko (2024): Rezension – Wilhelm Rotthaus (2023): Nichtsuizidales selbstverletzendes Verhalten (NSSV) von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Heidelberg (Carl-Auer). In: Kontext 54 (02), S. 204-205.
Dirk Schumann (2024): Rezension – Laura Best (2023): Professionelle Beziehungsgestaltung in der Sozialen Arbeit. Stuttgart (Kohlhammer). In: Kontext 54 (02), S. 205-206.
Eva Maria Lohner (2024): Rezension – Julia Hille (2023): Paare als Adressat*innen systemischer Beratung – Rekonstruktion von Adressierung in Erstgesprächen. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: Kontext 54 (02), S. 206-208.
Silvia Beckmann (2024): Rezension – Klaus Eidenschink (2023): Die Kunst des Konfliktes – Konflikte schüren und beruhigen lernen (2. Aufl.). Heidelberg (Carl-Auer). In: Kontext 54 (02), S. 208-209.
Anja Senger (2024): Rezension – Monique Vercoulen (2023): Positive und negative Glaubenssätze. 80 Grundüberzeugungen für den Einsatz in Therapie und Beratung. Kartenset mit 80 Karten. Weinheim (Beltz). In: Kontext 54 (02), S. 209-210.
Mathias Berg (2024): Rezension – Martina Hörmann, Dominik Tschopp & Joachim Wenzel (2023): Digitale Beratung in der Sozialen Arbeit. Stuttgart (Kohlhammer). In: Kontext 54 (02), S. 210-211.
Mareike Zieger (2024): Rezension – Alma Dreković (2023): Weiblich, hochbegabt, unterschätzt . Wie hochbegabte Frauen ihr Potenzial entfalten können. Stuttgart (Klett-Cotta). In: Kontext 54 (02), S. 212-213.
Elisabeth Grotmann (2024): Rezension – Hariet Kirschner, Simon Forstmeier & Bernhard Strauß (2022): Das Lebensrückblickgespräch. Hintergründe, Wirkungsweise und praktische Anleitung. Gießen (Psychosozial Verlag). In: Kontext 54 (02), S. 213-214.
Julia Hille (2024): Rezension – Marie-Luise Conen (2023): Wo bleibt die Qualität in den aufsuchenden Erziehungshilfen. Eine Streitschrift. Freiburg (Lambertus). In: Kontext 54 (02), S. 214-215.
Christian Cornehl (2024): Rezension – Katharina Henz & Claudia Bernt (2024): 991⁄2 Tipps für Paartherapeut:innen. Die wichtigsten Konzepte, Tools und Interventionen. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: Kontext 54 (02), S. 216-217.
Heft 3
Barbara Kuchler, Barbara Bräutigam, Markus W. Haun & Stefan Beher (2024): Editorial. In: Kontext 55 (03), S. 244-245.
Hannes Gustav Melichar (2024): Sense-making und der Sinn des Konstruktivismus. Enaktivismus als Ausgang aus einer festgefahrenen Debatte oder der Rückgewinn der Welt für die systemische Arbeit. In: Kontext 55 (03), S. 246-265.
abstract: Trotz anhaltender kontroverser Debatten ist der Konstruktivismus ein Grundpfeiler systemischer Therapie. Der vorliegende Artikel argumentiert, dass es nicht an Kritik des Konstruktivismus mangelt, sondern an einem konstruktiven Ausgang aus der Debatte. Einen solchen bietet der Begriff des sense-making, der im Enaktivismus, einem verkörperungstheoretischen Ansatz aus den Kognitionswissenschaften, entwickelt wird. Sense-making ersetzt die Konstruktion von Vorstellungen durch den relationalen Begriff der Interaktion mit der Welt und anderen Menschen, getragen von den Bedürfnissen eines lebendigen Individuums. Die Grundidee ist die bekannte Interpretation von Organismen als autopoietische Systeme. Lebewesen können sich nur selbst erhalten und regenerieren im Austausch mit der Umwelt. Dafür nimmt das Lebewesen eine Bewertung der Umwelt vor, wobei die Eigenheiten der Gegenstände keinesfalls irrelevant sind. Diese Bewertung wird als sense-making beschrieben. Menschliche Formen des sense-making sind durch soziale Einflüsse geprägt: Wir beeinflussen unser sense-making wechselseitig. Der Artikel erläutert das als participatory sense-making. Uns durch den Begriff des sense-making als interaktive Wesen zu verstehen, kann die Nachteile des Konstruktivismus umgehen, ist aber zugleich fruchtbar für das Verständnis systemischer Methoden und hat ethische Vorteile, wie im Artikel argumentiert wird.
Alexander Hofmann (2024): Neutralität als Neugier. Systemische Grundlagen für den Dreiklang in der opfergerechten Täterarbeit. In: Kontext 55 (03), S. 266-272.
abstract: Im Folgenden stellt der Autor dar, wie der systemische Begriff einer Neutralität als Neugier eine wichtige Grundlage für die Arbeit mit dem Dreiklang in der opfergerechten Täterarbeit (mit sexuell übergriffigen Menschen) bildet, diesen beeinflusst und gleichzeitig selbst von diesem beeinflusst wird. Dazu werden zunächst die Begriffe Neutralität und Neugier im Hinblick auf Grenzen und Richtungen in diesem Kontext untersucht. In einem zweiten Schritt werden die einzelnen Komponenten des Dreiklangs im Hinblick auf deren Wechselwirkungen betrachtet und anschließend in einen Zusammenhang mit dem verwendeten Neutralitätsbegriff gebracht.
Philipp Stang (2024): Imagination in der systemischen Therapie einer sexuellen Reifungskrise. Eine Fallstudie. In: Kontext 55 (03), S. 273-283.
abstract: Eine nicht-heteronormative Identitätsentwicklung kann Erschwernisse aufzeigen, welche insbesondere bei LSBTIQ* häufiger zu psychischen Problemen führen können. Interventionen der systemischen Therapie können positiven Einfluss nehmen, indem der Fokus auf Kommunikationsmuster, systemische Muster, eigene Anteile und Ressourcen sowie Lösungsversuche gelegt wird. Das Fallbeispiel einer systemisch-integrativen Kurzzeittherapie beleuchtet einen cis-männlichen Klienten mit einer sexuellen Reifungskrise und Migrationsbiografie in der Herkunftsfamilie. Es werden Herausforderungen und Stressoren auf die nicht-heteronormative Identitätsentwicklung aufgezeigt und dargestellt, wie die systemische Therapie eingesetzt werden kann. Der Therapieverlauf unterstreicht unter anderem die Wirksamkeit einer Imaginationsübung (»Phantomdate«) bei der Erkundung der eigenen sexuellen Orientierung und um Selbstsicherheit zu erlangen.
Barbara Kuchler, Barbara Bräutigam, Markus W. Haun & Stefan Beher (2024): In die Runde gefragt: Was emotionalisiert uns an der Genderdebatte? In: Kontext Kontext 55 (03), S. 284-284.
abstract: Wie kommt es, dass Diskussionen zum Geschlechterthema so viel Unmut erzeugen und Menschen so schnell auf die Palme bringen? Wie kommt es, dass, sobald das Thema angesprochen wird, der Blutdruck der Beteiligten und der Emotionsdruck der Kommunikation steigt, Dinge als unverhandelbar gesehen werden und sonst langweilige Gremiensitzungen zu emotional aufgeladenen Debatten mutieren? – Wer systemisch arbeitet, kann sich dazu aufgerufen fühlen, auf diesen Aspekt der Sache zu reflektieren, also die selbstreflexive Frage zu stellen, warum uns das eigentlich so aufregt.
Louise Frosio (2024): Der rosa Elefant steht im Raum. In: Kontext 55 (03), S. 285-289.
abstract: Man kann sich nicht nicht positionieren. Beim Thema gendergerechte Sprache müssen wir uns entscheiden, wo wir stehen – ob wir wollen oder nicht. Und es wird uns dabei oft eine Position zugeschrieben, die wir vielleicht gar nicht innehaben.
Marion Siems (2024): »Machst Du den Quatsch etwa auch mit?« Sprachliche und persönliche Grenzgänge. In: Kontext 55 (03), S. 290-295.
abstract: Mit der unvermeidlichen Entscheidung für oder gegen gegenderte Sprache scheint für Andere klar zu sein, wofür ich stehe. Statt nun gefragt zu werden, wie ich zu meiner Haltung komme, werden mir ideologische Absichten unterstellt.
Katharina Vollrath (2024): Warum das Gendern so viel Unruhe bringt? In: Kontext 55 (03), S. 296-300.
abstract: Wir finden Sicherheit in Konventionen, und wenn Konventionen sich verändern, erfordert das eine Lern- und Anpassungsleistung, die große Gefühle hervorrufen kann und uns eventuell überfordern kann.
Anja Möschler, Lea Tegenkamp & René Zimmermann (2024): Eine Brücke zwischen Geschlechtern: Reflexionen über Identität, Balance und den Weg in die Zukunft. In: Kontext 55 (03), S. 301-305.
abstract: Die Veränderung der Geschlechterrollen erfordert von allen Seiten das Aufgeben von Privilegien und das Übernehmen neuer Verantwortungen, was oft zu Widerstand und Verwirrung führt. Die Debatte löst tiefsitzende Gefühle und lang unterdrückte Emotionen aus, da viele Menschen erstmals über ihre Erfahrungen und Ungerechtigkeiten sprechen können. Die Umkehrung von Ungerechtigkeiten entpuppt sich als neue und trennende Form von Ungerechtigkeit.
Arist von Schlippe & Tom Levold (2024): Welches Problem löst Gendern (nicht)? Sechs Thesen zu »blinden Flecken« der Genderdebatte. In: Kontext 55 (03), S. 306-312.
abstract: Die Genderdebatte ist geprägt von einer heftigen (und humorlosen) Emotionalität, die ihrerseits vom Wunsch nach einer symbolischen Repräsentation gesellschaftlicher Inklusion getrieben ist. Diese Emotionalisierung und Moralisierung erzeugt aber paradoxe sprachpolitische und identitätspolitische Effekte und ist insofern eher Teil des Problems als Teil der Lösung.
Barbara Kuchler (2024): Stich-Wort: Wertschätzung. In: Kontext 55 (03), S. 314-317.
abstract: Der Mensch ist ein anerkennungsbedürftiges Wesen, deshalb will er gern wertgeschätzt werden. Der Mensch ist aber auch ein intelligentes Wesen, deshalb ist es ein Problem, wenn die Wertschätzung allzu mechanisch und durchsichtig ausfällt. Das ist ein Dilemma. Mit einer Abkürzung, die nur die deutsche Sprache so genial zur Verfügung stellt, kann man auch sagen, hier für mich aus Adressatenperspektive formuliert: Ich will gern wertgeschätzt werden, aber ich will nicht gewertschätzt werden. Es hat ja in den letzten Jahren in der Sprachentwicklung eine vielsagende Veränderung des Verbs »wertschätzen« gegeben, von einem zusammengesetzten Verb mit den Verbformen: »ich schätze wert«, »ich habe wertgeschätzt«, zu einem untrennbar verbundenen Verb mit den Verbformen: »ich wertschätze«, »ich habe gewertschätzt«. Darin drückt sich die Routinisierung und Mechanisierung von etwas aus, was seiner Natur nach nicht mechanisiert werden kann oder jedenfalls nicht mechanisiert werden sollte. Echte Wertschätzung ist etwas Feines. Aber um anzukommen, muss sie auch in feinfühliger und glaubwürdiger Weise gegeben werden. Sie kann nicht nach Rezept verabreicht werden oder als notwendiger Prozessschritt vorgeschrieben werden. Wenn sie zu sehr auf ihre Absicht durchsichtig ist, schlägt sie ins Gegenteil aus. Man kann Wertschätzung nicht in Lehrpläne oder den Chefs ins Stammbuch schreiben, nach dem Motto »Du sollst deine Mitarbeiter wertschätzen!!«. Wer das so gesagt kriegt, der wertschätzt dann eben holzhackermäßig zurück.
Jan Bleckwedel (2024): Zwei Kulturen – zwei Logiken. Kommentar zum Interview von Sebastian Baumann und Björn Enno Hermans mit Friderike Degenhardt und Hans Lieb, Kontext 2/2024, S. 172-186. In: Kontext 55 (03), S. 318-321.
abstract: Vielen Dank für dieses Interview. Es bestätigt im Wesentlichen meine Erfahrungen in der fallorientierten Supervision im Rahmen der Approbationsausbildung. Ich gehöre einer Generation an, die sich, aus Begeisterung für Familientherapie, gegen eine individuumszentrierte und pathologiefixierte Logik wandte, um eine andere Kultur und Logik zu entwickeln. Als Angestellter in Beratungsstellen (deren Beitrag zum Gesundheitssystem leider zu wenig berücksichtigt wird) hatte ich dazu alle Freiheiten und optimale Bedingungen. Für die meisten Auszubildenden ist es heute ganz anders. Sie müssen sich unter schwierigen Rahmenbedingungen von Beginn an in zwei unterschiedlichen Kulturen bewegen und mit zwei unterschiedlichen Logiken operieren, die sie beide erst noch erlernen müssen. Eine riesige Herausforderung für alle Beteiligten. Meine Beobachtung: Einigen gelingt es gut, viele fühlen sich überfordert. Überforderung ist keine gute Bedingung für Entwicklung. Erfolge (Anerkennungen) bergen Risiken und Chancen. Das Risiko (worst case): Die systemische Therapie degeneriert in der Praxis zu einer Art »TP-light« oder »VT-light« mit systemischen »Verzierungen« (Sprüche und Tools), wobei die grundlegenden Ideen auf dem Altar des Kassensystems geopfert werden. Keine guten Aussichten. Worin liegen die Chancen? Die systemische Therapie könnte die Entwicklungsherausforderungen, die durch den Erfolg auf sie zukommen, ernst nehmen und annehmen.
Nils Kühl (2024): Rezension – Klaus Obermayer (2023): Arbeitsgeschichten. Narrative Zugänge in Beratung, Coaching und Supervision. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: Kontext 55 (03), S. 322-323.
Bernadette Bruckner (2024): Rezension – Claude-Hélene Mayer & Elisabeth Vanderheiden (2024): KulturWelten. Reflektieren – Verstehen – Gestalten. Weinheim (Beltz). In: Kontext 55 (03), S. 323-324.
Evelin Voigt-Eggert (2024): Rezension – Monika Zimmermann (Hrsg.) (2024): Coaching – zum Wachstum inspirieren. Ein interdisziplinäre, integratives Handbuch. Heidelberg (Carl-Auer). In: Kontext 55 (03), S. 324-325.
Bernadette Bruckner (2024): Rezension – Claude-Hélene Mayer & Elisabeth Vanderheiden (2021): Konflikt in Worten. Kartenset mit 99 Aussagen für Psychotherapie und Beratung. Weinheim (Beltz). In: Kontext 55 (03), S. 325-326.
Elisabeth Kandziora (2024): Rezension – Heinz-Wilhelm Gößling (2023): Hypnose für Aufgeweckte – Hypnotherapie bei Schlafstörungen (3., vollst. überarb. Aufl.). Heidelberg (Carl-Auer). In: Kontext 55 (03), S. 326-327.
Bernadette Bruckner (2024): Rezension – Claude-Hélene Mayer (2023): Systemische Sternstunden – Inspirierende Impulse und Interventionen für die therapeutsich-beraterische Praxis. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: Kontext 55 (03), S. 327-328.
Cathérine Pechner (2024): Rezension – Hanna Kreuz (2023): Worte in Bildern. Ein Kartenset für Beratung, Therapie und Selbstreflexion. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: Kontext 55 (03), S. 329-329.
Laura Stach (2024): Rezension – Dirk Rohr (2023): Systemisch lehren – Lernen begleiten. Ein Lehr- und Praxisbuch für die Erwachsenenbildung. Heidelberg (Carl-Auer). In: Kontext 55 (03), S. 330-331.
Cathérine Pechner (2024): Rezension – Frederick Meseck (2022): Systemisch agil beraten. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: Kontext 55 (03), S. 331-332.
Heft 4
Barbara Kuchler, Barbara Bräutigam & Markus W. Haun (2024): Vorbemerkung in eigener Sache. In: Kontext 55 (04), S. 360-361.
abstract: der KONTEXT hat turbulente Zeiten hinter sich (und vor sich). Auf der DGSF-Mitgliederversammlung im Oktober in Köln wurde der KONTEXT heiß diskutiert, unter anderem mit Blick auf Mitwirkungsmöglichkeiten für Mitglieder, Abbildung verschiedener Interessen und Berufsgruppen, Sinn und Grenzen der Unabhängigkeit einer Zeitschrift. Wir möchten an dieser Stelle kurz über die bisher eingeleiteten Neuerungen informieren.
Tom Levold & Michael Scherf (2024): Editorial: Kasuistikheft Supervision. In: Kontext 55 (04), S. 362-363.
Sabine Bertram (2024): Wenn das Kind der Leitungskraft in der Kita betreut wird und das Team aus der Rolle fällt. In: Kontext 55 (04), S. 364-370.
abstract: Dass Kita-Mitarbeitende ihre Kinder in der eigenen Einrichtung betreuen lassen, ist in vielen Kitas gängige Praxis. Dabei können auf verschiedenen Ebenen Rollenunklarheiten entstehen, die auch in Konflikten münden und die Zusammenarbeit nachhaltig beeinträchtigen können. Ein konkreter Fall aus der supervisorischen Praxis wird in diesem Artikel beschrieben.
Ulrike Borst (2024): Eine Leitungs-Supervision mit Feigenblättern und blinden Flecken. In: Kontext 55 (04), S. 371-376.
abstract: Das Leitungs-Team einer Suchtambulanz, repräsentiert durch den Leitenden Arzt, suchte Supervision, um die Führungskompetenz seines Leitungs-Teams zu verbessern. Von Anfang an blieb unklar, welche Rolle der Chef für sich selbst sah und zu welchen Verhaltensveränderungen er bereit war. Beschrieben und interpretiert werden hier die teils gelungenen, teils fehlgeschlagenen Versuche der Supervisorin, den Führungsalltag der Beteiligten zu erleichtern und zugleich den Chef dazu zu bewegen, dem Leitungs-Team die nötigen Befugnisse zuzugestehen und so ein wenig von seiner Führungsbreite abzugeben, die immer wieder zu Engpässen in Entscheidungsprozessen führten.
Gunda Busley (2024): »Das könnte ich nicht.« Supervision in einem politisch und emotional aufgeladenen Feld. Meine Erfahrungen mit Einzel-Debriefings auf der Sea-Watch 3. In: Kontext 55 (04), S. 377-383.
abstract: In der zivilen Seenotrettung durchlaufen Crews eine intensive Vor- und Nachbereitung zu jedem Einsatz. Dazu gehören Sicherheitstrainings, Evakuierungs-, Brandschutz- und Erste-Hilfe-Übungen, nautische Manöver und psychologische Vor- und Nachgespräche, genannt »psychological briefings« und »debriefings«. Bordsprache ist Englisch. Diesen Text schreibe ich aus der Perspektive einer ehrenamtlichen Supervisorin im Supervisionspool der Nichtregierungsorganisation Sea-Watch e. V. Ich berichte von meinen Erfahrungen mit Einzelsupervision an Bord der Sea-Watch 3.
Stefan Busse (2024): Zonen supervisorischer Wirksamkeit. In: Kontext 55 (04), S. 384-391.
abstract: Der supervisorische Alltag bewegt sich in drei Zonen der Wirksamkeit. Am oberen Ende stehen die supervisorischen »Sternstunden«, in deren Mitte die unspektakulären Routinen supervisorischen Gelingens und am unteren Ende eine Zone des mehr oder weniger schleichenden Misslingens und Scheiterns. Dies wird an einem Fall beschrieben und rekonstruiert, in dem eine sich professionell gebende und agierende Organisation als Auftraggeberin und eine semiprofessionelle Mitarbeiterschaft aufeinandertreffen. Die organisationale Praxis (eines bundesweit agierenden Unternehmens im Bereich der Pflegeberatung) fordert und unterläuft den Prozess der Professionalisierung ihrer Mitarbeiter:innen (Berater:innen). Sie hat sich in einem konstitutionellen Paradoxon verfangen, weil eine einseitig managerial-funktionalisierende Orientierung die Herausbildung einer professionalisierten beraterischen Expertise als Fundament des Unternehmens konterkariert. Dieser Selbstwiderspruch ist mit Supervision nicht aufzulösen, sondern wird mit dieser eher noch vertieft. Es wird deutlich, dass supervisorische Praxis an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist, damit diese als reflexives Verfahren wirksam werden kann.
Birgit Dissertori (2024): Supervision eines Familienbetriebs. In: Kontext 55 (04), S. 392-399.
abstract: Dieser Beitrag beschreibt einen Supervisionsprozess für einen Familienbetrieb im Gastgewerbe. Der Prozess bewegt sich im Grenzbereich zwischen Supervision, Organisationsberatung und Familientherapie. Es werden die Interaktionen zwischen den Dynamiken eines Betriebs und denen einer Familien aufgezeigt. Anschaulich wird die Notwendigkeit für Supervisoren, sorgfältig auf Kontexte zu achten und kritische Kipppunkte in den beobachtbaren Mustern für Veränderungen zu nutzen.
Peter Ebel (2024): »Man sieht sie nicht« – und »sie« fehlt, wenn »sie« nicht zu hören ist. Systemische Supervision im »Vier-vier-tel-T-(Akt)« im künstlerischen Epizentrum Deutschlands. In: Kontext 55 (04), S. 400-407.
abstract: In der Kunstmetropole Berlin nimmt eine Bratschistin vor einem Vorspiel Supervision: Sie entlastet sich vom Erfolgsdruck, von Entwertungen ihrer Profession und will auch von der Mutter ihres Partners »gesehen« werden. Das Vorspiel gelingt! Sie nutzt die Botschaft eines Märchens sowie Umdeutungen: löst ihre Ambivalenz auf, lehnt einen Zeitvertrag ab, reist eventuell nach Ostfriesland und kehrt zu einem nächsten Vorspiel zurück.
Emily Engelhardt ( 2024): Text und Tiefe: Die besondere Dynamik der Fallsupervision im Chat. In: Kontext 55 ( 04), S. 408-419.
abstract: Der Artikel untersucht die Herausforderungen und Potenziale der systemischen schriftlichen Online-Supervision anhand einer Fallgeschichte. Die Corona-Pandemie beschleunigte die Umstellung auf Online-Formate und damit die digitale Transformation in der Supervision, einer Praxis, die die Autorin bereits seit 2001 verfolgt. Der Artikel beschreibt den Aufbau und die Entwicklung einer Online-Supervisionsgruppe, die sich in einem Chatraum trifft. Besondere Herausforderungen ergeben sich durch die schriftliche Kommunikation, die klare Strukturen und präzise Formulierungen erfordert. Technische und kognitive Anforderungen sowie die Notwendigkeit nonverbaler Signalisierungen werden thematisiert. Eine Feedback-Runde zeigt die Vorteile präziser und konzentrierter Beiträge im Chat auf. Abschließend wird der Ansatz der Blended Supervision vorgestellt, der die Vorteile der Textkommunikation mit den erweiterten Möglichkeiten von Präsenzsitzungen kombiniert.
Hartmut Epple (2024): Beziehung riskieren ist riskant …. In: Kontext 55 (04), S. 420-424.
abstract: Im Rahmen einer Führungskräfte-Supervision, bei der als ein wichtiges Anliegen der Kundinnen die Verbesserung der Feedback-Kultur genannt wurde, bezog der Supervisor zu einer Führungsherausforderung einer Abteilungsleiterin klar und hartnäckig Stellung. Die Irritation bei den Kundinnen war erheblich, die Arbeitsbeziehung dadurch in Frage gestellt. In der gemeinsamen Bearbeitung konnten Supervisor und Führungs-Team eine vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickeln.
Michaela Jäger & Uta-Barbara Vogel (2024): Supervision und Organisationsentwicklung im Doppelpack. In: Kontext 55 (04), S. 425-431.
abstract: Wir berichten von zwei Supervisionsprozessen in einer Kindertagesstätte einer evangelischen Kirchengemeinde, die wir eng durch eine übergreifende Gesamtreflexion miteinander verknüpft haben. Wir setzten verschiedene Interventionsformate ein und konnten durch den intensiven Austausch zwischen uns Beraterinnen dysfunktionale Muster im System erkennen und unter anderem durch Reframing konstruktiv für den Prozess nutzen. Konfliktdynamiken im System, die sich stark auf der Personenebene zeigten, konnten wir über den Reflexionsprozess für das System bearbeiten und dadurch auflösen.
Stefan Beher (2024): Rezensionsessay: Tractatus Formae Simonius. Fritz B. Simon hat eine kommentierte Ausgabe seines jüngsten Grundlagenwerks »Formen« vorgelegt. Und kommentiert diese wiederum in diversen Podcasts sowie interaktiv auf WhatsApp. In: Kontext 55 (04), S. 432-439.
abstract: Das »bio-psycho-soziale Modell« gilt heute als Standard für Erklärungen in der Psychologie. Beim näheren Hinsehen kommt aber nicht selten der Eindruck auf, es mit einer Leerformel zu tun zu haben, die gar nichts erklärt. Der Körper, das Bewusstsein, soziale Beziehungen – sie alle mögen unzweifelhaft ihren Beitrag zum Verständnis menschlichen Handelns und Erlebens leisten. Wie genau sie aber nun miteinander zusammenhängen, darauf gibt auch das »bio-psycho-soziale Modell« in der Regel keine befriedigende Antwort. Systemtheoretiker haben für derlei Fragen das Konzept der Koppelung entwickelt. Physische, psychische und soziale Systeme bilden füreinander Umwelten und regen sich in wechselseitiger Co-Evolution zur je eigenen Autopoiese an, ohne sich doch gegenseitig je in dieser zu determinieren. Die drei Systemtypen lassen sich, gerade in Abgrenzung zu anderen Systemen ähnlicher, ebenso unterschiedlicher Art, in ihren autonomen Prozessen beschreiben. Gleichwohl bleiben sie auf ihre Umwelt angewiesen. Von bestimmten Teilen der Umwelt beziehen sie wichtige Anregungen. Ohne die in sich geschlossene Welt ihrer Eigenstrukturen aufzugeben, bilden sie Mechanismen aus, die einen Informationsfluss über die eigenen Grenzen ermöglichen. Der Koppelungsmechanismus zwischen psychischen und sozialen Systemen kann in diesem Sinn im Medium der Sprache gesehen werden. Denn soziale Kommunikation nutzt Sprache ebenso wie Bewusstsein, zumindest in wesentlichen Teilen. Dass über Sprache also Koppelungsprozesse zwischen psychischen und sozialen, zwischen sozialen und psychischen Systemen möglich erscheinen – das klingt zunächst so einleuchtend wie abstrakt. Es bietet ein konzeptuelles Gerüst, sich Koppelungen vorzustellen – und geht damit konzeptionell über das hinaus, was normalerweise als »bio-psycho-soziales Modell« beschrieben wird. Aber es beantwortet im Detail ebenso noch lange nicht alle Fragen, die einen nun interessieren könnten. Was genau geschieht, wenn Koppelung geschieht, das bleibt weiterhin ein überaus unübersichtliches und schwer zu fassendes Geschehen.
Barbara Kuchler (2024): Stich-Wort: Status. In: Kontext 55 (04), S. 443-448.
abstract: Status ist kein etablierter Begriff im systemischen Denken. Es ist eher eine latente Strukturdimension des Arbeitens, es ist gerade kein Begriff, eher ein Nicht-Begriff oder ein blinder Fleck, aber gerade deshalb kann es sich lohnen, da mal hinzuschauen und darauf zu reflektieren. Im sozialen Miteinander gibt es Statusdifferenzen. Das ist schon unter sozial lebenden Tieren so, und es ist auch in menschlichen Gesellschaften so. Manche Mitglieder einer Sozialordnung stehen eher oben, andere eher unten, andere irgendwo in der Mitte der Hackordnung oder Rangordnung oder Ansehensordnung, und diese Positionen und Positionsdifferenzen sind nicht wertneutral, bei aller Neutralität, die man professionellerseits mobilisieren kann. Was das Systemikfeld angeht, lassen sich interessante Beobachtungen sowohl zum Status von Klienten als auch zum Status von Professionellen machen. Diese beiden Dimensionen werden hier nacheinander betrachtet.
Matthias Ochs (2024): Nachruf auf Joseph Rieforth. In: Kontext 55 (04), S. 449-450.
abstract: Viel zu früh ist am 29. August unser geschätzter systemischer Kollege Joseph Rieforth im Alter von 65 Jahren an den Folgen einer schweren Erkrankung verstorben. 1959 im Ruhrgebiet geboren und aufgewachsen, studierte Joseph Rieforth Psychologie in Münster, Wien und Oldenburg. Als wissenschaftlicher Leiter mehrerer Kontaktstudien im Bereich Therapie und Beratung sowie der Ausbildungsstätten und Hochschulambulanzen für Psychologische Psychotherapie und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie an der Universität Oldenburg leistete er über vier Jahrzehnte viel Aufbaubauarbeit und etablierte unterschiedliche berufsbegleitende Aus- und Weiterbildungsangebote im universitären Kontext. Ich hatte das Privileg, mit Joseph kollegial etwas enger in verschiedenen akademischen, verbandlichen sowie fach- und berufspolitischen Kontexten zusammenarbeiten zu dürfen, zuletzt im IMPP, wo wir beide als Sachverständige für die Approbationsprüfungen tätig waren und uns systemische Fragen für Prüflinge ausgedacht haben. Zwei Dinge kommen mir spontan in den Sinn, wenn ich an Joseph denke: Zum einen, natürlich, sein langer oranger Schal, den er eine ganze Zeit lang quasi »fast immer« trug, eine Art Markenzeichen, Erkennungsmerkmal von ihm – dieser gab ihm im positivsten Sinne eine eigene, individuelle sympathische Note! Zum anderen kommt mir bei Joseph die schöne Redensart in den Sinn, die wir manchmal für Zeitgenossen wählen, die wir auf eine bestimmte Art ganz besonders schätzen: Das ist ein feiner Mensch! Das war Joseph (für mich) tatsächlich mit seiner freundlichen, beziehungsachtsamen, umsichtig-klugen und zugleich so positiven Art (allein sein Lachen: Joseph konnte sozusagen wie ein seliger Buddha übers ganze Gesicht so ansteckend-einnehmend lachen).
Günter Schiepek (2024): Nachruf auf Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Haken. In: Kontext 55 (04), S. 451-453.
abstract: Am 14. August 2024 starb Hermann Haken im Alter von 97 Jahren im Kreise seiner Familie. Er war einer der bedeutendsten Physiker des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts und hat bahnbrechende Beiträge zur Lasertheorie, Festkörperphysik, Theorie der Ungleichgewichts-Phasenübergänge in unterschiedlichen Medien sowie der Selbstorganisations- und Komplexitätstheorie geleistet. Hermann Haken wurde am 12. Juli 1927 in Leipzig geboren und studierte Mathematik und Physik in Halle-Wittenberg und Erlangen. 1961 wurde er auf den Lehrstuhl für Theoretische Physik an der Technischen Hochschule, später Universität Stuttgart berufen, wo er bis zu seiner Emeritierung 1995 forschte und lehrte. Neben seinen Leistungen in der Forschung war Prof. Haken auch als Lehrender und Vortragender geschätzt und beliebt. Er betreute zahlreiche Doktoranden, von denen viele heute selbst berühmte Professoren und Institutsdirektoren sind. (Wer sich für den Entwicklungsweg der Synergetik interessiert, der sei auf das Buch von B. Kröger (2013) verwiesen: Hermann Haken und die Anfangsjahre der Synergetik. Berlin: Logos-Verlag).