Heft 1
Helm Stierlin & Josef Duss-von Werdt (1981): Zu diesem Heft: Familienpsychosomatik. In: Familiendynamik 6(1), S. 1-1:
Michael Wirsching, Helm Stierlin, Gunthard Weber & Barbara Wirsching (1981): Familientherapie bei Krebsleiden. In: Familiendynamik 6(1), S. 2–23
abstract: Die Arbeit berichtet über Erfahrungen, die in den vergangenen Jahren bei der Behandlung von Krebspatienten und ihren Familien gewonnen wurden. Die Autoren ließen sich zunächst von dem Modell „Heilung durch Begegnung“ leiten, gingen jedoch später zu einem mehr strategischen Ansatz (mit z. T. paradoxen Interventionen) über. Klinische Aspekte illustrieren und begründen diesen Wechsel. Typische Regeln der Interaktion, Mythen und Beziehungsmuster werden bei diesen Familien auf gezeigt. Den beschriebenen therapeutischen Versuchen liegt die Arbeitshypothese zugrunde, daß zunächst bei einem Teil der Krebsfälle, ähnlich wie bei anderen psychosomatischen Erkrankungen, die psychologische und insbesondere die Familiensituation den Krankheitsverlauf mitbeeinflußt. Diese Arbeitshypothese ist bislang nicht bewiesen. Der vorliegende Erfahrungsbericht soll vor allem denen, die in ähnlicher Richtung arbeiten, Anregungen und Vergleiche liefern.
Cloë Madanes, Joyce Dukes & Henry T. Harbin (1981): Familiäre Bindungen von Heroinsüchtigen. In: Familiendynamik 6(1), S. 24–43
abstract: Familien von schwarzen männlichen Heroinsüchtigen mit niedrigem sozio-ökonomischem Status wurden mit Familien von Schizophrenen und solchen, deren Nachkommen es besonders weit gebracht hatten, verglichen. Es galt die Hypothese zu überprüfen, daß Heroinsüchtige mit ihren Eltern oder elterlichen Bezugspersonen in Umkehrungen der hierarchischen Ordnung der Familie und in Koalitionen zwischen den Generationen verschränkt seien, was klinisch das Fortdauern des Suchtverhaltens in Gang zu halten scheint. Die Familienmitglieder hatten Darstellungen hierarchischer Beziehungen zu wählen, die denen in ihrer Familie entsprachen, um damit die Nähe beziehungsweise Distanz untereinander anzugeben. Zwischen den drei Gruppen gab es signifikante Unterschiede. In den Familien der Heroinsüchtigen wurden die Darstellungen am häufigsten gewählt, bei denen die Nachkommen mit der Elterngeneration hierarchisch auf gleicher Stufe oder höher standen und wo Nähe zwischen zwei Familienmitgliedern nicht der gleichen Generation dargestellt war. Die Familien der Nachkommen mit besonderen Leistungen erreichten bei diesen Darstellungen die geringste Punktzahl, während die Familien der Schizophrenen in der Mitte lagen. Die Ergebnisse erhärteten klinische Beobachtungen über Familien von Heroinsüchtigen und bieten Anhaltspunkte für eine therapeutische Strategie zur Lösung des Problems.
Yveline Rey, Jean-Pierre Martinez, Francès Meiring & Pierre Burille (1981): Ein therapeutisches Ritual: Vom „Familiengeheimnis“ zu den nicht gemeinsam geteilten Geheimnissen. In: Familiendynamik 6(1), S. 44–58
abstract: In diesem Aufsatz wird ein besonderer Aspekt homöostatischer Mechanismen behandelt, nämlich „das unechte Familiengeheimnis“. Es wird dargestellt anhand einer Kurztherapie mit einem suizidalen Jugendlichen als Indexpatienten. Die „unechten Geheimnisse“ dienen hier einem Verschmelzungsmythos, welcher den individuellen Spielraum des einzelnen Familienmitgliedes hinsichtlich der ihm zugeschriebenen Rollen und Funktionen völlig in Beschlag nimmt. Es wurde ein Ritual, welches sich ganz der Familienethik anpaßte, mit dem Ziel verschrieben, die individuellen Unterschiede so deutlich wie nur möglich zu machen. Das ermöglichte eine Neuorientierung der Beziehungsregeln innerhalb der Familie und ihrer Mythologie.
Andreas Wille (1981): Psychosomatische Krankheiten bei Kindern: ein familientherapeutischer Ansatz. In: Familiendynamik 6(1), S. 59–69
abstract: Es wird der Behandlungsverlauf einer fünf Sitzungen umfassenden Familientherapie mit strukturellem Vorgehen beschrieben. Der Indexpatient, ein 9jähriger Knabe, litt an schweren Atemstörungen. Basierend auf dem Konzept der primären Liebe wird eine Grundlage geschaffen, um die Symptome des Patienten positiv zu verstehen, zu deuten und zu verschreiben. Dies hilft der Familie, die maligne Verklammerung zwischen den Mitgliedern der Familie zu lösen und ermöglicht damit den Weg zur Veränderung und zu neuem Wachstum.
Tedy Hubschmid, Marie-Luise Matter & Hannes Spillmann (1981): Drei Jahre Projektgruppe strukturelle Familientherapie. In: Familiendynamik 6(1), S. 70–83
abstract: Wir stellen mit dieser Arbeit unser seit drei Jahren bestehendes Therapeutenteam vor. Wir beschreiben unser Therapiekonzept und unseren persönlichen Stil als Therapeuten. Ferner versuchen wir, unsere praktischen Erfahrungen zusammenzufassen und zu diskutieren.
Helmut H. Ockel (1981): Probleme der Integration familientherapeutischer Konzepte mit dem psychoanalytischen Modell innerhalb der Ausbildung zum analytischen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. In: Familiendynamik 6(1), S. 84–100
abstract: Ausgangspunkt der Ausführungen sind die Fragen: ob, in welchem Ausmaß und auf welche Weise die Vermittlung familientherapeutischer Konzepte in die Ausbildung zum analytischen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten einbezogen werden kann. Für den Lehrenden und Lernenden ergeben sich Schwierigkeiten aus der Gleichzeitigkeit von Individual- und Systemsicht, die eine Integration beider Modelle erschweren. Am Beispiel einiger Bereiche: Widerstandsbeurteilung, Gesprächsführung bei Diagnostik und begleitender Psychotherapie und Berücksichtigung der Übertragung werden die Integrationsprobleme beider Sichtweisen für den Ausbildungsgang diskutiert.
Heft 2
Helm Stierlin & Josef Duss-von Werdt (1981): Zu diesem Heft: Denkmodelle der Familientherapie. In: Familiendynamik 6(2), S. 103-103
Paul F. Dell & Harold A. Goolishian (1981): Ordnung durch Fluktuation: Eine evolutionäre Epistemologie für menschliche Systeme. In: Familiendynamik 6(2), S. 104–122
abstract: Die Hauptschwäche der Systemtheorie ist bis zum heutigen Tag ihre Verknüpfung mit einem Strukturalen Modell, das negatives Feedback und statische oder balancierte Gleichgewichtszustände betont. In den letzten Jahren allerdings haben einige Theoretiker begonnen, einen alternativen Gesichtspunkt aufzuzeigen, der ein neues vereinheitlichendes Prinzip für die allgemeine Systemtheorie anbietet. Der Aufsatz beschäftigt sich deshalb mit der Reflexion darüber, wie durch Fluktuation Ordnung entsteht. Diese Sicht betont Prozesse mehr als Strukturen, Flexibilität und Veränderung mehr als Stabilität.
Mara Selvini Palazzoli, Luigi Boscolo, Gianfranco Cecchin & Giuliana Prata (1981): Hypothetisieren – Zirkularität – Neutralität: Drei Richtlinien für den Leiter der Sitzung. In: Familiendynamik 6(2), S. 123–139
abstract: Im vorliegenden Artikel werden die Resultate unserer Forschung zusammengefaßt, die sich auf die Identifikation und Erarbeitung von Grundregeln und Methoden konzentrierte, welche sich für das Familieninterview als außerordentlich produktiv erwiesen haben. Unter der Überschrift „Hypothetisieren — Zirkularität — Neutralität“ haben wir diese Regeln einander angenähert und geben im folgenden begriffliche Definitionen, Beschreibungen und praktische Anwendungsbeispiele. Zweck unserer Forschung war es, den Therapeuten darin zu unterstützen, die Familie so zu stimulieren, daß sie ihm nützliche Informationen liefert, auf die er die Wahl seiner therapeutischen Intervention abstützen kann.
Gottlieb Guntern (1981): Streß und Bewältigungsmechanismen in menschlichen Systemen. In: Familiendynamik 6(2), S. 140–147
abstract: Diese Arbeit befaßt sich mit der Anwendung des Streßkonzeptes auf die Beschreibung und Erklärung von gewissen Transaktionsprozessen in Humansystemen. Unter »Streß« versteht man ein Begriffssystem, das eine spezielle Art organismischer Reaktionen auf bestimmte Reize beschreibt. Konzepte für Elemente sind keine für Klassen. Deshalb muß das Streßkonzept solcherart neu definiert werden, damit es geeignet ist, die Reaktionen einer Klasse von Individuen (z. B. einer Familie) auf Reize zu beschreiben, die Stressoren genannt werden. Wenn das Streßkonzept nicht für die Beschreibung von Humansystemen umdefiniert wird, ergeben sich unweigerlich Begriffsverwirrungen und Schwierigkeiten auf praktisch-therapeutischem Gebiet.
Piero de Giacomo, A. Silvestri, L. Corfiati, E. Lefons, M.T. Pazienza & F. Tangorra (1981): Versuch einer interaktiven `logischen‘ Therapie – ein logisches Modell für Therapie und Bewertung der Veränderung. In: Familiendynamik 6(2), S. 148–157
abstract: Unter der Annahme, daß jede Situation, in der zwei Menschen sich treffen, d. h. miteinander in eine Beziehung treten, einen elementaren binären Prozeß darstellt, wird ein theoretisches Modell eingeführt, das diese Situation auf logisch-mathematische Weise erklärt. Zur Untermauerung der Gültigkeit dieses Modells wird der SISCI-1 Test vorgestellt.
Klaus G. Deissler (1981): Anmerkungen zur ökosystemischen Sichtweise der Psychotherapie. In: Familiendynamik 6(2), S. 158–175
abstract: Bei der lockeren Betrachtung, der intensiven Erforschung und damit der aktiven Teilnahme an psychischen Prozessen geht es vordringlich um das Verhältnis „Individuum — natürliche Gruppe“. Die Fragen, die sich um dieses Problem zentrieren, wurden bisher in ihrer Grundsätzlichkeit nur unzureichend diskutiert und geklärt. Diese unzureichende Klärung manifestiert sich u. a. in der Auseinandersetzung um zwei Fragen, die sich wie folgt prägnant-vereinfacht gegenüberstellen lassen: a) Welche Psychotherapeuten denken analytisch, d. h. psychische Prozesse in ihrer Ganzheit in bestimmte intrapsychische Ursächlichkeiten „aufgliedernd“? b) Welche Psychotherapeuten denken systemisch, d. h. psychische Prozesse in ihrer Ganzheit auf vielfältige kontextuelle Zusammenhänge „ausdehnend“? Im folgenden Aufsatz wird anhand der Erläuterung einiger wichtiger Grundbegriffe zu zeigen versucht, daß die ökosystemische Sichtweise der Psychotherapie den Prämissen der logotypischen Ordnung implikativer Prozeßebenen gemäß in der Lage ist, individualpsychologische Prozesse als integrative Bestandteile systemischer Prozesse zu definieren. — Darüber hinaus wird eine Möglichkeit der Erforschung systemischer Prozesse entworfen.
Ivan Boszormenyi-Nagy (1981): Kontextuelle Therapie: Therapeutische Strategien zur Schaffung von Vertrauen. In: Familiendynamik 6(2), S. 176–195
abstract: Die kontextuelle Therapie ist in ihren wesentlichen Zügen ethisch begründet. Die Gültigkeit der diesem Konzept zugrundeliegenden Annahmen erweist sich sowohl in den Erfolgen der familientherapeutischen Praxis, als auch wenn man sich die schwierigen Lebensbedingungen vor Augen führt, die für Familien heutzutage bestehen — in einer Gesellschaft, in der sich in vielen Bereichen ein Abbau des gegenseitigen Vertrauens vollzieht. Die Familientherapie entwickelte sich aus dem Bestreben, die Begrenzungen der traditionellen Psychotherapie zu überwinden. Man suchte nicht nur nach neuen Techniken, sondern strebte auch eine Integration mehrerer Wissensgebiete an. In den Anfängen der Familientherapie stand man vor der Frage, ob Psychotherapie zu einer Wissenschaft werden könne, die Verhaltensstörungen als simultan von vielen Faktoren verursacht betrachtet. Zu diesen kausalen Faktoren zählte man u. a.: instinkthafte Antriebe; das Erleben in der Kindheit; die tragische Erfahrung des Todes und anderer Grenzen; das Bedürfnis nach Kontakt mit anderen Menschen und die Verantwortung für sie; die Fähigkeit, realistische Lebenspläne zu entwickeln; das Bild, das man sich von der Welt macht sowie der Wunsch nach Kindern. Außerdem brachte die noch junge Familientherapie das Problem zur Sprache, ob und wie Psychotherapie ihre Aufgabe überhaupt erfüllen kann. Und sie warf die Frage auf, ob Psychotherapie nur für die Beseitigung von Symptomen bei einem Patienten (wie Psychosen, Neurosen, Depressionen oder Schulängste) zuständig sein sollte, oder ob sie nicht vielmehr als multidisziplinäre, mehr als eine Person umfassende Möglichkeit der Behandlung und Prävention verstanden werden sollte. So könnte z. B. in den Psychotherapien das Wissen über intrapsychische Vorgänge und über Entwicklung im Kindesalter mit verhaltenstheoretischen Kenntnissen kombiniert werden.
Sophie Freud-Loewenstein (1981): Rezension – Marianne Krüll: Freud und sein Vater. Die Entstehung der Psychoanalyse und Freuds ungelöste Vaterbindung. In: Familiendynamik 6(2), S. 196-204
Heft 3
Helm Stierlin & Josef Duss-von Werdt (1981): Zu diesem Heft: Beiträge zur Paar- und Familientherapie. In: Familiendynamik 6(3), S. 207-207
Cloë Madanes (1981): Beschützen, Paradox und So-tun-als-ob. In: Familiendynamik 6(3), S. 208–224
abstract: Dieser Artikel vertritt die Auffassung, daß eine Psychopathologie bei Kindern Folge eines Widerspruchs in der hierarchischen Organisation der Familie sein kann. In ihrer Eigenschaft als Eltern stehen die Eltern in einer höheren Position als das Kind, trotzdem nimmt das Problemkind eine höhere Stellung ein als sie, weil es sie durch ein Symptomverhalten schützt, das häufig in metaphorischer Weise die Schwierigkeiten der Eltern zum Ausdruck bringt. In diesem Artikel werden drei paradoxe Strategien vorgeschlagen, durch die erreicht werden soll, daß die Eltern das auftretende Problem des Kindes lösen und den Widerspruch in der Familienhierarchie beseitigen. Charakteristisch für die hier beschriebenen Techniken ist die Anwendung von Kommunikationsweisen, die Kindern adäquat sind, wie Dramatisierung, So-tun-als-ob und Spielen.
Linda Harris (1981): Analyse einer paradoxen Logik – eine Fallstudie. In: Familiendynamik 6(3), S. 225–247
abstract: Diese Fallstudie eines normalen, „glücklich“ verheirateten Paares wurde unternommen, um den Zusammenhang zwischen der „Logik“ und der Kommunikationsweise dieses Paares zu erforschen. Als Basis hierfür dienten zwei Kommunikationstheorien, nämlich die „Interactional view“ und das „Coordinated management of meaning“ (CMM). Ein dreiphasiges Verfahren, bestehend aus Interviews, Selbstdarstellungen und Rollenspiel sollte Aufschluß geben über die konstitutiven und regulativen Leitsätze des Paares. Die Entdeckung paradoxer Leitsätze erlaubt gewisse Hypothesen in bezug auf ein zirkuläres Verhältnis zwischen der Gestalt („Logik“) einer sozialen Beziehung und dem Kommunikationsstil der Partner. Insbesondere enthüllte die Analyse paradoxe Leitsätze im Hintergrund, die bewirken, daß bestimmte eingeschränkte Episoden das Paar daran hindern, seinen Konflikt zu beseitigen.
Jürg Willi (1981): Therapie von Sexualstörungen – Paartherapie oder Sexualtherapie? In: Familiendynamik 6(3), S. 248–259
abstract: Die Übungen der Sexualtherapie decken sich in ihren psychodynamischen Zielsetzungen mit jenen einer Paartherapie nach dem Kollusionskonzept. Ein partnerschaftliches Sexualleben ist in der Regel nicht vereinbar mit einer rigiden Polarisierung des Paares in einen progressiv-überverantwortlichen Partner und einen regressiv-passiv-fordernden Partner. Sie ist aber auch nicht vereinbar mit einer Störung der dyadischen Selbstwertbalance oder einer Störung der inneren und äußeren Abgrenzung. Die Sexualtherapie übt konkret ein, daß Partner sich als zwei voneinander getrennte, in ihren Bedürfnissen verschiedene Menschen wahrnehmen und akzeptieren, als zwei Menschen, die gleichwertig für das Sexualleben Verantwortung übernehmen und sich als Liebespaar den Kindern und den eigenen Eltern gegenüber klar definieren.
Leonore Kottje-Birnbacher (1981): Paartherapie mit dem katathymen Bilderleben – eine Falldarstellung. In: Familiendynamik 6(3), S. 260–274
abstract: Nach einer kurzen Erläuterung des therapeutischen Ansatzes, der auf dem Kollusionskonzept von J. Willi (1975) basiert und das katathyme Bilderleben von Leuner (1970) als Hilfsmittel für die Bearbeitung der Beziehungsdynamik einsetzt, wird der Behandlungsverlauf einer 11 Sitzungen umfassenden Paartherapie beschrieben. Die Lockerung der in einer anal-sadistischen Kollusion fixierten Beziehungsstruktur war die Hauptaufgabe der Paartherapie, den akuten Anlaß boten psychosomatische Beschwerden der Frau. Die Konflikte und Abwehrstrukturen konnten in den gemeinsamen Imaginationen erlebt und stufenweise bearbeitet werden. Die Katamnese beträgt zwei Jahre.
Inge-Maria Haland-Wirth & Hans-Jürgen Wirth (1981): Über die familientherapeutische Behandlung eines 13jährigen asthmakranken Jungen und seiner Familie. In: Familiendynamik 6(3), S. 275–296
abstract: In einer ausführlichen Fallstudie schildern die Autoren den Verlauf einer in Ko-Therapie durchgeführten familientherapeutischen Behandlung von 10 Sitzungen. Designierter Patient ist ein 13jähriger asthmakranker Junge. Auch die 5 anderen, erwachsenen Familienmitglieder leiden unter zum Teil schweren (psychosomatischen) Krankheiten (Diabetes, Übergewicht, Schlaganfall). Im ersten Teil wird der Therapieverlauf dokumentiert und Probleme der Behandlungstechnik erörtert. Im zweiten Teil diskutieren die Autoren theoretische Aspekte der Familienpsychosomatik und der psychosozialen bzw. institutionalisierten Abwehr. In vier anschließenden Diskussionsbeiträgen kommentieren Michael Wirsching, Claus Buddeberg, Thomas Hess und Luc Kaufmann den Fallbericht unter unterschiedlichen Gesichtspunkten.
Michael Wirsching (1981): Krankheit oder Konflikt? In: Familiendynamik 6(3), S. 297–299
Claus Buddeberg (1981): Kollusion von Untergruppen. In: Familiendynamik 6(3), S. 299–301
Thomas Hess (1981): Das doppelbödige Spiel mitspielen. In: Familiendynamik 6(3), S. 301–304
Luc Kaufmann (1981): Familienzyklus und -krise. In: Familiendynamik 6(3), S. 304–306
Heft 4
Helm Stierlin & Josef Duss-von Werdt (1981): Zu diesem Heft: Schizophrenie und Familie. In: Familiendynamik 6(4), S. 309-309
Paul F. Dell (1981): Untersuchung der Familientheorien zur Schizophrenie: eine Übung in epistemologischer Konfusion. In: Familiendynamik 6(4), S. 310–332
abstract: Zunächst werden die verschiedenen Theorien und Forschungsansätze bezüglich der Schizophrenie dargestellt. Sie sind durch eine epistemologische Konfusion gekennzeichnet, weil sie individuelle und interaktionelle Betrachtungsweisen stets miteinander vermischen und aus den Versuchen, Schizophrenie kausal-linear zu erklären, nicht herauskommen. Auch familientheoretische, systemorientierte Arbeiten, besonders von Wynne und Singer, wurden dahingehend mißverstanden. Demgegenüber wird hier Schizophrenie als etwas dargestellt, das in einen Interaktionsprozeß zwischen Familie, Rechtssystem und Psychiatrie verwickelt ist, der in Verwirrung, Hospitalisierung, Stigmatisierung und Unmündigerklären eines Individuums (des „Schizophrenen“) gipfelt. Diese Sicht ist Folge einer konsequenten systemischen Epistemologie.
Lyman C. Wynne (1981): Die Familien Schizophrener. In: Familiendynamik 6(4), S. 333–351
abstract: Die Störung der zwischenmenschlichen Beziehungen in Familien mit schizophrenen Mitgliedern ist traditionell als typisch für solche Familien angesehen worden. Sie steht daher seit langem im Blickfeld des Interesses, sowohl hinsichtlich ihres eigentlichen Wesens, wie ihrer Entstehung, der Rolle, die sie in der Aetiologie spielt und ihrer chronisierenden Wirkung bei Patienten mit wiederkehrenden oder permanenten psychotischen Zuständen. In der vorliegenden Betrachtung wird die Meinung vertreten, daß diese Störungen sich nicht nur in Familien mit schizophrenen Patienten finden lassen, sondern daß sie dort bloß in ihrer extremsten und ausgeprägtesten Form vorhanden sind, ansonsten aber das Beziehungssystem aller Familien mitgestalten. Die in Familien von Schizophrenen klarer zu Tage tretenden distanzerhaltenden Manipulationen, die Störungen der innerfamiliären Grenzen und die abweichenden Kommunikationsmuster werden auf alle Familien extrapoliert und lassen sich so als signifikante Variablen in der klinischen Arbeit mit Familien verwenden. Dabei wird der Weg aufgezeigt, der zur systemischen Sicht der dynamischen Prozesse in Familien mit Schizophrenen geführt hat.
Odette Masson & Daniel Masson (1981): Familientherapie bei Kinder- und Adoleszentenpsychosen. In: Familiendynamik 6(4), S. 352–365
abstract: Die Familientherapie nimmt als Behandlungsform in der Kinder- und Jugendpsychiatrie besonders im Falle von psychotischen Störungen an Bedeutung zu. Dabei sind zwei Gruppen von Familien mit psychotischen Interaktionen festzustellen: solche, in denen die dysfunktionale Situation phasenweise, in bestimmten Momenten der familiären Entwicklung auftritt und solche, in denen sie eine chronische Lebensform darstellt. Bei der ersten Gruppe kommt die Therapie eher einer Krisenintervention mit relativ rascher Wirkung gleich, während die Behandlung der zweiten Gruppe sich über eine lange Zeit erstreckt und Änderungen des familiären Interaktionsmusters sich nur sehr zäh erwirken lassen. Beispielhaft für diese beiden Gruppen wird der Verlauf von zwei entsprechenden Familientherapien geschildert.
Tedy Hubschmid (1981): Psychiatrisches Denken – Systemisches Denken. In: Familiendynamik 6(4), S. 366-378
abstract: In der Psychiatrie bestehen heute verschiedene Theorien über das „Wesen“ der Schizophrenie, und jede dieser Theorien prägt auf ihre Weise das Geschehen in den psychiatrischen Institutionen. Der Autor weist vom Standpunkt des Familientherapeuten aus auf einige kritische Punkte hin, die sich aus dem Vorgehen nach dem medizinisch-somatischen, dem psychoanalytischen und dem familiär-reduktionistischen Modell ergeben. Anschließend wird anhand von Beispielen aus einer sozialpsychiatrischen Klinik ein mögliches Vorgehen nach einem systemischen Modell dargestellt.