Heute würde Carl Whitaker 100 Jahre alt. Unter den Pionieren der Familientherapie gehört er bestimmt zu den Außergewöhnlichsten. Sein Konzept der symbolisch-erfahrungsbezogenen Familientherapie, das er gemeinsam mit August Napier entwickelte, konzentrierte sich auf das Erleben und den Gefühlsausdruck der einzelnen Familienmitglieder. Die Anhänger dieses Ansatzes „erklären pathologische Prozesse durch negative Erfahrungen und Kommunikationsstörungen der Klienten. In der meist kurz- bis mittelfristigen wachstumsorientierten Behandlung sollen diese neue Erfahrungen mit sich selbst und anderen machen, die eigene Person und die Individualität ihrer Angehörigen akzeptieren sowie spontaner und autonomer werden. Die Therapeuten teilen ihre eigenen Gefühle und Erlebnisse mit, verhalten sich natürlich und wirken als Vorbilder. Daneben arbeiten sie auch mit Bewusstmachung und Feedback, schulen kommunikative Fertigkeiten und verwenden erlebnisbezogene Techniken wie Psychodrama und Familienskulptur. Therapieauswertungen sind selten und meist subjektiv“ (M. Textor, Integrative Familientherapie, 1985).
Whitaker bezeichnete seine Arbeit als „Therapie des Absurden“ und hob damit die unkonventionelle und spielerische Weise hervor, mit der er Familien aus der Reserve lockte. Da er sich fast ausschließlich auf die emotionale und nicht auf die kognitive Logik bezog, wurde seine Arbeit oft als „Unsinn“ missverstanden. Anstatt wie strategisch-systemische Therapeuten in Verhaltensabläufe einzugreifen, konzentrierte sich Whitaker auf den emotionalen Prozess und die Familienstruktur. Er intervenierte direkt auf der emotionalen Ebene des Systems und stützte sich dabei stark auf „Symbolik“ und reale Lebenserfahrungen sowie auf Humor, Spiel und affektive Konfrontation.
Ein Beitrag von Geoffrey L. Smith aus dem Jahre 1998, der in der Contemporary Family Therapy erschien, versucht die Frage zu klären, welche Zukunft der Ansatz von Whitaker nach seinem Tod haben könnte. Im abstract von The Present State and Future of Symbolic-Experiential Family Therapy: A Post-Modern Analysis heißt es: „Die symbolisch-erfahrungsorientierte Familientherapie (SEFT) steht vor einer wichtigen Phase ihrer Entwicklung. Nach dem Tod von Carl Whitaker ist nicht sicher, in welche Richtung sich die SEFT bewegen wird. In diesem Beitrag werden einige der Herausforderungen beschrieben, vor denen die SEFT derzeit steht, und was getan werden kann, um sie zu überwinden. Es wird vorgeschlagen, dass sich SEFT-Theoretiker und -Therapeuten auf die postmodernen Komponenten der Theorie konzentrieren. Indem sie sich in eine postmoderne, konstruktivistische Richtung bewegen, wird sich SEFT mit einem aktuellen Trend in der Familientherapie weiterentwickeln, so dass SEFT als ein wichtiges Familientherapiemodell fortbestehen kann.
Der vollständige Text kann hier gelesen werden…
Tja, lieber Stefan, wo du recht hast, hast du recht. Solche Einträge sollte man nicht nachts tätigen. Gottlob liegt der Fehler auf der Hand und ich freue mich über deine Aufmerksamkeit 🙂
Da leg ich gern eine runde Geburtstags-Gedenkminute ein – aber vermutlich eher zum 110. als zum 100. Geburtstag dieser Tage….