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Online-Journal für systemische Entwicklungen

An ecology of mind

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Auch wenn ich mich in meinem Studium schon intensiv mit Niklas Luhmann – wenngleich immer aus einer bewussten Distanz heraus – beschäftigt hatte, fand meine Initiation in das systemische Denken eigentlich erst später, nämlich 1980 statt: in der Begegnung mit dem Werk von Gregory Bateson. Zwar hatte ich auch schon vorher im Studium den Artikel »Auf dem Weg zu einer Schizophrenie-Theorie«  gelesen, den er gemeinsam mit Don Jackson, Jay Haley und John Weakland verfasst hatte, und der schon 1969 im von Habermas, Henrich und Luhmann bei Suhrkamp herausgegebenen Reader »Schizophrenie und Familie« erschienen war. Verstanden, was da in Palo Alto vor sich ging und welche Bedeutung die Arbeiten der Gruppe um Gregory Bateson in der Zukunft haben würde, hatte ich damals kaum. Familie war mir generell suspekt, was ich durch die Lektüre von David Coopers „Tod der Familie“ und den familienkritischen Aufsätzen von Ronald D. Laing bestätigt fand. Auch das Buch „Eltern, Kind und Neurose“ des am vergangenen Montag verstorbenen Horst-Eberhard Richter, das ich als Schüler verschlungen hatte, lief für mich darauf hinaus, dass die Familie die Wurzel allen Übels ist. Familientherapie hatte da schon etwas anrüchiges für mich, dem der Spruch „macht kaputt, was Euch kaputt macht“ plausibler vorkam.
Doch nun, 1980, war ich irgendwie, mehr durch Zufall als durch bewusste Wahl, in familientherapeutischen Kreisen gelandet und identifizierte mich überraschend schnell damit. Ich las also alles an Büchern und Zeitschriften, was mir damals unter die Finger kam – eine im Vergleich zu heute überschaubare Literaturliste. Der Name Bateson tauchte immer mal wieder auf, allerdings lagen bis dahin nur wenige deutsche Übersetzung seiner wichtigsten Arbeiten vor. „Die Ökologie des Geistes“ erschien dann – lange erwartet – in einer Übersetzung des Philosophen und Übersetzers Hans-Günter Holl im Suhrkamp-Verlag 1980 in einer sehr schönen – und teuren – Ausgabe, die mich in einen wahren Leserausch versetzte. Plötzlich verstand ich die Bedeutung des Wortes Epistemologie auf neue Weise, begriff das Konzept, in Mustern und Unterschieden zu denken, sah meine Welt auf einmal mit anderen Augen. Nichts anderes geschah hier als ein Initiationserlebnis, das bis heute seine Strahlkraft für mich erhalten hat (im Kontext habe ich dieses Buch später dann in der Rubrik „Klassiker wiedergelesen“ besprochen).
Im Sommer schloss sich für mich ein Bogen, als ich eingeladen wurde, auf der Deutschland-Premiere des Films „An Ecology of Mind“ von Nora Bateson, mit der Filmemacherin über ihren Vater Gregory Bateson und seine Bedeutung für die Gegenwart zu sprechen. Die Erscheinung Batesons, seine Austrahlung, Gelassenheit und sein Humor, bringen im Film wunderbar zum Ausdruck, was auch die Lektüre seiner Bücher spüren lässt: eine Begegnung, die einen Unterschied macht. Sie wissen schon…

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