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Rechte Wörter – von Abendland bis Zigeunerschnitzel

| 13 Kommentare

Andreas Graf von Bernstorff ist freiberuflicher Berater für Campaigning und Strategische Kommunikation, war Lehrer, Journalist, Wahlkämpfer, Landtagsabgeordneter und Politikberater. Im Carl-Auer-Verlag hat er ein Buch veröffentlicht, in dem er sich mit Schlüsselwörtern der deutschen Rechten auseinandersetzt. Tanja Kuhnert hat es für systemagazin gelesen und rezensiert.

Tanja Kuhnert, Köln:

Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“ (Ludwig Wittgenstein)

Der systemische Theoriediskus erörtert seit seinen Anfängen immer wieder die Beschreibung von Wirklichkeiten und die Bedeutung von Wörtern und Sprache dabei (siehe hierzu verschiedenen Veröffentlichungen von Gregory Bateson, Heinz v. Foerster, Ernst von Glaserfeld, Fritz Simon und anderen). Deswegen erscheint es mir konsequent, dass ein systemischer Verlages auch Raum schafft, die Wirkung politischer Sprache zu reflektieren. Schon in 2008 veröffentlichte der Carl-Auer-Verlag das Buch „Auf leisen Sohlen ins Gehirn“ (George Lakoff & Elisabeth Wehling). Im Jahr 2018 legte Fritz B. Simon im gleichen Verlag das Buch „Anleitung zum Populismus oder Ergreifen Sie die Macht!“ vor. Nun publiziert der Verlag eine dezidierte Auseinandersetzung mit rechter Sprache bzw. „rechten Wörtern“: 

„Die rechte Szene hat ihre ganz eigene Sprache und Sprechweise entwickelt, zum Teil mit neuen Wortgebilden, die im Alltag und in der Sprache der etablierten Medien nicht gebräuchlich sind. Andere, geläufige Wörer haben in dieser – rechten – Welt eine eigene Bedeutung(szuweisung erhalten)“ 
(S. 9).

Tatsächlich habe ich neugierig auf dieses Buch gewartet. Nun ist es Anfang April erschienen und mir ist es gelungen, eines der ersten Exemplare zu ergattern. Hiermit möchte ich allen dieses Buch sehr ans Herz legen!

Es ist ein gut lesbares Buch. Es geht trotz politischer schwerer Kost leicht von der Hand. Die Sprache ist so gehalten, dass viele Menschen einen Zugang dazu finden können, ohne sich in akademische Sphären begeben zu müssen. Das finde ich gerade für dieses Thema sehr angebracht, damit es nicht im theoretischen Diskurs verbleibt, sondern eine weite Verbreitung finden kann. Es wendet sich an alle Menschen, die besser verstehen wollen oder sollten, wie die rechte Szene Wörter und Sprache (be-)nutzt, um ihr politisches Programm, ihre Ideologie (subversiv) in die Welt zu bringen.

Andreas Graf von Bernstorff ist mit diesem Band ein sehr informativer und anregender Einblick in die Welt der „Rechten Sprache“ gelungen. Er hat zahlreiche Wörter aufgegriffen, die in rechten Milieus, aber zunehmend auch in der allgemeinen Öffentlichkeit genutzt werden und zum Teil in die Alltagsprache Eingang gefunden haben. Er zeigt darüber hinaus, wie vermeintlich „harmlose“ und gängige Worte wie Abendland, GEZ, USA, Zigeunerschnitzel im Kontext rechter Ideologie eine neue Bedeutung erfahren und dadurch neue Wirkung erzielen. Wörter, die offensichtlicher als rechts einordenbar sind, wie Asylterror, Asyltourismus, Entvölkerung, Überfremdung, Volkstod, Volksverräter, werden in ihrem ideologischen Zusammenhang untersucht.

Die Lektüre hat in mir zunehmend ein mulmiges Gefühl entstehen lassen. Mit jeder Wortanalyse wurde mir klarer, welche Bedeutung es hat, wenn diese Worte kreiert, aufgegriffen und (um-)genutzt werden. Beim Lesen gewinnt man ein umfassendes Bild rechter Ideologie. Beeindruckend ist die genaue Recherche Bernstorffs, alle Zitate und Ausführungen sind mit Quellen belegt. Akribisch stellt er Dokumente, Artikel und weiterführende Literatur dar. Dabei wird deutlich, dass auch wenige Quellen und ProtagonistInnen ausreichen, um die Verbreitung und Wirkung rechterWörter sehr weit in unsere gesellschaftliche Kultur hinein zu gewährleisten.

Mit den Darstellungen von 78 Begriffen auf 170 Seiten ist ein Lexikon entstanden, in dem man immer wieder nachschlagen kann, wenn in den Medien oder auch im Gespräch mit FreundInnen oder KollegInnen Wörterauftauchen, mit denen vielleicht indirekt oder direkt rassistische, homophobe, diskriminierende Gedanken und Ideen verbreitet werden sollen. Die dezidierte Analyse der verschiedenen Wörter kann bei diesen Gesprächen sicherlich gut als Argumentationshilfe dienen. 

Am Ende gibt Bernstorff einen Einblick in die „[i]nterne Sprachregelung der AfD“ (S.161 ff.). Hier stellt er mit Quellenverweisen die Entwicklung und Inhalte einer parteiinternen Empfehlung zum Sprachgebrauch dar. Hierin wird darauf hingewiesen, welche Wörter nicht im AfD Sprachgebrauch genutzt werden sollten, damit die Partei nicht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes gerät. Das macht nochmal mehr deutlich, wie sehr die rechten Intellektuellen ihre Sprache strategisch nutzen und sich der Macht der Worte bewusst sind. 

Das Buch lässt mich – wie schon angedeutet – mit einem schalen Geschmack zurück und gibt eine Ahnung davon, was zukünftig möglich wäre, wenn wir alle nicht wachsam und achtsam sind.  Für mich als Systemikerin ist Sprache ja ein Zugang, mich den Wirklichkeitskonstruktion meiner KlientInnen und Mitmenschen zu nähern und so Begegnung möglich zu machen. Deshalb finde ich es wichtig und notwendig, sich mit Rechten Wörtern auseinanderzusetzen und ihre Bedeutung zu verstehen, um auch dieser Wirklichkeitskonstruktion näher zu kommen. Denn, „daß die Welt meine Welt ist, das zeigt sich darin, daß die Grenzen der Sprache (der Sprache, die allein ich verstehe) die Grenzen meiner Welt bedeuten“ (Wittgenstein, Tractatus Logo Philosophicus 5.62, Hervorh. i. Orig.). Ich glaube, nur wenn wir uns der Sprache auch von „Rechten“ zuwenden, können wir Begegnung ermöglichen und so Brücken finden, die ermöglichen, die verschiedenen Welten zusammen zu bringen.

Das Buch hat verdient, dass es eine weite Verbreitung findet!

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Inhaltsverzeichnis und Leseprobe

Andreas Graf von Bernstorff (2020): Rechte Wörter – von „Abendland“ bis „Zigeunerschnitzel“. Heidelberg (Carl-Auer)

170 Seiten, Kart.
ISBN: 978-3-8497-0340-0
Preis: 19,00 €

Verlagsinformation:

Wer gegen Rechte bestehen will, muss sie zuerst verstehen. Das ist nicht immer leicht, denn die rechte Szene hat ihre ganz eigene Sprache und Sprechweise entwickelt – zum Teil mit neuen Wortgebilden, aber auch mit geläufigen Wörtern, denen ein anderer Sinn zugewiesen wird. Andreas von Bernstorff filtert aktuelle Schlüsselwörter der deutschen Rechten aus dem Strom der Medien und betrachtet sie bei Tageslicht: Was bedeuten sie, woher kommen sie, und wie wirken sie? Von „Abendland“ über „Klimawahn“ bis „Zigeunerschnitzel“ nimmt der Autor rechte Konzepte und alltägliche Diskriminierungen unter die Lupe. Dabei werden immer wieder überraschende Zusammenhänge sichtbar, die manch harmlos wirkende Vokabel in neuem Licht erscheinen lassen. Die einfach gehaltenen Wörterbucheinträge geben schnelle Orientierung und sind dabei sorgfältig belegt. Als Handreichungen für den Alltag schärfen sie unsere Aufmerksamkeit und Urteilsfähigkeit, und sie pflegen den Diskurs, wo andere ihn abschalten wollen. Das Buch wendet sich an Menschen, die in Medien arbeiten, in der politischen Bildung, in Schulen, Gewerkschaften, Verbänden und Kirchen, Stiftungen und Parteien, aber auch an alle anderen politisch wachen und interessierten Menschen.

Über den Autor:

Andreas Graf von Bernstorff ist Cooperating Partner von Heitger Consulting in Wien und freiberuflicher Berater für Campaigning und Strategische Kommunikation. Er arbeitete als Lehrer, Journalist, Wahlkämpfer, Landtagsabgeordneter und Politikberater. Von 1989 bis 2005 organisierte er internationale Kampagnen für Greenpeace. Er ist Autor etlicher Publikationen zu internationalen Umweltfragen und Kampagnenstrategie allgemein und unterrichtet unter anderem an den Universitäten St. Gallen und Heidelberg, an der Humboldt-Viadrina School of Governance und im AMAK-Kontext (Hochschule Mittweida).

13 Kommentare

  1. Andrea Christoph-Gaugusch sagt:

    Sehr geehrter Herr Mall,

    wenn ein Buch den Titel „Rechte Wörter“ trägt – von „Abendland“ bis „Zigeunerschnitzel“, so bewirkt dies mE vorab eine Spaltung (in „rechts“ vs. „links“ oder vs. ?). Keinen Dialog!

    Und wie Sie so schön schreiben, hängt die Bedeutung eines Begriffs vom Kontext ab.

    Ich denke nicht, dass solche Bücher nützlich sind, um achtsamer mit bestimmten Begriffen umzugehen. Ganz im Gegenteil. Man (der Autor + Verlag) versucht ein paar Euro mit einer reduzierenden Vereinfachung zu verdienen. Das nützt mE niemandem.

    „Man“ ist mE so neutral wie „Mensch“. Die Diskriminierung von Frauen passiert tagtäglich. Sie ereignet sich beispielsweise dort, wo Frauen nach ihren Kindern gefragt werden, wenn sie sich für einen 40-Stunden-Job bewerben und das Label „Rabenmutter“ bekommen, wenn sie diesen ausüben. Das ist gelebte Diskriminierung.
    Wenn Sie TaucherInnen laut lesen – so: Was lesen Sie? TaucherInnen. Es verschwindet beim lauten Vorlesen die angeblich „männliche“ Form. Ich finde nicht, dass dies eine gute Lösung im Sinne der Gleichberechtigung ist, die für Frauen mit Kindern nur möglich ist, wenn auch Männer ihren Teil der Kindererziehung und Betreuung übernehmen. Wir Frauen können das mE nicht alleine heben.

    „Taucherinnen und Taucher“, das ist eine gute Formulierung. Aber das müsste sich durch den gesamten Text mit einem UND ziehen (und es geht auch nicht immer um das Geschlecht … ).

    Weshalb ist das Wort „Zigeunerschnitzel“ nun ein „rechtes Wort“? In diesem Begriff lebt eine historische Erinnerung, ein Gericht mit Schärfe. Der Ausdruck ist nicht an einen Menschen gerichtet im Hier und Jetzt. Er ist auch nicht „politisch“. Braucht er nun eine Korrektur? Ich meine nein. Sie meinen ja. So ist es in Ordnung … Besten Gruß, Andrea Christoph-Gaugusch

    • Markus Mall sagt:

      Ja, verehrte Frau Christoph-Gaugusch, das große „I“ finde ich auch keine gute Lösung – auch weil Schriftsprache und Sprechsprache auseinanderfallen. Ich meinte das „und“.
      Ich gehe davon aus, wenn man das Buch gelesen hat, oder – wie ich heute – einen Text über „Widerstand“, (Carl-Auer-Magazin), dann versteht man eher die Intention des Buches. Wenn ich es richtig verstehe, geht es weniger um „rechte Wörter“ als Zuschreibung, sondern wie Begriffe innerhalb einer rechten Ideologie gebraucht und umgedeutet werd und sie dann subtil in der Alltagssprache einfließen oder alte Konnotationen reaktiviert werden.
      Was allerdings wirklich Not tut – und ich nehme mich da nicht aus – ist die Grundhaltung der Dialogbereitschaft.
      In diesem Sinne, einen herzlichen Gruß, Markus Mall

  2. Andrea Christoph-Gaugusch sagt:

    Sehr geehrte Frau Kuhnert, gerne möchte ich Sie darauf hinweisen, dass Wittgenstein noch zu Lebzeiten seinen Tractatus überwunden hat – Sie werden diesem Denker nicht gerecht, wenn Sie aus dem jugendlichen Frühwerk zitieren. Vielmehr hat sich Wittgenstein hin zu seiner Sprachspielkonzeption bewegt (siehe seine PU) und das bedeutet, dass ein Wort isoliert betrachtet keinen Sinn ergibt. Es gibt daher auch keine „rechten Wörter“ – es gibt Wörter in Sätzen und Begriffe in lebendigen Sprachspielen. Das Wort „Zigeunerschnitzel“ hat daher in einer Speisekarte (Kontext) keine „rechte Bedeutung“ – es dient lediglich dazu, ein bestimmtes Schnitzel im Geiste des Lesenden zu erzeugen.
    Bitte beschäftigen Sie sich doch mit dem gesamten Werk Wittgensteins, ehe Sie hier auf ihn referieren. Mit freundlichen Grüßen, Andrea Christoph-Gaugusch

    • Peter Luitjens sagt:

      Sehr geehrte Frau Christoph-Glaugusch,
      es ist sicher lobenswert, wenn jemand wie Sie, die über Wittgenstein promoviert hat, darauf hinweist, dass Wittgenstein durchaus Anderes (und wohl auch anders Gemeintes) veröffentlicht hat als den Tractatus. Aber daraus zu folgern, dass man nur dann Wittgenstein zitieren sollte, wenn man das Gesamtwerk studiert hat, ist auch in wissenschaftlichen Kreisen wohl etwas gewagt.
      Unabhängig von Wittgenstein entwickeln Sie eine Sprachtheorie, nach der Wörter nicht „rechte Wörter“ sein können. Ich denke, dass Ihnen da nicht nur von meiner Seite deutlicher Widerspruch entgegen gebracht wird. Es ist unter Fachleuten Konsens, dass sich Sprache und im Besonderen die Benutzung einzelner Wörter und Begriffe im politischen und historischen Kontext verändert – und dass Sprache immer auch zum Ausdruck politischer „Gewissheiten“ genutzt und benutzt wird. Die Erfahrung der „Indienststellung“ von Sprache zur Etablierung des nationalsozialistischen Gedankenguts macht mich als Deutschen dafür besonders aufmerksam.
      Von daher halte ich es für außerordentlich dankenswert. dass der Carl-Auer-Verlag eine Veröffentlichung zum Thema „Rechte Wörter“ vorgenommen hat und dass Tanja Kuhnert mit ihrer Rezension die Aufmerksamkeit für dieses Werk und dieses Thema verstärkt.
      Mit freundlichen Grüßen
      Peter Luitjens

      • Andrea Christoph-Gaugusch sagt:

        Sehr geehrter Herr Luitjens,

        das ist keineswegs gewagt – denn Wittgenstein hat seinen Tractatus eben selbst überholt. Möchten Sie gerne für etwas zitiert werden, das Sie offen überarbeitet haben? Es wird Wittgenstein eben nicht gerecht und schon gar nicht, wenn jemand meint, dass man oberflächliches Denken damit auch noch quasi „untermauern“ kann. Das funktioniert in diesem Fall eben genau nicht.

        Schön, dass Sie ein Freund von „rechten Wörtern“ sind – ich bin es nicht. Ich sehe Wörter differenzierter, kontextabhängig. Und der Kontext eines Wortes wie „Zigeunerschnitzel“ in einer Speisekarte ist eben die Speisekarte (!). Was ist daran nun „rechts“ (oder „links“ …)? Das ist doch vollkommen absurd. Geradezu lächerlich. Über andere Worte lässt sich kontextabhängig diskutieren.

        Aber „an sich“ ist ein Wort weder „rechts“, noch „links“, noch „blau“ (ad inf.) zu nennen. Es liegt mE am Lesenden, wie ein Wort gelesen wird und wie es dann in innere Begriffe – verkörperte Bewegungs- und Berührungsmuster – umgewandelt wird und das bedeutet: Mit Bedeutung im Hier und Jetzt angereichert wird.

        Mit freundlichen Grüßen, ACG

  3. Lothar Eder sagt:

    Als ich ein Kind war, liebte ich Zigeunerschnitzel. In meiner Erinnerung war es eine große Belohnung für mich, bei den – dem geringen Familieneinkommen geschuldeten – seltenen Restaurantbesuchen mit den Eltern ein Zigeunerschnitzel bestellen zu dürfen. Zudem habe ich Mohrenköpfe geliebt. Das tue ich heute nicht mehr. Allerdings nicht aus ideologischen sondern aus ernährungstechnischen Gründen.
    So kam ich wohl schon früh vom rechten – oder sollte man sagen vom linken? – Weg ab, ohne es zu wissen.
    Dass diese Ernährungsvorlieben einmal Gegenstand einer grundsätzlichen, verurteilenden Kritik werden könnten, das hätten sich weder meine Eltern noch ich jemals vorstellen können. Aber heutzutage ist ja vieles möglich, was man sich früher nicht hätte vorstellen können.
    Da es in dem Buch ja um Sprache und Etikettierungen geht, würde mich interessieren, wie sich denn der Autor und die begeisterten Rezipienten des Buches selbst definieren (i.e. etikettieren, ideologisch einordnen) und wo sie die Anschlußmöglichkeiten an jene, die sie auf der anderen Seite der hier festgezurrten Entweder-oder Logik (bzw. Gut/Böse-Logik) vermuten, sehen?

    • Peter Luitjens sagt:

      Lieber Lothar Eder,
      als wir noch Kinder waren – was waren wir da unschuldig und freuten uns über Besonderes in Küche und sonstwo. Und was unsere Eltern uns sagten, sogen wir auf „wie mit der Muttermilch“. Und dementsprechend entwickelte sich unser Sprachvermögen und unsere Sicht auf die Welt. Mir fällt dazu natürlich (?) der Text ein „wenn der Senator erzählt…“ (Degenhardt).
      Inzwischen sind wir (zum Glück!) keine Kinder mehr, sonst könnten wir uns ja hier nicht austauschen.
      Und: man kann im Laufe der Jahre dazu lernen, z.B. ernährungstechnisch – aber auch in anderer Hinsicht.
      Und dazu gehört die Erkenntnis, dass Wörter häufig auch einen historischen oder politischen Kontext in sich tragen und damit bestimmte Aussagen über „die Welt, wie sie ist“ verbreiten und festschreiben. Und da ist z.B. der Ausdruck Zigeuner nun mal wenig neutral, um es ganz zurückhaltend zu formulieren.
      Insofern gibt es Wörter und Begriffe, die wir heute nur dann in ihrem Gehalt und ihrer Wirkungsweise einschätzen können, wenn wir ihre enge Verbindung mit einer rassistischen und faschistischen Weltsicht berücksichtigen.
      Insofern hilft da auch der Ausspruch „Man wird doch wohl noch sagen dürfen“ nur denjenigen, die es ablehnen, dazu zu lernen.
      Und: auch wenn das Schnitzel nicht mehr Zigeunerschnitzel heißt, muss es nicht schlechter schmecken.
      Insofern danke ich dem Autor und dem Verlag für dieses Buch und der Rezensentin dafür, dass sie die Aufmerksamkeit für das Thema verstärkt.
      Mit freundlichen Grüßen
      Peter Luitjens

      • Lothar Eder sagt:

        Werter Herr Luitjens,
        bitte ziehen Sie in Erwägung, dass es Menschen wie mich gibt, die nicht zu dem „wir“ was sie als selbstverständlich setzen, gehören. Doch: Es ist möglich, Wörter, in diesem Fall deutsche, zu verwenden und sie nicht ständig auf irgendeine Ideologie – in diesem Fall die nationalsozialistische – rückzubinden. Sie dürfen dies gerne tun, ich halte das für eine bedenkliche Eigenart, mag sie auch noch so verbreitet sein. Ja, es ist möglich, Wörter wie „blitzschnell“ oder „eiskalt“ (nach meiner Kenntnis zwei Wortkreationen der NS) zu verwenden und nicht an „den Führer“ zu denken. Oder auf der Autobahn zu fahren und … und … zum Heilpraktikter zu gehen, den es nur aufgrund des nationalsozialistischen Heilpraktikergesetzes gibt, das bis heute gilt. Wenn Sie und andere bei bestimmten Wörtern ständig an den Anstreichergesellen aus Braunau (!) am Inn denken, halte ich das für eine von vielen mentalen Möglichkeiten (und nicht unbedingt für die gesündeste, womöglich liegt eine gewisse Fixierung vor)
        Und ich habe erhebliche Einwände dagegen, wenn mir irgendwer mein damaliges Zigeunerschnitzel post factum braun anmalen will. Das ist eine Unart. Wenn Sie Wörter mit Bedeutungsinhalten versehen, die mit dem NS verbunden sind, finde ich das bedauernswert. Bedeutungen aber wohnen den Worten nicht inne. „Mein“ damaliges Zigeunerschnitzel jedenfalls ist vollkommen faschismusfrei. Oder anders: ein Zigeunerschnitzel ist ein Zigeunerschnitzel ist ein Zigeunerschnitzel.

        • Andrea Christoph-Gaugusch sagt:

          Sie versuchen, uns bestimmte Wörter zu verbieten. Neusprech! Als wäre die Bedeutung absolut gegeben. Sie versuchen uns gleich zu machen. Gleichzusetzen. Einzustellen – auf: „Dieses Wort ist rechts. Das darfst du nicht verwenden. Sonst denkst du rechts!“ Darf ich noch den Zigeunerbaron hören und ist das auch bald „rechts“? Wer bestimmt das?

          Die deutsche Sprache ist doch viel feinsinniger zu gebrauchen – in einzelnen Wörtern steckt nichts „an sich drinnen“. Es ist immer der Kontext, immer das Gefüge, immer die Sensibilität des Schreibenden und Lesenden mitzuberücksichtigen.

          Darf ich noch „man denkt“ schreiben – ohne dabei an einen „Mann“ zu denken? Darf ich das? Oder wird mir das alles von irgendwelchen Stellen verboten?

          • Lothar Eder sagt:

            Sehe ich auch so. Es schimmert eine Agenda mit totalitären Zügen durch. So und so darfst du nicht mehr sprechen, sonst bist du kein Guter, sondern ein Rechter, faschistisch, rassistisch und alles mögliche mit -phob. Das sind Aspekte einer Ächtungs- und Exkommunikationsagenda, die im Gewand der vorgeblichen Humanität daherkommt, tatsächlich aber allenthalben Fallbeile installiert. Die Sprache wird reglementiert, umzingelt ,Wörter unter apriori Verdacht gestellt und ein Neusprech implementiert, dass einem (mir) die Haare zu Berge stehen. Genau das, was George Orwell vorhergesagt hat – „1984“ ist aktueller denn je!

          • Markus Mall sagt:

            Sehr geehrte Frau Christoph-Gaugusch,
            wer sind „sie“, die „uns“ gleich machen versuchen. Befremdliche Aussage. Nein, nicht die Verwendung von Begriffen erzeugt eine Zuordnung, sondern natürlich der Kontext, in dem sie genau diese Begriffe verwenden.
            Und natürlich ist das mit „man“ schwierig. Meines Wissen ist da noch keine sprachlich gelungene Alternative entwickelt worden.
            Doch sicherlich ist es mehr als angebracht und sinnvoll z.B. „…innen“ mit zu verwenden. Dann es ist nicht ausgemacht, das z.b. bei dem Begriff „Taucher“ hier Frauen wie selbstverständlich mitgedacht werden.
            Und was treibt sie gleich zu Vorstellungen von „Verboten“. Von welchen Stellen? Was für Phantasien!

        • Markus Mall sagt:

          Ja, Herr Lothar Eder, wieder ein typisches „rechtes“ Argumentationsmuster. Man wird wohl doch noch sagen dürfen! Und wie war das mit „Ich bin kein Nazi, aber…“
          Ich kann nicht nachvollziehen, dass sie die Begründungen – ohne ihnen ja folgen zu müssen – nicht nachvollziehen. Und zumindest eine gewisse Empathie für die Gedanken und vor allem, die es real d.h diskriminierend betrifft, zu äußern.
          Kurz: Als man „rassistisch“ dachte bzw. in dieser „rassistischen“ Kultur gelebt hat, waren rassistische Begriffe nicht rassistisch. Sie waren normal. Man kann ja aus dieser Kultur entwachsen und dann – anders – auf die damalig verwendete Sprache sehen. Wenn man die Worte in dieser „neuen“ Kultur bewusst weiter benutzt, gilt natürlich die von ihnen befürchtete Konnotation oder – das wird dann aus dem Kontext deutlich – einfach man ist nur aufsässig. Letzteres tut immer wieder gut und ist eine hilfreiche Gegenbewegung zu einer Gleichmacherei.
          Allerdings kann man auch – wie schon einmal erwähnt – einfach auch nur dazu lernen.

          • Lothar Eder sagt:

            Mein Gott Herr Mall, wenn ich mir die ersten drei Sätze Ihres Kommentars anschaue .. da ist Ihnen aber der göttliche Beistand gründlich abhanden gekommen! Ich wünsche Ihnen, dass Sie am kommenden Pfingstfest der Heilige Geist streifen möge!

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