Die Systemischen Forschungstagungen in Heidelberg haben mittlerweile eine gute Tradition. Dabei haben sich schon auf den vergangenen Tagungen nicht nur deutschsprachige systemische Forscher, sondern auch Gäste aus dem Ausland wie Peter Fonagy, Guy Diamond, Charlotte Burck oder Peter Stratton getroffen. Nach mittlerweile sechs„Systemischen Forschungstagungen“ wird nun vom 6.-8. März in Heidelberg die erste„Europäische Systemische Forschungstagung“ veranstaltet, wie zuvor wieder unter der bewährten Tagungsorganisation und -leitung durch Jochen Schweitzer, Matthias Ochs und ihrem Tagungsteam. Dieses Mal sind u.a. folgende ReferentInnen zu hören: Russel Crane, Arlene Vetere, Peter Stratton, Maria Borsca, Rolf Sundet, Helmut Rainer, Charlotte Burck, Johannes Rüegg-Stürm, Imelda McCarthy, Jaakko Seikkula, Kirsten von Sydow, Rüdiger Retzlaff, Howard Liddle, Wolfgang Tschacher, Thomas Fuchs, Rudi Dallos, Arist von Schlippe, Gunthard Weber, Peter Rober, Günter Schiepek, Alan Carr, Harald Gündel und viele andere. Wer angesichts dieser geballten Ladung von Wissen und Kompetenz nicht nach Heidelberg kommt, ist im übrigen selbst schuld. Auch die Ausrede, es sei mit dem Englischen so schwierig, taugt nicht mehr, nachdem die Veranstalter entschieden haben, dass alle Hauptvorträge und größten Symposien (die in der Aula der Neuen Uni) von zwei professionellen Simultandolmetscherinnen kontinuierlich übersetzt werden. Damit wird auch für KollegInnen, die ihren Englischkenntnissen nur begrenzt trauen, diese Tagung leicht zugänglich.
systemagazin bringt an dieser Stelle ein Interview, das Jochen Schweitzer der Geschäftsstelle der Systemischen Gesellschaft vor einiger Zeit zur Tagung gegeben hat:
SG: Im nächsten Jahr findet vom 6. bis 8. März 2014 eine Internationale Systemische Forschungstagung in Heidelberg statt welche Themen werden im Vordergrund stehen?
JS:
Der Titel lautet ja Systemische Praxis und Forschung miteinander verknüpfen. Die Idee ist, dass wir schauen, welche Fragen, die sich aus systemischer Praxis ergeben, in der Forschung bearbeitet werden können. Dies sind vor allem 3 Ebenen: Ergebnisforschung: Damit wollen wir den Kostenträgern zeigen, dass Systemische Therapie und Beratung sinnvoll ist. Prozessforschung: Was wirkt? Die Bearbeitung dieser Frage soll Anregungen für die Weiterentwicklung systemischer Herangehensweisen geben. Fragen, die sich Praktiker_innen stellen, durch Forschung beantworten. Wir werden 6 Themenstränge haben: Forschung durch Praktiker_innen, Wirksamkeits-/Ergebnisforschung, Theoriekonstruktion und qualitative Forschung, Managementforschung, Forschung in Sozialarbeit und pädagogik, Europäische Politik und europäische Forschungsvernetzung. Als Eröffnungsredner wird Russel Crane aus Utha, USA, über Kosten-Nutzen-Forschung in der Systemischen Therapie sprechen. Er forscht auf Grundlage riesiger Datenmengen aus US-amerikanischen Managed-Care-Systemen und weist nach, dass die Kosten mit Hilfe der Systemischen Therapie deutlich sinken gegenüber der Nutzung individualtherapeutischer Ansätze. Außerdem wird es Vorträge von namhaften Personen geben, wie Jaakko Seikkula: Er führt im Rahmen einer europäischen Arbeitsgruppe (zusammen mit SG-Mitglied Maria Borcsa, Peter Rober aus Belgien u.a.) fallorientierte Forschung zum Prozessverlauf in Systemischer Therapie durch. Alan Carr aus Dublin, Irland, über die Integration unterschiedlicher systemtherapeutischer Ansätze, Maria Borcsa über Systemische Therapie in nationalen Gesundheitssystemen in Europa sowie Arlene Vetere & Rudi Dallos zu narrativen Forschungsansätzen.
SG: Warum sollten Fachleute aus der systemischen Praxis in ihrer knappen Zeit gerade eine Forschungstagung besuchen?
JS: Sie ist für all diejenigen interessant, die sich selber von Forschung für ihre Praxis etwas versprechen würden. Ich sehe diese Hauptgründe für die Teilnahme von Praktiker_innen an der Tagung: Zum einen die Weiterentwicklung und Verbesserung der eigenen Praxis. Dafür könnten Praktiker_innen Forschungsmethoden verwenden. Da bietet zum Beispiel Maja Heiner mit dem Konzept der Selbstevaluation einen interessanten Ansatz: Ich stelle mir selber Fragen zu meiner eigenen Arbeit. Welche Prozesse sind gut gelaufen, welche nicht? Wie kann ich das in guter systematischer Weise überprüfen? Zum anderen stellen sich Professionelle in Institutionen die Frage: Wir haben eine Zielgruppe, die wir nicht versorgen, sie kommen nicht was müssten wir tun, um diese Gruppen zu gewinnen? Schließlich gibt die Tagung Anregungen für die Frage: Wie können wir die Art, wie wir Supervision durchführen, zugleich als Qualitätsmanagementsystem nutzen? Praktiker_innen können sich kundig machen, wie man den Nutzen der eigenen Arbeit Dritten gegenüber, also z.B. Arbeitgebern oder Versicherungen, deutlich machen kann.
SG: Können Sie in aller Kürze sagen, was als Systemische Forschung verstanden werden kann? Ist damit die Beforschung systemischen Arbeitens gemeint oder eine systemische Herangehensweise an Forschungsgegenstände?
JS: Beides. In erster Linie die Beforschung von sozialen Systemen, in denen Systemische Therapeut_innen und Berater_innen arbeiten. Erforscht wird die Frage: Was passiert in Beratungs- und Therapieprozessen? Strittig ist, inwiefern es systemische Forschungsmethoden gibt, die von anderen Forschungsansätzen ebenfalls benutzt werden. Es gibt eine Forschung, die an Komplexität orientiert ist und sich für Nebenwirkungen interessiert, die nicht meint, dass sie Ursache-Wirkung sehen kann, sondern komplexe andere Dinge aber diese Forschung gibt es auch in anderen Ansätzen.
Spezifische systemische Forschung würde ich für eine Engführung halten. Es gibt Forschung systemischer Praxis und systemisch orientierte zirkuläre Forschungsmethoden, aber keine reine systemische Forschung im dogmatischen Sinne (zu der Frage ausführlich s. Matthias Ochs, Jochen Schweitzer (Hg.) 2012: Handbuch Forschung für Systemiker. Göttingen).
SG: Die systemische Forschungstagung findet ja schon seit längerem alle 2 Jahre als deutschsprachige Veranstaltung statt, wird vom Institut für Medizinische Psychologie der Heidelberger Universität organisiert und von den Verbänden SG und DGSF unterstützt. Warum wird die nächste Tagung 2014 international organisiert und warum wurde dafür die EFTA als Konferenzpartner mit ins Boot geholt?
JS: Die Idee kam 2010 zustande, als Peter Stratton, der Vorsitzende der Forschungskommission der EFTA, aus Leeds auf der Forschungstagung in Heidelberg war. Dahinter stand die Erfahrung von der EFTA-Tagung 2004 in Leipzig, auf der viele interessante Kooperationen zustande kamen, von denen man zum Teil heute noch zehrt. Die Forschungen von Arsen zu Paartherapie bei Depressionen, von Ivan Eisler zu Multifamilientherapie bei Magersucht und viele andere Untersuchungen wurden vorgestellt, die in Deutschland vorher nicht bekannt waren. In der Folge wurden verstärkt interessante Referent_innen nach Deutschland geholt.
SG: Die EFTA ist ja auf den (Familien-) therapeutischen Bereich fokussiert. Ist die Tagung dann für andere Berufsgruppen, z.B. Coaches, überhaupt von Interesse?
JS: Die Tagung wird deutlich stärker auf Systemische Therapie fokussiert sein, sie wird aber über die ganze Zeit jeweils einen kompletten Strang in Managementforschung enthalten. Arist von Schlippe wird zu Familienunternehmensforschung referieren, Johannes Rüegg-Stürm aus St. Gallen zum Management von Expertenorganisationen. Es wird weitere Referent_innen geben, die noch nicht endgültig feststehen. Überhaupt entwickeln sich zurzeit noch viele weitere Angebote.
PS: Kurzentschlossene, die sich noch bis zum 31.12. anmelden, zahlen nur 190,00 s
tatt der am dem 1.1.2014 fälligen 220,00 Gebühr.
Alle weiteren Informationen gibt es hier