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Online-Journal für systemische Entwicklungen

…Systemische (Zeit-)Reise bzw. Einfältigkeit versus Zirkularität

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Dennis Gildehaus macht heute das Kalendertürchen auf und schildert seine erste Begegnung mit systemischem Denken in der stationären Jugendhilfe:

“Meine ersten Überforderungssymptome im Zuge einer beratenden Elternarbeit in der stationären Jugendhilfe verspürte ich im November 2004. Ich erinnere mich noch genau an die Idee des Geschäftsführers zur Einführung einer „neuen“ und „innovativen“ Veränderung der Konzeption der Wohngruppe der Delmenhorster-Jugendhilfe-Stiftung in Delmenhorst. Damals hieß es: „Wir müssen die Eltern wieder ins Boot holen und die Rückführungsquote intensiver fokussieren…!“ Seit 2001 arbeitete ich als Pädagoge in der besagten Wohngruppe und schmiedete täglich Pläne, wie ich mit den Kindern und Jugendlichen meinen Dienstalltag aktiv und humorvoll gestalten könnte. Von systemischem Denken etc. wusste ich bis zu diesem Zeitpunkt nichts. Als der Geschäftsführer in einer wöchentlichen Dienstbesprechung das Thema Elternarbeit als Tagesordnungspunkt einbrachte, stand für mich fest: „Das Ding übernimmst Du!“
Das Team konnte sich gut vorstellen, dass ich als jüngster Mitarbeiter den Bereich Elternarbeit übernehmen würde. Die Wochen nach der besagten Besprechung veränderten grundsätzlich meinen weiteren Weg in der stationären Jugendhilfe und den Weg darüber hinaus.
Mit einer großen Portion Euphorie machte ich mir Gedanken zu den verschiedenen Eltern und entschloss mich kurzer Hand, einfach alle zu einem netten Elternabend einzuladen, um ihnen mein Konzept vorzustellen. Fazit: Von insgesamt 24 Eltern kamen erstaunlicherweise nur zwei. Meine Ideen und Vorstellungen sahen auf dem Papier doch so gut aus – wie war es nur möglich, dass das Interesse der Eltern so gering war? Ich suchte Gründe und gute Ausreden, aber weiter kam ich damit auch nicht. Die Arbeit in der Wohngruppe nahm ihren Lauf und meine Unzufriedenheit zu. So entschloss ich mich zu einer Weiterbildung und suchte nach geeigneten Instituten im Internet. Es dauerte nicht lange und ich stieß auf die Institute von Eberhard Krüger, Lehrtherapeut der DGSF. Es handelte sich um eine systemische Beraterausbildung und das Konzept gefiel mir sofort. Erst einmal stellte ich meine Arbeit mit den Eltern ein, da ich genügend frustriert war.
Die Weiterbildung hat mich begeistert. In der Rückbetrachtung haben sich die anfänglichen Worte des Lehrtherapeuten in mein Hirn gebrannt, verstanden habe ich sie zugegebenermaßen erst vier Jahre später. Sie lauteten ungefähr folgendermaßen: „Ich versuche euch jetzt aufzuzeigen, wie euer Weg in der Beraterausbildung aussehen könnte… Am heutigen Tag seid ihr bzgl. des systemischen Denkens und Handelns unbewusst inkompetent. Ihr wisst sozusagen nicht einmal, was ihr nicht wisst. Aber keine Sorge, nach mehreren Monaten werdet ihr bewusst inkompetent, so dass ihr auf alle Fälle bewusst einordnen könnt, was ihr nicht wisst. Wenn ihr dann euer Bergfest feiert, werdet ihr bewusst kompetent sein und wissend, dass ihr etwas wisst. Und zum Ende der Ausbildung werdet ihr unbewusst kompetent sein und euer Handwerkzeug einsetzen wie beim automatisierten Autofahren. Sinngemäß werdet ihr intuitiv denken und handeln und dementsprechend systemisch arbeiten. Darüber hinaus werdet ihr systemisch erfolgreich sein, wenn ihr das, was ihr wahrnehmt, auch infrage stellen könnt nach dem Motto…es könnte auch ganz anders sein…“.
Im weiteren Verlauf der Ausbildung habe ich Dr. Krüger mehr und mehr als meinen beruflichen als auch persönlichen Mentor erlebt, der mir das systemische Terrain „Systemisches Arbeiten“ als Gesamtheit nähergebracht hat. Das anfängliche Verhältnis zwischen Lehrendem und Lernendem wurde nach und nach aufgrund des intensiven Arbeitens mit der systemischen Thematik zur Freundschaft. Im Juni 2007 schrieb ich ein neues Konzept der Systemischen Elternarbeit für die Wohngruppe, das sich hervorragend in den täglichen Alltag der Wohngruppe eingliederte. Die Eltern waren nicht nur motiviert, sondern fühlten sich als Gesamtheit wertgeschätzt und lernten ihre Ressourcen neu kennen – für mich eine Motivation, an die systemische Beraterausbildung auch noch die systemische Therapeutenausbildung anzuschließen, die ich 2009 abgeschlossen habe. Eberhard Krüger hat mir einen ersten Eindruck vom systemischen Denken und Handeln vermittelt und mich angesteckt, das zu lieben, was ich jetzt lebe… die Systemische Alltagspraxis“

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