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Peter Robers Modell der Schlüsselszene als Modell für die Life-Supervision

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Peter Rober 2014 (Foto: T. Levold)

2014 hörte ich auf der Systemischen Forschungstagung einen interessanten Vortrag von Peter Rober aus Leuwen in Belgien, der über eine besondere Art der supervisorischen Reflexion im Rahmen der systemischen Weiterbildung berichtete. Die Weiterbildungsteilnehmer suchen dafür eine Schlüsselszene aus einer Therapiesitzung heraus und transkribieren diese Szene und einen gewissen Zeitabschnitt des Gespräches, in den sie eingebettet ist, in eine Tabelle. In einer zweiten Spalte wird parallel der „innere Dialog“ der TherapeutIn eingetragen. Mit diesem inneren Dialog beschäftigt sich Rober schon eine lange Zeit. In einem Aufsatz, der 2000 in der Familiendynamik erschienen ist, unterscheidet er zwischen der  „äußeren therapeutischen Konversation und der inneren Konversation des Therapeuten (…). Die therapeutische Konversation ist ein zirkulärer Prozeß von Bedeutungen, an dem sowohl der Therapeut als auch die Klienten Anteil haben. Die innere Konversation des Therapeuten wird dagegen als Verhandlung verstanden zwischen dem Selbst des Therapeuten und seiner therapeutischen Rolle. In diesem Verhandlungsprozeß muß der Therapeut nicht nur seinen Beobachtungen, sondern auch dem, was in ihm während dieser Beobachtungen hervorgerufen wird, Beachtung schenken: Vorstellungen, Stimmungen, Emotionen, Assoziationen, Erinnerungen etc. Therapeutische Sackgassen werden als lähmende Störungen des zirkulären Prozesses der Bedeutungen und der inneren Konversation des Therapeuten beschrieben“ (die englische Originalfassung kann hier auch in ganzer Länge gelesen werden…). Spannend für mich war, dass im Rahmen der Weiterbildung (und nicht nur dort) die Möglichkeiten der Reflexion der eigenen Tätigkeit auf diese Weise enorm erweitert werden.

Corina Ahlers aus Wien hat diese Idee in ihre eigene supervisorische Praxis integriert und abgewandelt, worüber sie in der Mitgliederzeitschrift der ÖAS netzwerke 1/2017 in der Rubrik „Forschungssplitter“ berichtet. Mit freundlicher Genehmigung erscheint ihr kurzer Text hierzu im systemagazin, zur Nachahmung empfohlen!

 

Corina Ahlers, Wien: Erfahrungen mit meiner veränderten Version von Peter Robers Modell der Schlüsselszene als Modell für die Life-Supervision

Es wird zeitnah zur Bild- oder Tonaufnahme eine „Schlüsselszene” ausgewählt, die der Therapeut/die Therapeutin für interessant, spannend, öffnend hält. Es werden 3 Minuten vorher und 3 Minuten nachher transkribiert, also insgesamt 6 Minuten, das sind ca 3 bis 4 Seiten Text. Der Text hat drei Spalten: Sinnhafter Kommunikationsakt (als Transkript), innere Konversation des/der Therapeut_in zum jeweiligen Kommunikationsakt und eine leere Spalte, in der die Kolleg_innen des Praxisseminar ihre persönliche Resonanz dazu einschreiben. Außer der/dem Therapeut_in weiß niemand den Kontext des Textes.

Corina Ahlers

Nach den ersten holprigen Versuchen, in denen wir uns oft fragten, was genau zu tun sei, haben wir jetzt einen guten Umgang gefunden: Wir lesen das Transkript in verteilten Rollen zweimal vor, dadurch wird es präsent und gleichzeitig memoriert. dann erfolgt eine Phase, in der jeder Zeit hat, die dritte Spalte zu füllen. Danach gehen wir die Kommunikationsakte gemeinsam durch, erst ganz am Schluß gibt der/die Therapeut_in Kontextinformation zum Fall frei. Dadurch erhalten wir einen Modus der Textinterpretation, allerdings mit dem Fokus auf unsere persönliche Resonanz und weniger auf eine Kommentierung der Technik. Am Schluß werden alle Zettel von der Therapeutin/dem Therapeuten eingesammelt, um die Intimität des Therapieprozesses zu wahren.

Das Angebot wird als Live-Supervision gut angenommen. Besonders hilfreich ist es für Therapien, die in Fremdsprachen stattfinden, denn sie können dann ins Deutsche übersetzt und transkribiert werden. Aber auch in deutschsprachigen Therapien des zweiten Ausbildungsabschnitts erfreut sich die Methode zunehmender Beliebtheit: Sie ist überschaubar, strukturiert und bleibt persönlich orientiert, ähnlich dem narrativen Modell der „Zeugenschaft“, wo wir als Reflektierende erzählen, wie es uns beim Zuhören innerlich geht.

Die Studierenden, die aktuell diese Form der Supervision verwendeten, berichteten, dass der innere Dialog in Ihnen sich erweitert habe, dass davon automatisch etwas in den Therapieprozess zurückfliesse und sie gleichzeitig die Wahrung der Intimität ihrer Klient_innen berücksichtigen könne, da der Text anonymer sei als das vorgezeigtes Video oder Audio einer Therapiestunde. Die Vorarbeitung als Erstellung der Schlüsselszene und die Transkription seien für die Livesupervision essentiell.

 

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