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Zum Verhältnis von Forschung und Praxis in der Psychotherapie

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Bereits 1997, also noch vor dem Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes mit seiner Betonung der Notwendigkeit der„Wissenschaftlichen Fundierung“ von Psychotherapie-Verfahren, hat Jürgen Kriz einen kritischen Aufsatz über das Verhältnis von Forschung und Praxis in der Psychotherapie in„Psychotherapie Forum“ veröffentlicht, das in systhema nachgedruckt wurde und dortselbst auch online zu lesen ist:„Das Verhältnis zwischen Praxis und Theorie läßt sich als Verhältnis von Landschaft zu Landkarte charakterisieren: Therapeuten sind dann Menschen, deren Qualität sich vornehmlich daran zu zeigen hat, wie sie die Landschaft durchwandern (als begleitende Führer derer, die sich ihnen anvertrauen), wie sie dabei Hindernisse zu überwinden, Gefahren zu erspüren, eisige Nächte und trockene Wüsten zu durchstehen vermögen. Von ganz anderer Art sind die Anforderungen an Kartographen – d. h. die Theoretiker und Forscher: Die Karten, die sie zeichnen, müssen z.B. möglichst klar, detailliert und doch handhabbar sein. Die alte Leitidee, Landkarten sollten „wahr” sein, hat hingegen die wissenschaftstheoretische Debatte inzwischen – und das nicht erst in der Postmoderne – als „science fiction”, als Fiktion von „Wissenschaft”, entlarvt. Es kann nämlich unendlich viele Abbildungen einer Landschaft (z.B. der „Stadt Zürich”) geben – und ich wähle für einen Moment dieses konkrete Beispiel „Zürich”, da es mir eher weniger komplex und eher handhabbar erscheint als die Landschaft „Psychotherapie”: Eine grobe sight-seeing-map ist nicht unwahrer als eine präzise 1:1000 Darstellung der Ebene, sie dient nur anderen Zwecken. Für viele Zwecke ist die sight-seeing-map wegen ihrer Übersichtlichkeit und leichteren Handhabbarkeit aber nicht nur nützlicher, sondern sogar auch präziser als ein dickes und schweres Kartenwerk – so z.B. hinsichtlich der Frage, was viele Menschen gerne besichtigen. Zudem enthält auch das schwerste, umfangreichste Kartenwerk grundsätzlich unendlich viele Aspekte nicht (z. B. über Luftverschmutzung zu einem bestimmten Zeitpunkt, die Vernetzung mit Telefonen, die Besuchshäufigkeit zwischen den Menschen). Wenn man solche Fragen hat, können und müssen Spezialkarten erstellt werden. Damit wird auch sofort deutlich, daß es das Kartenwerk – sprich: die Theorie – nicht geben kann. Man sollte sich daher nicht durch vollmundige Behauptungen mancher Psychotherapieforscher – wie: man habe alles erfaßt und objektiv richtig wiedergegeben – mundtot oder kritikunfähig machen“
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