«Auf der Ebene aktiver Politik beobachten Politiker sich selbst und andere im Hinblick auf das, was von einem Handeln zu halten ist, das sich dem Beobachtetwerden aussetzt. In der Politik selbst geht es, wie am Markt, um ein Verhältnis der Konkurrenz. Aber die Konkurrenz wird inszeniert mit Rücksicht darauf, daßauch sie beobachtet wird von Beobachtern, deren Mitwirken als Publikum unterstellt wird. Anders als am Markt gibt es keine Preise, deren Beobachtung (in ihrer Veränderung ebenso wie in ihrer Relation zum Absatz) das Beobachten der Beobachter erleichtern würde; aber es gibt laufend fortgeschriebene Geschichten, in denen man den eigenen Namen und die anderer wiederfindet und als Resultat von Beobachtungen beobachten kann. Und es gibt, anstelle von Preisen, Moral. Dem Publikum erleichtert (oder so denkt man jedenfalls) die Beobachtung der einander beobachtenden Beobachter die Entscheidung in der politischen Wahl. Und dafür genügt es, sich die Beobachtungsverhältnisse zu vereinfachen und davon auszugehen, daß die Politiker als Handelnde, also als Beobachter erster Ordnung, zu beobachten sind. Auf allen Ebenen macht sich das politische System Vereinfachungen dieser Art zunutzeund verzichtet eben damit auf konvergierende Integration der Beobachtungsverhältnisse. Statt dessen hilft die Unterstellung aus, daß hinter den Kulissen ein anderes Spiel gespielt wird als auf der Bühne. Das kann man dann durchschauen, was aber nichts ändert.» (In: Die Politik der Gesellschaft. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2000).
Zitat des Tages:Niklas Luhmann
18. August 2009 | Keine Kommentare