«Beschämung, oft ritualisiert, spielt eine bedeutende Rolle in gesetzlosen Randzonen und Subkulturen, beispielsweise dann, wenn Zuhälter Frauen zum Anschaffen zwingen oder wenn die Initiation in eine Jugendgang vollzogen wird. Sie ist aber auch von großer Bedeutung gerade in jenen Institutionen, die der Jurist als besondere Gewaltverhältnisse definiert, weil in ihnen die verfassungsmäßigen Grundrechte weitgehend außer Kraft gesetzt sind: In der Bundeswehr, in der Schule, in der Haftanstalt, im psychiatrischen Krankenhaus, jedenfalls in der geschlossenen Abteilung und im Maßregelvollzug. Die Suspendierung von Rechtsnormen ruft offenbar, fast im Sinne einer conditio humana, stets zahlreiche Miniaturtyrannen auf den Plan, die Kapos und Schleifer vom Format des Unteroffiziers Himmelstoß in Remarques Im Westen nichts Neues. In ein gesellschaftliches Vakuum tropft die Niedertracht hinein wie Flüssigkeit in einen Hohlraum. Wird die Niedertracht allerdings zum System erhoben, kann die rituelle Beschämung durchaus zum vorwaltenden Interaktionsmuster werden.» (In: Scham und Schaulust, Macht und Ohnmacht . Vortrag im Rahmen der 57. Lindauer Psychotherapiewochen 2007, Foto: das.syndikat.com)
Zitat des Tages: Till Bastian
14. August 2009 | Keine Kommentare