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Online-Journal für systemische Entwicklungen

Zitat des Tages: Sascha Liebermann & Thomas Loer

| 2 Kommentare

„Zum Kern von Wissenschaft gehört Kritik, die keine Tabus kennt. Sie ist der Lebensquell einer jeden Wissenschaft. Es gilt, Schlussfolgerungen transparent zu machen sowie plausible Argumente auf ihre Geltungsbasis hin zu überprüfen. Kritik erfordert und ermöglicht, Distanz zu praktischen Urteilen und Vorlieben zu nehmen, zu lieb gewonnenen Thesen. Kritik ist kein Privileg der Soziologie oder der Geisteswissenschaften, sondern macht jede Wissenschaft im Innersten aus. Wissenschaft tritt immer mit Verallgemeinerungsanspruch auf, interessiert sich in erster Linie für das Allgemeine, das sie auch im Besonderen sucht. Aber jedes Besondere, das die Geltung des Allgemeinen in Frage stellt, reicht aus, um eine Theorie zum Einsturz zu bringen. Wir können im strengen Sinne sagen: Wo keine Kritik erfolgt, da ist auch keine Wissenschaft, dort erfolgt keine Überprüfung von Schlussfolgerungen und Theorien. Kritik steht also im Zentrum der Soziologie als Wissenschaft; dazu gehört sowohl die methodische Kritik von Alltagswissen, als auch die von wissenschaftlichen Annahmen, Überzeugungen und Erklärungsmodellen. Wie ist es um diese unerlässliche Kritik bestellt? Sie sollte nicht nur in wissenschaftlichen Publikationen, sondern auch auf Tagungen möglich sein. Das Zeitregime solcher Veranstaltungen ist jedoch sehr rigide. Lassen schon Vorträge von zwanzig Minuten kaum Spielraum, ein Problem angemessen darzulegen, so verhindern Diskussionszeiten von zehn, gar nur fünf Minuten eine Auseinandersetzung mit einer Forschungsfrage vollends. Dabei könnte kollegiale Kritik sich zum Wohle des Fortschritts der Wissenschaft entfalten. Sie macht es zudem auch dem interessierten Laien möglich, sich am wissenschaftlichen Streit zu beteiligen, wodurch er wie selbstverständlich auf die Logik des Arguments verpflichtet wird. Wenn die Kollegialität lebendig ist, bedarf es zur Einhaltung wissenschaftlicher Regeln auch keiner aufwendigen Kontrollen und Evaluationen. Wird auf Tagungen diese Kultur der Kritik nicht mehr gepflegt, geraten sie in Gefahr, sich in Instrumente einer„Karrierepolitik“ zu verwandeln: zur Plattform für Auftritte, um bekannt zu werden. Dies hat eine gewisse Beliebigkeit befördert: Der Verpflichtung zur Kritik wird etwa mit dem Hinweis ausgewichen, man gehöre einer anderen Schule an“ (In:„Soziologie – Gegenwart und Zukunft einer Wissenschaft“, In: Aus Politik und Zeitgeschichte 34-35/2005, S. 24)

2 Kommentare

  1. Tom Levold sagt:

    Lieber Herr Göbel,
    was Sie hier seit einiger Zeit in den Kommentaren veranstalten, ist ein gutes Beispiel für mangelnde Kollegialität – und Ausdruck einer ziemlichen Überheblichkeit, mit der Sie sich selbst in Szene setzen. Die Zitate des Tages sind eigentlich zum Nachdenken über eigene Positionen gedacht, da sie immer aus einem Kontext herausgenommen sind, der argumentativ weit über den Zitat-Text hinausgeht, ist eine Form der „Kritk“, wie Sie sie offensichtlich verstehen, hier gar nicht angebracht (zumindest muss sich Kritik auch selbst ausweisen, um ernst genommen werden zu können).
    Sie können aber gerne mal einen eigenen Text für das systemagazin verfassen und damit theoretisch selbst mal die Hose herunterlassen, anstatt immer nur aus der Deckung zu schießen. Ihr Hochmut ist hier wirklich nicht angebracht.
    Beste Grüße

  2. Rainer Göbel sagt:

    *„Kritik erfordert und ermöglicht, Distanz zu praktischen Urteilen und Vorlieben zu nehmen, zu lieb gewonnenen Thesen.“*
    Der Begriff „Kritik“ lässt sich demnach – autologisch gesehen – nur in „Distanz“ zu sich selbst beurteilen, also bedingt dadurch: zu und gegenüber was – eine Kritik-Variante – auf Distanz geht, also „zu lieb gewonnenen Thesen“ zum Beispiel.
    „Wie ist es um diese unerlässliche Kritik bestellt?“ …… fragen die „Kritik“-Beurteiler Liebermann/ Loer – und grenzen dann im von ihnen verfassten folgenden Text – die Umwelt-Bedingungen für die Möglichkeiten von „Kritik“ ein, unter der sie in der Regel in „Kreisen der Wissenschaft“ statt findet, und wie diese Bedingungen eine tabufreie Entfaltung allgemeiner „Kritik“ zwangsläufig einschränken.
    „Dabei *könnte* _kollegiale Kritik_ sich zum Wohle des Fortschritts der Wissenschaft entfalten“ – schreiben sie – …… „wenn die Kollegialität lebendig ist“ …… ohne die nebulösen Begriffe „Kollegialität“ und „Fortschritt“ allerdings dann einer kritischen Beobachtung zu unterziehen.
    Es bedarf dann *nur* der „Einhaltung wissenschaftlicher Regeln“ und schon funktioniert das mit der Kritik im Allgemeinen wie im Besonderen sozusagen automatisch …… nach ihrer zur tabufreien Kritik ihres Textes frei gegebenen Meinung …… Es bedarf dann auch „keiner aufwendigen Kontrollen und Evaluationen“ mehr, wie sie damit „wissenschaftlich“ *psycho*_logisch_, … „wie selbstverständlich auf die Logik des Arguments verpflichtet“ … widerspruchsfrei *glauben* jetzt feststellen zu können:
    „Zum Kern von Wissenschaft gehört Kritik, die keine Tabus kennt.“
    Ins Systemtheoretische übersetzt, ist das lediglich eine astreine Tautologie, also eine weltfremde und praxisferne vor Stellung über 1Kritik im Singular, die für „jede Wissenschaft im Innersten“ die Kritik _aus_! macht, wenn sie nicht kollegial erfolgt; was nichts anderes heißt als, dass eine unkollegiale Kritik nach ihrer Vorstellung von Kritik nicht erfolgreich sein kann. — 🙂 —

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