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Zitat des Tages: Roland Schleiffer

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„Es muss sich allerdings die Frage stellen, mit welchem Körper die körperorientierte Körperpsychotherapie zu tun hat. Lässt er sich als »Wahrheitsmedium« beobachten ? Wenn er schon der Rede mächtig ist, wieso sollte er denn nicht auch lügen können ? Wer stellt die Wahrheitsfrage, und wer will sie beantworten ? Da Bezugspersonen letztlich unvermeidlich de »wahren Körper« und somit auch das »wahre Selbst« nur verfehlen und dieses daher notwendig nur traumatisieren können, gerät (Körper-)Psychotherapie geradezu zur Psychotraumatherapie. Es verwundert daher auch nicht, dass sich in den Studien zur Körpertherapie immer wieder ein »hoher Ton« oder gar ein »Jargon der Eigentlichkeit« (Adorno) vernehmen lässt, wenn etwa vom »eigentlichen Gespräch«, vom »dialogischen Prinzip« oder vom »Moment der Begegnung« beim »psychosomatischen Dialog« die Rede ist. Überhaupt scheint die so beliebte Metapher der »Körpersprache« doch eine unscharfe Argumentation zu verdecken. Mit Hahn (1988) ist jedenfalls davon auszugehen, dass es niemals der Körper selbst ist, der spricht. Vielmehr wählt immer die Kommunikation bestimmte körperliche Veränderungen aus und misst ihnen Bedeutung und Sinn zu. Bei der »Körpersprache« handelt es sich um ein soziales Bedeutungssystem. Auch wenn und gerade weil der Körper sozial nicht vollständig kontrollierbar ist, wird das sozial nicht Kontrollierbare sozial verbindlich gedeutet. Immer hat man es mit einem beobachteten und somit sinnhaft kontextualisierten Körper zu tun. Dem Körper kommt eine sinntragende Realität nur zu, sofern er bezeichnet wird, und das heißt nur auf der Ebene sozialer oder psychischer Systeme. Insofern ist es eine Illusion, den Körper als ehrlich, authentisch und die Wahrheit verbürgend zu stilisieren, wie überhaupt ein solcher Rekurs auf Ursprünglichkeit, auf Fassbares, Greifbares, Handhabbares, auf etwas, was Sicherheit und Orientierung vermitteln könnte. Die immer wieder holistische und insofern in defragmentarisierender Absicht vorgetragene Argumentation kann nicht überzeugen, impliziert doch jede Beobachtung notwendig den Verzicht auf Ganzheitlichkeit“ (In: Der Körper als Adresse – Zur Funktion der Somatisierung. Kontext 39 (2), 2008, 104-126).

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