„Der Journalismus wie übrigens alle anderen Systeme auch, die dem Dispositiv der Massenmedien zugeordnet waren, zeichnete sich dadurch aus, dass eine zentrale Referenzstelle wie ein Verlag, eine Sendestation oder ein Autor mehr Aufmerksamkeit auf sich zog als diejenigen, die diese Aufmerksamkeit bereitstellten, was eine Hierarchiesierung der Informationselektion zur Folge hatte. Dieses Muster der zentralisierten Informationsselektion zeigte sich auf allen Organisationsebenen: Verlag Redaktion, Chefredaktion Ressorts, Redakteur freier Journalist, Lektor Autor, Autor Leser. Dieses Muster findet man übrigens überall dort, wo die Anschlussfindung hauptsächlich über die Verbreitung von Dokumenten funktioniert, so etwa auch an Universitäten (Professor Studierende), Parlamenten (Abgeordnete Wähler) oder im Vereinswesen (Vorstand Mitglieder). Bilden sich solche Muster heraus und geraten durch Organisation in Konkurrenz zu einander, stellt sich die Situation ein, dass ein Vorrecht zur Informationsselektion notwendig beibehalten werden muss, um daraus resultierende Strukturen der Kapitalakkumulation durchzuhalten: nur, wer zuerst informiert ist, kann Entscheidungen treffen und Entscheidungen stellen sicher, wer zuerst informiert wird. So hat verloren, wer zuletzt oder wenigstens schon nicht zuerst informiert ist. Daher kommt der Dauerverdacht der Manipulation durch Massenmedien, da stets alle beteiligten Kommunikationssysteme, da sie auf gegenseitiges Informiertwerden notwendig angewiesen sind, plausible Gründe dafür finden, dass sie entweder nicht, nicht vollständig, also einseitig, parteilich, subjektiv oder nicht rechtzeitig informiert wurden: Politiker verdächtigen Journalisten, diese verdächtigen Politiker, Leser und Zuschauer verdächtigen mal die einen, mal die anderen, während die einen und die anderen wahlweise ihre Wähler oder Leser und Zuschauer verdächtigen, von anderern falsch und unzureichend informiert worden zu sein. Zur Lösung daraus resultierender Verwirrungssituationen entstand ein Expertentum, das sowohl Glauben als auch Zweifel über die Berichterstattung ermöglichte, womit jedoch nur eine Dauerirritation sicher gestellt wurde. Denn das gegenseitige Verdächtigungsspiel mit damit ja nicht ausgehebelt, sondern nur professionalisiert“ (In: Experteneinstellung: benutzerdefiniert #twitteraffäre)
Zitat des Tages: Kusanowsky
4. April 2011 | Keine Kommentare