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Zitat des Tages: Jean Grondin

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„Die Frage nach dem Sinn des Lebens setzt (…) eine gewisse Fremdheit des Lebens sich selbst gegenüber voraus. Dieses Fremdheitsgefühl hat etwas an sich Unheimliches, denn es ist hier das eigene Leben, das sich selbst fremd vorkommt. Es ist merkwürdig, weil ich doch mit meinem Leben eng vertraut bin. Trotz dieser unaufhörlichen Intimität behält das Leben etwas Bestürzendes, Geheimnisvolles, lrres, als ob wir auf dem Rücken eines Tigers hängen würden, wie Nietzsche schreibt. Unser Leben erstreckt sich von der Geburt bis zum Tod hin, aber wir haben doch meist keine Erinnerung an unsere Geburt oder unsere ersten Jahre; und unser Tod wird nicht mehr – so hat es zumindest den Anschein – von uns erfahrbar sein. Wir stecken dazwischen, ohne wirklichen Zugriff auf uns selbst. Ein »Griff« ist ja nur gegenüber einem vor uns befindlichen Gegenstand möglich, was für unsere Existenz nicht zutrifft: Sie ist uns eher inhärent als gegenübergestellt. Niemand ist für seine Geburt verantwortlich, und der Tod bleibt in den meisten Fällen unvorhersehbar, plötzlich und kläglich. Er erinnert uns daran, dass wir armselig vor ihm stehen und dass wir wie alle Tiere, denen gegenüber wir uns so überlegen dünken, sterben werden“ (In: Vom Sinn des Lebens. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, 27f.)

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