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Zitat des Tages: Buchholz, Lamott, Mörtl

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„Der Übergang vom Strafvollzug zur Sozialtherapie kennzeichnet für die Gruppenteilnehmer nicht nur eine Bewegung zwischen verschiedenen symbolischen Räumen, sondern bringt auch eine Reihe von manifesten Veränderungen mit sich, in denen die Bewerber von einem Zustand und Status in einen anderen hinübertreten. Um in die Sozialtherapeutische Abteilung des Justizvollzugs aufgenommen zu werden, müssen sich die Gefangenen selbst bewerben. Ihre Bewerbung wird von verschiedenen juristischen und psychologischen Instanzen geprüft. Es gibt ein Risiko, abgelehnt zu werden. Die Gruppenteilnehmer wissen um dieses Risiko und sie können sich in reflexiver Einstellung denken, dass ihre Motivation zur Therapieteilnahme geprüft wird. Motivation, wie auch immer sie in psychologischer Hinsicht aussehen mag, gerät hier in einen konversationellen Rahmen: sie muss so dargestellt werden, dass dem Bemühen Erfolg beschieden werden kann. Zu wenig Glaubhaftigkeit der motivationalen Darstellung lässt das Vorhaben ebenso scheitern wie ein Zuviel. Die erzwungene Beimischung solcher notwendigerweise strategischen Überlegungen zur Darstellung der eigenen Motivation schafft besondere Schwierigkeiten, die ein Gefangener bewältigen muss, will er in den therapeutischen Raum eintreten. Um über diese Initiationsschwelle zu treten, wird von den Gruppenteilnehmern erwartet, ihre Geschichte zu erzählen. Das Tat-Narrativ hat somit eine wichtige Bedeutung, die auch bei unserer Analyse berücksichtigt werden muss. Es ist zentral im Schnittpunkt einer »vertikalen« Linie der persönlichen Geschichte und Entwicklung, und »horizontal« im aktuellen Kontext des Strafvollzuges und der Gruppe“ (In: M.B. Buchholz, F. Lamott, K. Mörtl: Tat-Sachen. Narrative von Sexualstraftätern. Gießen, Psychosozial-Verlag, S. 45).

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