„Auf den bestenfalls missverständlichen Begriff der Erfindung, der Wirklichkeitskonstruktion als willkürlich und intentional bzw. als Schöpfung eines autonomen Geistes erscheinen lässt, kann man ohne jeden Erkenntnisverlust verzichten. Den Konstruktionsbegriff sollte man, gerade wenn es um die Analyse des Journalismus geht, in ein begriffliches Instrumentarium umarbeiten, das Stufen und Varianten der Konstruktivität sichtbar macht: Diese Varianten sind, wie noch in der Auseinandersetzung mit ethischen Fragen gezeigt werden wird, zwischen den Extremwerten einer unbewusst und unwillkürlich ablaufenden Wirklichkeitskonstruktion, potentiell bewusster Gestaltung, bewusster Inszenierung und schließlich bewusst-gezielter Erfindung von Wirklichkeit anzusiedeln. So wird es möglich, präzise zwischen erkenntnistheoretischen All-Aussagen (Beispiel: man kann nicht nicht konstruieren) und empirisch zu härtenden Trendthesen (Beispiel: Beobachtbar ist die zunehmende Tendenz der Inszenierung von Medienwirklichkeit) zu unterscheiden; die Differenz, die man auf diese Weise in den Blick bekommt, verläuft zwischen dem Pol eines epistemologischen, zeitunabhängigen Apriori und einem gradualisierten Konzept, zwischen der All-Aussage (nach dem Muster: »Immer schon, unvermeidlich …«) und einer Trenddiagnose (nach dem Muster: »Immer mehr, zunehmend. ..«)“ In: Bernhard Pörksen, Die Beobachtung des Beobachters. Eine Erkenntnistheorie des Journalismus. UVK Konstanz 2006, S. 51f.)
Zitat des Tages: Bernhard Pörksen
3. Juni 2009 | Keine Kommentare