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Online-Journal für systemische Entwicklungen

Zeitschrift für systemische Therapie 1984

Heft 5 (April 1984)

Jürgen Hargens (1984): Einleitende Bemerkungen: Systemtherapie in/und Institutionen. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(5), S. 1-1

Alex Molnar & Barbara Lindquist (1984): Erkenntnisse über Verhalten und Strukturen verbinden – Ein systemischer Ansatz, die Leistungsfähigkeit der Schule zu erhöhen. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(5), S. 2–15

abstract: In dieser Arbeit wird eine systemische Sichtweise von Verhalten beschrieben, die sich in den letzten dreißig Jahren aus der Praxis der Familientherapie entwickelt hat. Diese Perspektive sowie ihre Konzepte und Techniken versprechen einiges für Fachkräfte, die in Schulen arbeiten. Konzepte wie Kooperation und Interpunktion sowie Techniken wie Umdeuten und paradoxes Vorgehen können ebensogut von Lehrern in ihren Klassen wie von Schulsozialarbeitern und Schul psychologen verwendet werden, um ihre Effektivität zu erhöhen. Der Schulpsychologe spielt dabei eine besonders wichtige Rolle, weil die Art seiner Verantwortlichkeit ihm die Möglichkeit gibt, Belange einzelner Kinder mit einer umfassenderen Sicht der Leistungsfähigkeit der Schule insgesamt zu verbinden. Wir sind nicht der Meinung, ein systemischer Ansatz sei der einzige, der in Schulen verwendet werden sollte, sondern wir sind vielmehr der Überzeugung, daß einige der Konzepte und Techniken der systemischen Familientherapie nützlich sind, immer wieder auftretende Schulprob lerne zu lösen. Darüberhinaus könnte die Übernahme systemischer Ideen Wege aufzeigen, in denen die Mitarbeiter an Schulen zusammenarbeiten können, um Erkenntnisse über Verhalten und Strukturen effektiv zu verbinden. Wie Aplin (1978) ausführte, ist es genau diese Art der Verbindung von Erkenntnissen über Verhalten und Strukturen (die ein systemischer Ansatz bietet), die wesentlich zum Erreichen organisatorischer Ziele beiträgt.

R. Dick Blackwell & M.P.J. Wilkins (1984): Systemische Therapie in Institutionen, die Probleme aufrechterhalten. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(5), S. 17–28

abstract: Diese Arbeit befaßt sich mit der Frage, wie Änderungen im Rahmen homöostatischer institutioneller Strukturen erleichtert werden können. Zunächst wird ein theoretischer Rahmen entworfen, eine Meta-Karte, die die epistemologische Grundlage der Problembildung und des Problembestands beschreibt. Dann folgen vier Beispiele, wie Therapeuten innerhalb solcher problematischen Strukturen arbeiten.

Kurt Ludewig & Thomas von Villiez (1984): Warum systemische Therapeuten Systeme wie die Psychiatrie nicht vermeiden sollten. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(5), S. 29–38

abstract: Die Frage nach der wechselseitigen Beziehung zwischen der am systemischen Denkmodell orientierten Therapie und der Institution (Psychiatrie), in der diese Therapie geschieht, wird spätestens dann zu einer zentralen Frage, wenn systemische Therapeuten entweder die erste Begeisterung für das Neue dieser Sichtweise abgelegt haben oder sich mit den Grenzen ihres eigenen institutionellen Kontextes konfrontiert sehen. Haley (1975) kommt zum Beispiel angesichts dieser Frage zu der ironischen Schlußfolgerung, daß psychiatrische Institutionen die Familientherapie vermeiden sollten. Selvini-Palazzoli (1983) rät andererseits dazu, daß Therapeuten, statt ihre Energien in großen Institutionen verpuffen zu lassen, lieber kleinere überschaubare Einrichtungen systemisch begründen sollten. Boscolo und Cecchin warnen davor (z.B. bei der DAF-Tagung 1982 in Marburg), in der ersten Verliebtheit mit systemischen Erkenntnissen allzu „erhobenen Hauptes“ durch die eigene Institution zu wandern, da man zu leicht die „homöostatische Macht“ traditierter Kontexte unangenehmerweise zu spüren bekommt. Andere Autoren beschreiben ausführlich ihren Werdegang zum Familientherapeuten als den Weg der ständigen Auseinandersetzung mit ihren Institutionen (z.B. Framo, 1976). Alles in allem scheint es der Übergang zum systemischen Denken, d.h. die Umstellung der Wahrnehmung auf Prozesse, Ganzheiten und Kontexte (vgl. Dell, 1982; Keeney, 1982) zu erfordern, daß der Kontext selbst, in dem dies geschieht, mitbedacht werden muß.

Wilhelm Rotthaus (1984): Das Jammern über die Institution als Alibi. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(5), S. 39–40

abstract: Natürlich sollten systemische Therapeuten Systeme wie die Psychiatrie nicht vermeiden ! Wenn Haley solches äußert, meint er das meines Erachtens nicht ironisch, sondern vielmehr provokativ, als paradoxale Intervention. Es ist sicher verdienstvoll, daß Ludewig und von Villiez in ihrem Aufsatz deutlich machen, wie unsystemisch ein Denken ist, das die Änderung der Institution als Voraussetzung für die Durchführung systemischer Therapie ansieht (auch wenn man das alles vielleicht etwas einfacher und direkter hätte sagen können). Sehr anschaulich und sicherlich praxisnah ist das Bild der therapeutischen Nische und die Beschreibung des Verhältnisses des therapeutischen Systems zum System Institution. Allerdings habe ich den Eindruck, daß beide Autoren wesentlich ambulante Therapien im Auge haben; denn wenn man die Zahl der am Therapieprozeß Beteiligten bei einer stationären Therapie bedenkt, dann wird aus der Nische doch schon ein kleiner Tanzsaal. Konkret gesagt: Bei einer stationären Therapie besteht das therapeutische System nicht nur aus der Familie und den Therapeuten im engeren Sinne, sondern einbegriffen sind auch alle Betreuer auf der Station. Deren berufliches Handeln und deren berufliches Selbstbild hat entscheidenden Einfluß auf den Therapieverlauf. Und über sie fließen die Regeln der Institution in die Therapie ein.

Hans Jellouschek (1984): Stellungnahme von Hans Jellouschek. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(5), S. 41–43

abstract: Für unsere eigene systemtherapeutische Arbeit mit Familien haben wir den von Ludewig und Villiez erwähnten weg gewählt, eine eigens dafür konzipierte Einrichtung zu schaffen. Über unsere Erfahrungen und Erkenntnisse habe ich anderenorts berichtet (1982). Insofern wir jedoch auch Ausbilder in systemischer Familienberatung und -therapie sind, werden wir von unseren Ausbildungskandidaten immer wieder mit den Fragen konfrontiert, die Ludewig und Villiez in ihrem Artikel behandeln. Wir haben dabei schon alle dort genannten Möglichkeiten miterlebt: Ausgrenzung aus der Institution aufgrund zu starker Abgrenzung und Polarisierung, Aufgesogen-Werden aufgrund zu durchlässiger Grenzen und schließlich feste Etablierung innerhalb der Institution und Einsetzen eines koevolutiven Veränderungsprozesses in Richtung systemischer Sicht- und Arbeitsweise.

Max J. Trommel (1984): Warum systemische Therapeuten irreleitende Vermengungen vermeiden sollten – Ein Kommentar. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(5), S. 44–46

abstract: Ludewigs und von Villiez’ Arbeit “Warum systemische Therapeuten Systeme wie die Psychiatrie nicht vermeiden sollten“ kann ein wesentlicher Anstoß sein, über die Zusammenarbeit von systemischen Therapeuten und der Institution Psychiatrie nachzudenken. Und es ist für den Verlauf dieser Diskussion tatsächlich von Bedeutung, die verwendeten Konzepte so klar wie nur möglich zu beschreiben. Ich kann mit den Autoren völlig darin übereinsti mmen, daß sich Therapie zu Psychiatrie verhält wie Inhalt zu Kontext. Aber ich habe den Eindruck, daß die Autoren von diesem Punkt an ihre These nicht ausreichend konsequent verfolgen. Sie bemühen sich, die Probleme zu analysieren, die zwischen dem therapeutischen System und dessen möglichem Kontext entstehen können: die Institution Psychiatrie.

Jochen Schweitzer (1984): Nische oder Neubau? Zu den Grenzen der Koevolution von Psychiatrie und Systemischer Therapie. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(5), S. 47–50

abstract: „ökologische Nische“ – dieser Begriff vermag ein anheimelndes Bild zu suggerieren: Drei tapfere kleine Männchen haben sich in unwirtlichem Land eine kleine Höhle behaglich ausgestattet. Sie schicken einen der ihren als Botschafter zu den grobschlächtigen Ureinwohnern des Landes, laden diese gelegentlich zu Besuchen in die warme Höhle ein und hoffen darauf, daß der beständig freundliche Umgang mit denen draußen den Fortbestand der Höhle sichern und die groben Kerle am Ende gar bewegen mag, etwas von der feineren Kultur der kleinen Männchen anzunehmen. Unter der Metapher der ökologischen Nische liefern Kurt Ludewig und Thomas von Villiez eine Anleitung zu einer reformerischen Strategie für systemische Therapeuten in der Psychiatrie. Dazu leistet der Artikel nützliche Beiträge: er klärt die Unterschiede von Institution und therapeutischem System und ist m.E. die bislang konsistenteste systemische Analyse der Interaktion beider. Meine Kritik richtet sich auf den defensiven Opportunismus, der das dargestellte Verhältnis der Autoren zur Psychiatrie Charakterisiert. Der Zufriedenheit mit einer Nische, deren konkrete Ausgestaltung nicht mehr diskutiert wird, entspricht m.E. eine abstrakte bleibende und daher unkritische Darstellung der Psychiatrie. Die Phantasie endet – in diesem Artikel – an der Anstaltspforte; die vorwärtstreibende und evtl, subversive Kraft des systemischen Therapieansatzes bleibt auf der Strecke. Sollen wir in der Psychiatrie mit Nischen zufrieden sein, wo ein Neubau dringend nötig wäre?

Kurt Ludewig & Thomas von Villiez (1984): Viele Wege führen von Mailand… Eine Reaktion auf vier Reaktionen. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(5), S. 51–55

Hans Günter Holl (1984): Erkenntnistheoretische Probleme der Familientherapie oder: Technik und Subjektivität im Kontext. Eine Apologie des Spiels. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(5), S. 57–63

abstract: Der große Familienkenner und Familienanalytiker Lew Nikolajewitsch Tolstoi beginnt seinen epochemachenden Roman Anna Karenina mit dem so schlichten wie tiefen Satz: “Alle glücklichen Familien ähneln einander; jede unglückliche aber ist auf ihre eigene Art unglücklich.“ Man könnte daraus schließen, daß Glück eine Art Trivialisierungseffekt hat, die Menschen auf eine allgemeine Gattungsebene reduziert und sie, zumindest was die kulturelle Leistungsfähigkeit angeht, von einer originären geschichtsmächtigen Gestaltungskraft ausschließt. Bei dieser Interpretation näherte sich Tolstois Befund dem Hegelschen Diktum an, die glücklichen Zeiten der Geschichte seien die leeren Blätter in ihr. Damit bliebe den glücklichen Familien nichts als die sterbliche, ja ephemere Unmittelbarkeit ihres Glücks, – zwar kulturtragend, aber nicht kulturbildend; die unglücklichen hätten als Trost und Entschädigung für ihr trauriges Schicksal zumindest die Aura und Einmaligkeit des Unwiederholbaren, die Garantie ihrer unverwechselbaren Geschichtlichkeit. Solche spekulativen Erwägungen passen schlecht zum unmittelbar erlebten Schicksal des einzelnen in der Familie, zur Praxis des Familientherapeuten, aber auch zur neueren Erkenntnis- oder Systemtheorie der Familie, die sich in Begriffen wie Homöostase, Selbstregulation, informationskompensierende Feedbackzyklen, Ökogruppe und multiple Feedbackstrukturen artikuliert. Alle diese Begriffe, die ihren Bedeutungsspielraum letztlich von der kybernetischen Beschreibung zirkulärer Systeme beziehen, verweisen jedoch auf ein weiteres Konzept, das die Systemtheorie für erkenntnistheoretische, soziologische und schlicht empirische Überlegungen öffnet. Gemeint ist der nicht nur grundlegende, sondern auch vielfarbig schillernde, kaum abgrenzbare Begriff des Kontextes, der die überkommenen Vorstellungen vom autonomen Subjekt oder von der selbstgenügsamen Substanz ablöst.

Marianne Krüll (1984): Rezension – Jürgen Wippich  (1983): Begegnung. Arbeitsgrundlagen des personenzentrierten Handelns und Neurolinguistischen Programmierens. Zur komplexen Psychotherapie Milton H. Ericksons. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(5), S. 64-64

Marianne Krüll (1984): Rezension – Gottlieb Guntern (Hrsg.)(1983) „Die Welt, ein schwingendes Gewebe. 2. Internationales ISO Symposium 1983. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(5), S. 64-64


Heft 6 (Juli 1984)

Karl Tomm (1984): Training und Ausbildung in systemischer Therapie. Einige einleitende Bemerkungen des Gast-Herausgebers. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(6), S. 65–70

abstract: Systemische Therapie und Familientherapie sind nicht synonym. Es gibt zwar bedeutsame Überschneidungen, aber sie sind nicht gleichbedeutend. Systemische Therapie impliziert ein bestimmtes epi stemolog isches Verständnis psychosozialer Phänomene, ungeachtet der Größe oder der Zusammensetzung des(r) behandelten Systems(e) . Familientherapie konzentriert sich pragmatisch auf die Einheit Familie, unabhängig von epistemologischer Haltung oder theoretischer Orientierung des Therapeuten. Familientherapeutische Ausbildung ist aber wahrscheinlich das beste und effektiveste Mittel, daß Therapeuten lernen, systemisch zu denken und zu handeln.

Luigi Boscolo & Gianfranco Cecchin (1984): Training in systemischer Therapie am Mailänder Zentrum. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(6), S. 71–83

abstract: Die Forschungen des Mailänder Teams begannen 1967 mit der Behandlung von Paaren und Familien auf Grundlage des psychoanalytischen Modells. Etwa 1971 entstand im Konzept der Gruppe über die Familie und ihre Behandlung ein Riß und das Team, das damals aus sechs Mitgliedern bestand, teilte sich in zwei Gruppen. Zwei Mitglieder arbeiteten weiter mit dem psychoanalytischen Modell, während die vier übrigen (M.Selvini Palazzoli, die Begründerin des Teams, L.Boscolo, G.Cecchin und G.Prata) einen systemischen Ansatz bei Familien entwickelten, wobei sie sich von den Arbeiten von Jackson, Haley, Watzlawick und vor allem Bateson inspirieren ließen. Ihre Studien und Forschungen schlugen sich in zahlreichen Artikeln und im Buch „Paradoxon und Gegenparadoxon“ (1978) nieder, das den konzeptuellen Rahmen und die therapeutische Vorgehensweise enthält, die die Grundlage des hier beschriebenen Trainings enthält. Darüberhinaus erhielten wir eine steigende Zahl von Kongreßeinladungen, wo es um die Behandlung der Schizophrenie und der Familie ging. Es trafen auch Anfragen ein nach Workshops und Training in dem irgendwie einzigartigen Ansatz der Gruppe der Familie gegenüber. Mit Beginn des Jahres 1977 initiierten Boscolo und Cecchin ein Trainingsprogramm, das auf der Arbeit am Zentrum basiert.

Insoo K. Berg & John Walter (1984): Handeln ist erkennen: Ein Lehrlings-Modell der Therapeuten-Ausbildung. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(6), S. 85–92

abstract: Diese Arbeit beschreibt das Grundprinzip und das Format des Trainingsprogramms am Brief Family Therapy Center (BFTC). Das Programm soll die Trainees insbesondere anleiten, (1) Änderungen schnell zu initiieren und (2) systemisch zu denken. Die Erfahrungen aus der Sicht des Trainees werden ebenfalls dargestellt und der Wahrnehmung des Trainingsprogramms durch den Trainer gegenübergestellt.

Judith Landau & M. Duncan Stanton (1984): Live-Supervision im Rahmen des »Pick-A-Dali-Zirkus«-Modells. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(6), S. 93–102

abstract: Mitte der 60er Jahre begann die Autorin (JLS) mit dem Ansatz, den wir heute ‚ Pick-a-Da1i-Zirkus‘ (#) nennen. In den folgenden Jahren hat dieser Ansatz einige Änderungen und Verbesserungen erfahren. Er fing nicht als formalisierte „Ausbildung von Familientherapeuten“ an, sondern als ein informelles Team von Fachleuten aus verschiedenen Bereichen, die sich (zusammen mit Familien) mehr oder wenig zufällig trafen. Das Vorgehen entwickelte sich nach und nach, zum Teil aus Gründen der Praktikabilität, da ein Teil der Ausbildung zukünftiger Familientherapeuten, die die Autorin durchführte, in Einrichtungen stattfand, die weder Scheibe noch Video hatten. Ein weiterer Faktor war der, daß die Arbeit in einem Entwicklungsland stattfand – Südafrika -, wo es darum ging, viele Trainees zugleich auf ein ähnliches Kompetenzniveau zu bringen und wo es dringend geboten war, Supervisoren auszubilden. Dieses Modell hat sich, wie wir sehen werden, neben seiner therapeutischen Effektivität als eine überaus wirkungsvolle Ausbildungsmethode erwiesen. Hier wird über Supervision im Rahmen eines Teammodells gesprochen, wo das gesamte Team mit der Familie im selben Raum bleibt. Diese Methode umfaßt einen aktiven, fließenden Prozeß und die Entwicklung von Metaphern und Darbietungen oftmals surrealistischer Natur, manchmal wie „absurdes Theater“. Ausbildung wird diskutiert in Hinblick auf (a) unerfahrene Trainees als Teammitglieder, (b) unerfahrene Kliniker als „identifizierte“ Therapeuten der Familie und (c) erfahrene Familientherapeuten, die noch keine Erfahrung mit diesem Modell haben. Es wird davon ausgegangen, daß diese Form der vielgestaltigen Supervision als primäre Form der Ausbildung beginnender Familientherapeuten nutzbar ist.

Evan Imber Coppersmith (1984): Wie man Trainees anleiten kann, triadisch zu denken. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(6), S. 103–112

abstract: In diesem Artikel wird ein kurzer Überblick über das Konzept der Triade in Theorie und Praxis der Familientherapie gegeben. Es folgt die detaillierte Beschreibung einer neu entwickelten Übung, um Trainees anzuleiten, triadisch zu denken.

Bradford P. Keeney & Jeffrey Ross (1984): Lernen, systemische Therapien zu lernen. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(6), S. 113–122

abstract: Wir wollen hier einige grundlegende Muster darlegen, die wir als nützlich ansehen, Therapeuten zu lehren, systemische Therapien zu konstruieren. Wir werden uns auf zwei Aspekte des therapeutischen Prozesses beschränken: (1) Fragen zu entwerfen und (2) die gewonnene Information zu ordnen. Andere Aspekte, wie etwa Kontextmarkierungen, Entwerfen und Durchführen therapeutischer Interventionen werden anderenorts dargelegt (Keeney und Ross, 1983). Wenn wir unsere Diskussion auch auf die therapeutischen Strategien, die mit dem MRI (Watzlawick , Weakland und Fisch, 1974) und Mailand (Selvini-Palazzoli, Cecchin, Prata und Boscolo, 1978) verbunden sind, beschränken, so müssen wir doch darauf hinweisen, daß die Dinge, die wir darstellen, sich auch auf andere therapeutische Wirklichkeiten beziehen lassen. Wir behaupten, daß diese Muster einmal als Möglichkeiten, Therapie zu verstehen, aufzufassen sind wie auch als Vorschriften der Konstruktion.

Jennie Pilalis (1984): Formalisierung familientherapeutischer Ausbildung – Fragen und Implikationen. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(6), S. 123–133

abstract: Diese Arbeit beleuchtet die entstandene Debatte, insbesondere in Großbritannien und Austra 1ien/Asien, hinsichtlich der Erwünschtheit stärker forma1isierter AusbiIdungsprogramme in Familientherapie. Die Professionalisierung der Familientherapie ist imgange. Die Implikationen dieses Prozesses für Strukturen der Ausbildung, Rolle der Fami1ientherapeuten, Natur familientherapeutischer Vereinigungen und grundlegender Ziele der Familientherapie werden dargestellt. Alternative Modelle von AusbiIdungsstrukturen, ihren ideologischen Begründungen und Implikationen dieser Alternativen für die Natur eines Vereins und den familientherapeutischen Prozeß werden kurz diskutiert. Zusammenfassend werden einige Prioritäten eines wünschenswerten Modells familientherapeutischer Ausbildung aufgeführt.

Håkon Hårtveit (1984): Mitarbeiter stellen sich vor: Håkon  Hårtveit. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(6), S. 134-134

Kurt Ludewig (1984): Bin ich zum Schwärmer geworden? Über meinen Besuch der Internationalen Konferenz »The Construction of Therapeutic Realities» vom 23.-29. April 1984 in Calgary, Kanada. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(6), S. 135-139

Tom Levold (1984): Rezension – Humberto Maturana (1982): „Erkennen: Die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit. Ausgewählte Arbeiten zur biologischen Epistemologie“. Braunschweig-Wiesbaden (Vieweg). In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(6), S. 140-140

Pavao Brajsa (1984): Neubau, Umbau, systemische Psychiatrie: Eine jugoslawische Perspektive. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(6), S. 141-144


Heft 7 (Oktober 1984)

Bradford P. Keeney (1984): Notizen aus dem epistemologischen Untergrund. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(7), S. 145–146

abstract: Einige klinische Wissenschaftler gehen davon aus, daß sich eine lebensfähige Zukunft der Familientherapie aus den sogenannten neuen Ideen, neuen Therapien oder neuen Epistemologien – seien sie systemisch oder nicht – konstruieren läßt. Die vielleicht radikalste (oder konservativste) Auffassung ist die, daß sich das für unseren Bereich „Neue“ in den Klassikern der Vergangenheit findet. Diese Sicht läßt sich gut anhand einer Anekdote verdeutlichen, die Kaiser Wilhelm I. von Deutschland, Bismarcks alter Herrscher, gerne erzählte. Als er noch König war, besichtigte er einmal ein Observatorium in Bonn und neckte den Astronomen mit der Frage, „Nun, mein lieber Argelander, was gibt’s Neues am Sternenhimmel ?“ Die Antwort des Astronomen kam prompt und ohne Zögern in Form einer weiteren Frage: „Mein König, kennen Eure Majestät denn schon das Alte?“. Wenn die intellektuelle Basis der Familientherapie oft auf Gregory Batesons Ideen zurückgeführt wird, so übersieht man leicht, daß Batesons Arbeit selbst in einer größeren Tradition steht, die als kybernetische Epistemoloqie bezeichnet wird. Ich habe mich kürzlich Batesons Ideen so genähert, als seien sie Teil einer Kriminalgeschichte („Aesthetics of Change“, N.Y. 1983 (1)). Da er selbst meist viele seiner intellektuellen Spuren verdeckt, muß man einigen Spürsinn zeigen, um herauszufinden, wie er seinen Mentoren, Wiener und McCulloch, verbunden war und wie diese wiederum einer ganzen Gruppe zeitgenössischer Kybernetiker verbunden waren, etwa Ashby, Pask, von Foerster, Powers, Varela und Maturana. Ich muß hinzufügen, daß zahlreiche Familientherapeuten auch Teil der historischen Tradition der Kybernetik sind; dies schließt u.a. ein Weakland, Haley, Jackson, Watzlawick, Bandler, Grinder sowie Selvini-Palazzoli und ihre Mitarbeiter. Insbesondere stellte „Menschliche Kommunikation“ (Watzlawick et al.) eine klare Darlegung der frühen kybernetischen Über legungen Batesons zur Verfügung und es ist ohne Frage eines der wichtigsten Bücher, die das Gebiet der Familientherapie hervorgebracht hat.

Paul F. Dell (1984): Von systemischer zur klinischen Epistemologie. I.Von Bateson zu Maturana. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(7), S. 147–171

abstract: Im Bereich der Familientherapie breitet sich gegenwärtig ein sehr verworrenes epistemologisches Dickicht aus. Ironischerweise läßt sich die Existenz dieses Dickichts direkt jenen Therapeuten zuschreiben, die versucht haben, in unser Denken über Familientherapie Ordnung zu bringen. Ihre jeweiligen Versuche, das Dickicht zu entfernen, haben dazu geführt, daß es hinter ihrem Rücken nur noch verworrener, dichter und dorniger als vorher wuchs. Dies ist die erste von zwei Arbeiten, die versuchen, das Dickicht zu entfernen. Diese erste Arbeit hat drei Ziele: 1) die epistemologisehen Fragen, die in allen Formen der Psychotherapie – und nicht nur in der Familientherapie – enthalten sind, zu entwirren, 2) einige unerläßliche Perspektiven hinsichtlich Systemtheorie und den sogenannten systemischen Epistemologien zu entwerfen und 3) unser Verständnis von Therapie und allen anderen menschlichen Interaktionen nicht auf System, sondern auf die ontologische Natur menschlicher Wesen zu gründen. Diese Ontologie, die Maturana „Struktur-Determinismus“ nennt, ermöglicht ein besseres Verständnis von der Natur der Systeme. Es wird gezeigt, daß Systeme und systemische Phänomene als natürliche Konsequenz der Operation des Struktur-Determinismus entstehen.

Tom Levold (1984): Einige Gedanken über den Nutzen einer Theorie autopoietischer Systeme für eine klinische Epistemologie. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(7), S. 173–189

abstract: In seinem Aufsatz „Von systemischer zur klinischen Epistemologie. Von Bateson zu Maturana“ schreibt Paul Dell den besonderen Stellenwert der Systemtheorie Humberto Maturanas ihrer ontologischen Perspektive zu, die in der Lage sei, einige Unklarheiten bzgl. des Verhältnisses von Ontologie und Epistemologie im Werk von Gregory Bateson aufzulösen. In meiner Arbeit will ich einige Überlegungen anstellen über den Nutzen dieser Betrachtungsweise bei der Untersuchung sozialer Systeme. Welchen Beitrag leistet sie für die Entwicklung einer klinischen Epistemologie oder: Wie hilfreich ist sie für Familientherapeuten? Dabei werde ich zunächst einige grundsätzliche Postulate der Theorie autopoietischer Systeme anführen, um dann in einem zweiten Schritt einige Besonderheiten sozialer Systeme aufzuzeigen. Abschließend werde ich mich mit der Frage nach einer klinischen Epistemologie und ihrer Bedeutung für die Praxis der Familientherapie auseinandersetzen.

Helmut Willke (1984): Zum Problem der Intervention in selbstreferentielle Systeme. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(7), S. 191–200

abstract: Betrachtet man Therapie als Form der Intervention in komplexe, lebende Systeme, dann lassen sich für systemisch orientierte therapeutische Arbeit Überlegungen und Erfahrungen nutzen, die in anderen Bereichen im Umgang mit dem Grundproblem des Systemcharakters und der Selbstreferentialität mentaler Prozesse gemacht worden sind. Daß mentale Prozesse – wie Wahrnehmen, Wissen, Denken oder Lernen – systemisch organisiert sind, ist keineswegs eine neue Erkenntnis. Aber sie mußte von Autoren wie z.B. Bateson oder Maturana/Varela neu ins Bewußtsein gerückt werden, nachdem die Bedeutung des restringierten linearen Denkens aufgrund der vermeintlichen Erfolge der instrumentellen Vernunft lange Zeit verabsolutiert worden ist. Auch daß mentale Prozesse selbstreferentiell ablaufen, kann man spätestens seit Kants Kritik der Urteilskraft wissen; aber auch hier bedurfte es erst einer biologischen Fundierung dieser Erkenntnis, um sie einem naturwissenschaftsgläubigen Publikum bedeutsam zu machen. Die folgenden Überlegungen sollen für den erforderlichen Neubau einer systemischen Epistemologie nur zwei Mosaiksteinchen beitragen. Zum einen geht es darum, mit Bateson die Bedeutung von Differenzen und der Einheit von Differenzen als grundlegende Bedingung der Möglichkeit der Systembildung herauszuarbeiten; zum anderen soll im Anschluß an das Autopoiese-Konzept von Maturana und Varela Selbstreferentialität als diejenige Besonderheit komplexer Systeme herausgestellt werden, welche gerade für therapeutisches Arbeiten besonders wichtig ist. Insgesamt soll das Argument dazu beitragen, daß Therapeuten ihre Arbeit weniger als die lineare, instrumentelle Verursachung von Wirkungen verstehen, denn als Anregung zur Selbststeuerung.

Egbert Steiner (1984): Einige Anmerkungen zum Systemkonzept von G. Guntern. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(7), S. 201-213

abstract: Drei Begriffe der Konzeption systemischer Familientherapie von G. Guntern – System, Organisation, Autoorganisation – werden aus der Sicht des Paradigmas selbst-organisierender Systeme (Maturana u.a.) diskutiert. Ausgehend von Überlegungen zum Geltungsbereich des Paradigmas wird versucht, im Rahmen des Konzeptes von Guntern Familie als soziale Gruppierung unter dem Primat der AufrechterhaItung der Autopoiese der Individuen zu Charakterisieren. Es werden Hinweise, wie dann Veränderung in Familien aufzufassen ist und welchen Stellen wert therapeutische Interventionen haben, abgeleitet.

Brian Cade (1984): Mitarbeiter stellen sich vor: Brian Cade. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(7), S. 214-214

Philippe Caillé (1984): Mitarbeiter stellen sich vor: Philippe Caillé. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung 2(7), S. 214-215