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Wie familiär sind Familienunternehmen?

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O. Geramanis & K. Hermann (Hrsg.) Organisation und Intimität

O. Geramanis & K. Hermann (Hrsg.)
Organisation und Intimität

„Was haben Organisationen mit Intimität zu tun? Wenn man auf Zweckorientierung, Arbeitsteilung und bürokratische Formalisierung schaut, nichts. Schaut man stattdessen auf die schöne neue Arbeitswelt postindustrieller Unternehmen, dann sehr viel: In der kreativen und innovativen Wissens- und Dienstleistungsarbeit können sich die Menschen ganz hingeben und selbst verwirklichen. Die neuen Informations- und Kommunikations-Technologien lassen die Grenzen zwischen dienstlich und privat verschwinden, da man immer und überall erreichbar ist. Hingabe und Intimität werden mehr denn je angefragt, da wir leidenschaftlich arbeiten, emotional intelligent, intuitiv und authentisch sein sollen.“

So beginnt der Klappentext zu einem spannenden – und vom Thema her außergewöhnlichen Buch, das in diesem Jahr im Carl-Auer-Verlag erschienen ist. Wenn Organisationen in erster Linie aus Entscheidungskommunikationen bestehen, wieviel Raum bleibt dann für Interaktionsbeziehungen, die den alltäglichen Umgang von Mitarbeitern in Organisationen konstituieren? Ist persönliche Nähe und Emotionalität für das Funktionieren der Organisation in irgendeiner Weise nützlich und wünschenswert, oder stellt es nurmehr ein Hindernis bei der Erreichung der Organisationsziele dar? Sollen Führungskräfte die Grenzen von individuellen Rückzugsräumen überschreiten oder müssen sie die Mitarbeiter vielmehr bei der Erhaltung ihrer persönlichen Grenzen unterstützen?

Olaf Geramanis und Kristina Hermann sind Supervisoren und Coaches und arbeiten an der Fachhochschule der Nordwestschweiz. Als Herausgeber dieses Bandes haben sie prominente Autorinnen und Autoren gewinnen können. Mit dabei sind Sabine Donauer, Peter Fuchs, Beat Fux, Olaf Geramanis, Peter Heintel, Urs Kaegi, Stephan Kasperczyk, Franz Kasperski, Karin Lackner, Brigitte Liebig, Stephan Marks, Susanne Möller-Stürmer, Uwe Sielert, Marianne Streisand, Robindro Ullah und Rudolf Wimmer.

Letzterer schreibt über die interessante Frage, ob Familienunternehmen „familiärer“ seien als andere Unternehmen: „Die im Titel dieses Beitrages gestellte Frage ist keineswegs so einfach zu beantworten, wie es auf den ersten Blick den Anschein haben mag. Zwar attestiert die öffentliche Meinung diesem Unternehmenstyp, der rein quantitativ nach wie vor das Gesicht unserer Wirtschaft prägt, eine gewisse Familienhaftigkeit. Es ist genau dieses Merkmal, das die Andersartigkeit dieser Unternehmen in der Art, wie sie im Unterschied etwa zu börsennotierten Publikumsgesellschaften wirtschaften, in der öffentlichen Wahrnehmung letztlich ausmacht. Diese vordergründige Zuschreibung soll uns bei der hier aufgeworfenen Frage jedoch nicht als Richtschnur dienen. Denn die allgemeine Erfahrung lehrt, dass es sich auch bei familiengeführten Unternehmen letztlich um Organisationen handelt, die um die ziel- bzw. ergebnisorientierte Erledigung von Aufgaben herum gebaut sind, die als Unternehmen nur erfolgreich überleben, wenn sie in ausreichendem Umfang Erträge erwirtschaften, mit deren Hilfe die aktuellen wie auch die künftigen Finanzierungsherausforderungen bewältigt werden können. Da hat das „Familiale“ (was immer damit im Detail assoziiert werden mag) an sich keinen Platz. Wenn im Kontext von Familienunternehmen trotzdem in vielerlei Hinsicht immer wieder von familiären Verhältnissen auf der Seite des Unternehmens die Rede ist (oft mit einer kritisch-belächelnden Note, vielfach aber auch durchaus bewundernd und mit einer gewissen Attraktion ausgestattet), dann ist das mehr als erklärungsbedürftig. Woher kommen diese sich hartnäckig reproduzierenden Zuschreibungs- und Einschätzungsgewohnheiten, die sich ja sowohl in der Selbst- wie in der Fremdwahrnehmung von Familienunternehmen beobachten lassen? Offensichtlich bezeichnet das Familiäre am Familienunternehmen mehr als ein persönlich getöntes Zugehörigkeitsversprechen, das in der Praxis auf längere Sicht ohnehin nicht eingelöst werden kann und sich letztlich als kollektive Selbsttäuschung entpuppt. Was ist dieses Mehr?“

Wer das in Erfahrung bringen will, kann den Beitrag von Rudolf Wimmer online im Netz lesen. Wer das Buch bestellen will, findet die nötigen Informationen auf dieser Seite.

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Zur Website von Rudolf Wimmer

Die Einleitung zum Buch als Leseprobe

info

 

Olaf Geramanis & Kristina Hermann (Hrsg.) (2014): Organisation und Intimität. Der Umgang mit Nähe im organisationalen Alltag zwischen Vertrauensbildung und Manipulation.

Heidelberg (Carl-Auer-Systeme Verlag)

310 Seiten, Kt.
€ 26,95
ISBN 978-3-89670-973-8

Verlagsinformation:

Was haben Organisationen mit Intimität zu tun? Wenn man auf Zweckorientierung, Arbeitsteilung und bürokratische Formalisierung schaut, nichts. Schaut man stattdessen auf die schöne neue Arbeitswelt postindustrieller Unternehmen, dann sehr viel: In der kreativen und innovativen Wissens- und Dienstleistungsarbeit können sich die Menschen ganz hingeben und selbst verwirklichen. Die neuen Informations- und Kommunikations-Technologien lassen die Grenzen zwischen dienstlich und privat verschwinden, da man immer und überall erreichbar ist. Hingabe und Intimität werden mehr denn je angefragt, da wir leidenschaftlich arbeiten, emotional intelligent, intuitiv und authentisch sein sollen.

In diesem Buch wird das Begriffspaar „Organisation und Intimität“ aus unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet. Die Grunddifferenz ist die Unterscheidung von öffentlich und privat. In Familie und der Gemeinschaft von Befreundeten befindet man sich jenseits der Dominanz ökonomischer Kalküle. Liebe oder Freundschaft gelten als Inbegriff des Intimen und Intimes gehört nicht an die Öffentlichkeit. Demgegenüber muss die Organisation primär sachlichen Aufgaben und Zielen gerecht werden. Formalisierte, asymmetrische Machtstrukturen und die prinzipielle Austauschbarkeit der Funktionsträger sind hierbei die Bedingung der Möglichkeit.

Wie viel Nähe und Emotionalität ist für ein optimales Funktionieren tatsächlich wünschenswert? Inwieweit kommt die Organisation den sozialen Grundbedürfnissen der Mitarbeitenden entgegen oder wird die Ausbeutung der Intimität lediglich auf die Spitze getrieben? Ist es die Aufgabe von Führung und Beratung, mehr individuelle Grenzen einzureissen, oder ist es ihre Aufgabe, die Individuen in ihrer Abgegrenztheit zu respektieren und zu unterstützen?

 Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Theoretische Zugänge – Im wissenschaftlichen Fokus 7
Peter Fuchs: Organisation und Communio – Zur Crux der Selbstbeschreibung von Organisationen als Familien 11
Rudolf Wimmer: Wie familiär sind Familienunternehmen? 25
Uwe Sielert: Gelingensbedingungen lustvoller und produktiver Sexualkultur in pädagogischen Organisationen 41
Beat Fux: Intimität nur noch draußen vor der Tür? Zum Verhältnis von formalen Strukturen und Informalität in Organisationen am Beispiel des Raucherverhaltens 61

II. Zentrum und Peripherie – Eine Tour d’Horizon 77

Peter Heintel: Kompensationsphänomen Intimität 81
Karin Lackner: Intime Inszenierung als Glaubensbekenntnisse. Die panoptische Subjektivität innerhalb der Organisation 105
Marianne Streisand: Zur Inszenierung von Intimität – Am Beispiel des Theater 139
Sabine Donauer: Emotions at Work – Working on Emotions: Ein Rückblick in die Geschichte der industriellen Erwerbsarbeit 151

III. Die Organisation im Zentrum 169

Olaf Geramanis: Die Zukunft der Organisation – Kann man Teams vertrauen? 173
Brigitte Liebig: Betriebliche Politik der Emotionen – Zur Organisation der Gefühle am Arbeitsplatz 195
Stephan Marks: Scham als Wächterin der Intimsphäre und der Menschenwürde – Ihre Bedeutung für Organisationen 209
Urs Kaegi: Kooperatives Handeln braucht Schutz vor Intimität 221

IV. Essayistische Zugänge 231

Susanne Möller-Stürmer: Die Tabuwand – Ein Experiment zum Umgang mit dem Ungesagten 235
Franz Kasperski: Der Terror totaler Transparenz 247
Robindro Ullah: Soziale Medien und Intimität – Eine Bestandsaufnahme 263
Stephan Kasperczyk: Intimität und Ritual – Nutzen und Grenzen im Kontext lateraler Führung 283

Über die Herausgeber

Olaf Geramanis ist Diplompädagoge (univ.), Coach und Supervisor (BSO) und Trainer für Gruppendynamik (DGGO). Er war zunächst Offizier der Bundeswehr und wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik der Universität der Bundeswehr. Seit 2004 ist er Dozent für Sozialpsychologie und Beratung an der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz (Homepage).

Kristina Hermann, Dipl. Psych. (univ.); Trainerin für Gruppendynamik unter Supervision (DGGO); Zertif. Projektmanagement-Fachfrau (IPMA); Gestaltberaterin (nach DVG); Planspielentwicklerin (SAGSAGA). Von 2008 bis 2012 als Unternehmensberaterin und Trainerin bei Tiba Managementberatung in München tätig (Schwerpunkt auf Einführung von Projektmanagement; Prozessberatung) und seit 2011 als Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Trainerin an der Fachhochschule Nordwestschweiz.

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