Die Vorbereitungen zur Tagung „Was ist der Fall? Und was steckt dahinter? Diagnosen in Systemischer Theorie und Praxis“ (Planung und Durchführung: Tom Levold, Hans Lieb, Matthias Ohler, Wilhelm Rotthaus und Bernhard Trenkle in Kooperation mit der Carl-Auer-Akademie und systemagazin), die vom 25.-27.5.2017 in der Heidelberger Stadthalle stattfinden wird ist in vollem Gang. Das vollständige Programm wird in den nächsten Wochen veröffentlicht werden, aber es haben bereits jetzt eine Reihe von ReferentInnen zugesagt – die eine Buchung der Tagung schon zum jetzigen Zeitpunkt lohnen lassen. Unter anderem wirken mit: Corina Ahlers, Ulrike Borst, Michael B. Buchholz, Filip Caby, Günter Emlein, Peter Fiedler, Dörte Foertsch, Stefan Geyerhofer, Johannes Herwig-Lempp, Christina Hunger, Otto Kernberg, Heiner Keupp, Heinz Kindler, Rudolf Klein, Jürgen Kriz, Manfred Lütz, Haja Molter, Cornelia Oestereich, Karin Nöcker, Mechthild Reinhard, Eckhard Roediger, Martin Rufer, Henning Schauenburg, Günter Schiepek, Roland Schleiffer, Gunther Schmidt, Christian Schrapper, Jochen Schweitzer, Fritz B. Simon, Carmen Unterholzer, Berward Vieten, Elisabeth Wagner. Der Tagungsflyer ist raus – hier können Sie ihn lesen…
Mit Interesse habe ich die ReferentInnen-Liste zur Kenntnis genommen. Frau Dr. Ulrike Borst, Vorstands-vorsitzende der SG, schreibt in ihrem 2013 u.a. von A. v. Schlippe herausgegebenen Buch über Systemische Therapie: „Indikationen und Kontraindikationen sind praktisch kein Thema in der systemischen Therapie. Der wichtigste Grund für diesen Umstand ist, dass das Vorgehen meist nicht sonderlich störungsspezifisch ist. Systemische Therapie gilt bei ihren Vertretern als geeignet für alle Arten von Problemen…..Denn es geht ihr ja, gestützt auf die Grundannahmen des radikalen Konstruktivismus….“(S. 29). Auf S. 113 stellt sie u.a. die Frage: „Was muss ich überhaupt wissen? Reicht es nicht, wenn ich Muster erkenne und verändern helfe?“ Möglicherweise übersieht Frau Dr. Borst, dass Psychotherapie ein Heilberuf ist und sich ihr Wissen und Handeln – auch in ihrem Interesse – an (berufs-)ethischen Prinzipien und Rechtsstaatlichkeit zu orientieren hat. Der WBP hat Ende 2008 ein Gutachten zur wissenschaftlichen Anerkennung der Systemischen Therapie verabschiedet. In diesem Gutachten werden u.a. als theoretische Ansätze (gemäßigter) Konstruktivismus und Bindungstheorie, die übrigens auch als Theorie der Liebe gesehen wird, genannt. Frau Prof. Kirsten von Sydow (Ehrenmitglied der SG) kritisiert radikalen Konstruktivismus in der systemischen Therapie scharf. Sie spricht von „Abkopplung von der Realität“ und einem „schädlichen Irrweg“ deutscher Systemiker, der u.a. dazu führt, dass empirische Wissenschaft und Forschung als unsinnig angesehen werden (Familiendynamik 34, 1/2009, S. 115ff.). Bereits 1998 haben Limacher und Willi auf die Problematik und schädigende Wirkung einer solchen Therapiekonzeption hingewiesen (Familiendynamik 1998, S. 137ff.) Findet diese Kontroverse Berücksichtigung auf der Veranstaltung? Zur Notwendigkeit eines solchen Diskurses heißt es auf dem rückseitigen Klappentext des von Leitner, Schigl und Märtens 2014 herausgegebenen Buches „Wirkung, Risiken und Nebenwirkungen von Psychotherapie“: „Denn solange sich Psychotherapie nicht mit unerwünschten Effekten beschäftigt, bleibt sie in einem vorwissenschaftlichen Stadium.“ Im übrigen stellt sich angesichts der Theoriendiskrepanz, die erhebliche Konsequenzen für die klinische Praxis hat, die Frage, ob es überhaupt zulässig ist, dass sich radikal konstruktivistische SystemikerInnen auf die wissenschaftliche Anerkennung der Systemischen Therapie durch den WBP berufen. An Bernhard Trenkle sei der Hinweis erlaubt, dass sich in den Publikationen radikalkonstruktivistischer SystemikerInnen Leidensgeschichten finden, die sicherlich gut für lehrreiche Supervisionen geeignet wären. Mir ist bei ihrer Lektüre allerdings nicht zum Lachen, sondern nach Mitgefühl, mitunter auch Empörung zumute.