Unter diesem Titel ist der Tagungsbericht von Matthias Richter über die 16. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGSF vom 22. bis 24. September 2016 in Frankfurt a. M. auf der website des Verbandes erschienen. Dabei bezieht er sich insbesondere auf den gesellschaftspolitischen Schwerpunkt der diesjährigen Tagung: „Ja, ich habe mich in meinem Leben immer wieder und an verschiedenen Orten politisch engagiert. Ja, ich habe es seit ungefähr zehn Jahren aufgegeben und mich dem Beruf und einigen wenigen Hobbys gewidmet. Und ja, mich machen populistische, antidemokratische Entwicklungen in unserer Gesellschaft besorgt. Und obwohl ich im Vorfeld der diesjährigen DGSF-Jahrestagung im September in Frankfurt wahrgenommen hatte, dass das Forum Gesellschaftspolitik in der DGSF einen „Strang“ von Veranstaltungen zu gesellschaftspolitischen Themen angekündigt hatte, war ich letzten Endes positiv überrascht und beeindruckt, wie stark diese Themen den Kongress in diesem Jahr geprägt haben. Sicher hat das auch mit meiner persönlichen Auswahl von Veranstaltungen aus dem umfangreichen Programm von 19 Hauptvorträgen und ca. 100 Workshops, Symposien und Vorträgen zu tun, die diese Tagung zu bieten hatte. Aber auch aus Gesprächen mit anderen TeilnehmerInnen habe ich den Eindruck gewonnen, dass die politischen Themen diesem Kongress einen wichtigen Schwerpunkt verliehen haben.“ Hier geht es zum vollständigen Text…
Diese DGSF-Tagung – im Vorfeld ob des Tagungsveranstalters und der damit verbundenen Themensetzung auf Organisationsberatung eher skeptisch von mir betrachtet – entwickelte sich dann unter dem Einfluss des Forums Gesellschaftspolitik in der DGSF zu einer Tagung mit einer attraktiven Auswahl an ReferentInnen. Wer hat z.B. vorher von Saskia Sassen im systemischen Kontext gesprochen? Eine hochkompetente Wissenschaftlerin, die u.a am Report des „club of Rome“ (Grenzen des Wachstums) mitgearbeitet hat, – und komplexe Zusammenhänge verständlich rüberbringen kann. Da ist dann Verständnis gesellschaftlicher Prozesse keine Zutat zu systemischem Denken, sondern logischerweise inbegriffen. Die Ankündigung des Veranstalters der nächsten DGSF-Tagung in München 2017 („Von der Neutralität zur Parteilichkeit – SystemikerInnen mischen sich ein“) lässt erwarten, dass dieses Verständnis von systemisch begründetem Arbeiten im psychosozialen Feld mehr Raum erhält. Ich würde mir wünschen, dass im Rahmen der SG Ähnliches Raum gewinnt. Wie Andreas Wahlster schreibt: „Man darf gespannt sein.“
Mir ging es anders und natürlich ist meine Perspektive nur eine – eine einzige. Nach Frankfurt bin ich gefahren, um Nora Bateson zu hören. So hörte ich Ihren Vortrag und war in ihrem Workshop.
Das reichte nicht aus. Ich musste mir ihr Buch kaufen, um die Inhalte nachzuarbeiten. Nora Bateson – oder auf der Suche nach den großen Namen, den großen Erzählungen, den kreativen Suchprozessen.
Systemische Beratung und Therapie macht den Marsch durch die Institutionen. Den Marsch der Anerkennung. Die Mutationskurve des einstigen wilden Frühlings ist abgeflacht, die Zeit der großen Denker und Experimente ist vorbei. Systemische Ansätze haben sich inflationär verbreitet und oftmals bleibt nur noch die Weitergabe von Methoden, nicht mehr der Ideen.
So hat sich die Jahrestagung gut besucht und geplant für mich als eine dargestellt, die zwar politische Diskussionen aufgreift, aber den eigenen Swing verliert.
Schlimm war die selbstverliebte Darstellung eines bekannten Organisationsberaters, der zwar ein Thema angekündigt hatte, aber im Stile des Ecco Homos Nietzsches darstellte, wieso er so toll ist. Nur weiss ich nicht, ob ich ihn schlimm fand oder all diejenigen, die nicht aufstehen und gehen oder rufen, wann denn nun der Vortrag beginnt.
Tagungen vorzubereiten ist schwer und deshalb ein Lob an die Planungsgruppe.
Nora Bateson sagt, dass sich der Begriff “ systemisch“ überlebt hat, aus einer mechanistischen Zeit stammt.
Das meint sie nicht vorwurfsvoll, sondern suchend und hat für sich auch eine Idee gefunden.
Jenseits der Verstetigung, frei von Interessen, neugierig auf Komplexität.
Ich habe gemeckert. Nein, so schlimm war die Jahrestagung nicht. Aber wo sind die alten Ideen oder gar die Neugier
auf das Unbekannte – jenseits der benutzten Begriffe?
Risiken und Nebenwirkungen meines Kommentars: Es macht den Eindruck, als ob ich es besser könnte. Das ist natürlich nicht der Fall.
Ich war ebenfalls auf der DGSF Tagung und habe mit Freude zur Kenntnis genommen, dass es tatsächlich noch andere Themen gibt als „nur“ die sozialrechtliche Anerkennung. Diese Tagung hatte ein erkennbares Format mit excellenten ReferentInnen, nicht zufällig war die Teilnehemrzahl hoch. Das spricht für ein gutes, sauber recherchiertes Management der Veranstalter. Ich hege die dezente Hoffnung, dass diese Tagung auch bei der Systemischen Gesellschaft Initiativen aktiviert, sodass der Verbandsname „Gesellschaft“ wieder eine doppelte Bedeutung erhalten mag. Man darf gespannt sein.