In einem interessanten Text erzählt Claus Pias, Professor für Medientheorie und Mediengeschichte an der Universität Lüneburg, vom Experiment einer kybernetischen Steuerung der Nationwirtschaft in Chile zu Zeiten des ermordeten Präsidenten Allende, das durch den englischen Kybernetiker Stafford Beer entwickelt und geleitet wurde und dem durch den Putsch Pinochets ein blutiges Ende bereitet wurde, bevor es mögliche Erfolge unter Beweis stellen konnte. Diese Geschichte stellt Pias in den Kontext einiger Reflexionen zum utopischen Gehalt der Kybernetik:„hat mindestens vier Fragen aufgeworfen: Erstens nach der Produktivität einer Unruhe oder Beunruhigung; zweitens nach dem (möglicherweise katastrophischen) Zusammenspiel von Utopie, Politik und Technologie; drittens nach dem Verhältnis von utopischen Entwürfen und praktischen Problemlösungen; und viertens nach der Rolle der Technik als Medium des Utopischen. Die folgenden, gewiß groben Skizzen sollen versuchen, diese Fragen noch einmal nachzuzeichnen allerdings weder diagnostisch (mit Blick auf die Gegenwart) noch spekulativ (mit Blick auf die Zukunft), sondern entlang eines historischen Beispiels, das nur wenige Jahrzehnte zurückliegt und bisher nicht unter dem Begriff des Utopischen verbucht wurde. Es geht um die Kybernetik als Utopie und zugleich Theorie der Unruhe selbst und damit um jene neue Wissensordnung, die sich selbst niemals als »Utopie« bezeichnete und fast niemals das Wort »Universalwissenschaft« benutzte, obwohl sie deutliche Züge der Utopie trug und deutliche Ansprüche einer Universalwissenschaft niemals leugnen konnte“ Der Text ist 2003 im von J. Rüsen herausgegebenen Band„Die Unruhe der Kultur. Potentiale des Utopischen“ (Weilerswist, Velbrück) erschienen
und hier online zu lesen
Unruhe und Steuerung: Zum utopischen Potential der Kybernetik
20. Oktober 2011 | Keine Kommentare