Ein Blick über den Zaun: Die 2. Psychotherapeutische Herbsttagung des ZSP der Universitären Psychiatrischen Kliniken in Basel fand am 8. September 2011 zum Thema »Übergänge« statt und wird im aktuellen Heft von„Psychotherapie & Sozialwissenschaft“ dokumentiert. Die verschiedenen Beiträge reflektierten aus psychoanalytischer Perspektive„Veränderungen und Konstanz in gesellschaftlichen, entwicklungspsychologischen und psychotherapeutischen Prozessen“, wie es im Editorial von Daniel Sollberger heißt. Ein wichtiger Bezugspunkt dabei ist u.a. die Frage, wie sich die Wandlungsprozesse der Spätmoderne auf die Entwicklung individueller Identität auswirken und ob sie mit entsprechenden psychischen Strukturveränderungen einhergehen. Dabei ist eine große Spanne unterschiedlicher Positionen zu erkennen. Martin Dornes postuliert einen solchen Strukturwandel der Persönlichkeit zur„postheroischen Persönlichkeit“, der mit dem sozialen Strukturwandel einhergeht, und den er, wenngleich dieser durchaus ambivalent sei, da er zu größerer intrapsychischer Freiheit, aber auch zu größerer Verletzlichkeit führe, positiv bewertet. Im Unterschied zu früher werde das Es„als weniger triebhaft erlebt, das Überich als weniger triebfeindlich und rigide, das Ich wird flexibler und kreativer“. Die explizite Gegenposition hierzu nimmt Christa Rohde-Dachser in ihrem Beitrag ein, die sich nicht vom„dem Menschen strukturell eingeschriebenen“ Ödipus-Konflikt lösen möchte:„Was wird unter den von Dornes beschriebenen Veränderungen aus den ödipalen Konflikten, die auch heute noch jedes Kind im Rahmen seiner Subjektwerdung durchlaufen muss (!)?“ Als empirisches Material für die Untersuchung psychischer Grundkonflikte unter den Bedingungen der Postmoderne zieht Rohde-Dachser nun keine Studien über die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen heran, sondern:„eine zeitgenössische Aufführung von Molières‘ Stück ‚Don Juan’“. Darüber hinaus stützt sie sich bei ihrer Einschätzung der„Phantasmen (
), von denen sich Menschen heute bei der Suche nach der Erfüllung ihres Begehrens leiten lassen“,„vor allem auf Freud (1900) und auf Lacan (1960)“, also zwei ausgewiesenen Spezialisten für postmoderne Lebensverhältnisse.Das liest sich dann so:„Die Sprache (
) unterwirft (das Kind) dem Gesetz des symbolischen Vaters, der das unbeschränkte Genießen der Mutter verbietet“. Nun ja. Kann man so noch im Jahre 2012 reden? Immerhin ist Rohde-Dachser ja auch noch Soziologin. Die Gesellschaft erscheint in ihrem Text aber nur noch als Bedrohung – Chancen und Möglichkeiten des gesellschaftlichen Strukturwandels, gerade auch mit der Entwicklung neuer Kommunikationsformen, tauchen hier gar nicht auf.
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„Übergänge“
1. Juni 2012 | Keine Kommentare