Corina Ahlers stellt für systemagazin Harry Merls Buch„Über das Offensichtliche oder: Den Wald vor lauter Bäumen sehen“ vor. Harry Merl war maßgeblich an der Einführung der Familientherapie in Österreich beteiligt und bildet seit 1972 Familientherapeuten aus. „Harry Merl stellt in diesem Buch sein Lebenswerk dar. Das Buch zeigt auf einzigartige Weise einen theoriebewussten Praktiker der ersten Stunde, der gut ausgewählte Werke aus verschiedenen Epochen psychoanalytischer, familientherapeutischer und systemischer Theorieentwicklung ohne Anspruch auf Methodenpurismus rezipiert. Stattdessen vermittelt er kritische Distanz und therapeutische Zweckgebundenheit in der Auswahl von Konzepten, die er mit seiner persönlichen Note belegt. Dementsprechend verwendet der Autor seine eigenen Begriffe eher alltagssprachlich als konzeptgebunden.
Es bringt Fallbeispiele aus der langjährigen Erfahrung im stationär-psychiatrischen und im ambulanten Praxisbereich, sowie aus der außertherapeutischen Erfahrungswelt, welche systemisches Denken und Handeln zu untermauern scheinen, ohne auf Erfolg zu pochen, in der weisen Vorannahme, dass wir uns in angemessen uneindeutiger Weise an komplexe Betrachtungen von Menschen nähern, dessen transzendentales Interesse die glückliche Bilanz des eigenen Lebens sein muss. Der
moralische Anspruch des Buches, der dem einen oder anderen Konstruktivisten vielleicht etwas überdimensioniert vorkommen könnte, wird eben gerade durch die teilweise provokanten Fallbeispiele oder paradox anmutenden Rezensionen aus Büchern, Filmen bzw. Tageszeitungen
relativiert. So können wir uns an Begriffen wie ,Ahnungen, Visionen, Bereinigung der Seele, usw.‘ entlanghanteln mit der Sicht auf das Praktisch-Pragmatische, was man daraus herleiten kann. Wir erfahren vieles nebenbei, eben den Wald vor lauter Bäumen sehend aber erst im
nachinein!“
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Über das Offensichtliche
26. September 2006 | Keine Kommentare