Eckard König, emeritierter Lehrstuhlinhaber im Fachbereich Erziehungswissenschaft an der Universität Paderborn, ist gemeinsam mit Gerda Volmer für seine „Personale Systemtheorie“ bekannt geworden, die im Unterschied zum Luhmannschen Ansatz die Basis sozialer Systeme nicht in den Kommunikationen als zentrale Operationen sieht, sondern in den beteiligten Personen, ihren Wirklichkeitsdeutungen und daraus resultierenden kommunikativen Mustern, Systemgrenzen und -entwicklungsmöglichkeiten. Beide sehen sich dabei in der Tradition von Gregory Bateson und Paul Watzlawick. Ihr. Konzept der „Personalen Systemtheorie“ stellten sie in ihrem Buch „Einführung in die systemische Organisationsberatung“ vor, das heute als wichtige Grundlage für Systemische Organisationsberatung und Systemisches Coaching gilt. Erstmals 1993 erschienen, wurde 2008 aus der Einführung das Handbuch, das 2018 bereits in der 3. komplett überarbeiteten Fassung im Beltz-Verlag erschienen ist. Ingo Kallenbach, der die ursprüngliche Fassung in den 90er Jahren kennengelernt hat, ordnet den Band dem unverzichtbaren Kanon der Organisationsberatungsliteratur zu:
Ingo Kallenbach, Rohrbach:
Gern würde ich die Besprechung mit einer kleinen Umfrage starten: Wer von Ihnen als Lesende/r dieser Rezension hat dieses Buch nicht auch im Bücherschrank stehen? Da es sich bei der Zielgruppe hier um Systemiker/innen handelt, schätze ich einfach mal auf mindestens 50 %. Und das auch nur, da sich nicht jede/r im weiten Feld der systemischen Disziplin für Organisationsberatung interessiert, denn dann wären es vermutlich nahezu 100 %.
Soll heißen: An dem Handbuch kommt eigentlich nicht vorbei, wer sich mit systemischer Organisationsberatung beschäftigt. Meine persönliche Ausgabe, damals noch im Deutschen Studienverlag erschienen, datiert aus dem Jahr 1996, damals schon die 4., überarbeitete Ausgabe innerhalb von drei Jahren. Erstausgabe war im Jahre 1993. Die hier zugrundeliegende Ausgabe ist die 3., komplett überarbeitete Auflage des »Handbuch Systemische Organisationsberatung«, wie es seit 2008 heißt.
Dieser Erfolg sagt schon einiges über das Werk der beiden Autoren aus. Eckhard König ist inzwischen emeritierter Professor der Uni Paderborn mit Arbeitsschwerpunkt Weiterbildung/Organisationsberatung, Dr. Gerda Volmer Leiterin des wissenschaftlichen Instituts für Beratung und Kommunikation, ebenfalls in Paderborn.
Trotz der eher wissenschaftlichen Ausrichtung der beiden Autoren ist das Werk keineswegs theoretisch, akademisch geprägt. Teil des Erfolgs ist die gelungene Mischung zwischen Theorie und Praxis. Das Handbuch ist überaus verständlich und nachvollziehbar geschrieben, theoriegeleitet, aber meist mit praktischen Beispielen ergänzt, so dass es sowohl für Studierende wie auch Praktizierende einen wunderbaren Fundus an Hintergründen, Methoden und Vorgehensweisen bietet.
Die aktuelle Ausgabe gliedert sich in sieben Kapitel und umfasst insgesamt 528 Seiten. Der Umfang ist damit im Vergleich zur 96’er Ausgabe um fast das Doppelte gewachsen.
Nach zwei einführenden Kapiteln zu Erklärungsmodellen menschlichen Handelns und den Grundlagen systemischer Organisationsberatung führt das dritte Kapitel in typische Organisatonsberatungsprozesse ein. Es ist vermutlich eine Frage des persönlichen Geschmacks, ob das folgende Kapitel »Der Blick auf das soziale System« nicht besser früher hätte ausgefaltet werden sollen, um den ursprünglich begonnen deduktiven Ansatz fortzuführen. Im fünften Kapitel werden gängige Diagnoseverfahren, wie z. B. Interview oder Beobachtung vorgestellt.
Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit komplexen Beratungsprozessen. Das Autorenteam geht hier auf diverse Beratungsansätze ein, die bei weitem nicht alle systemischem Gedankengut entspringen, die aber dennoch wertvoll zu lesen und in der Kürze der Darstellung auch angemessen sind. Dogmatiker könnten sicherlich anbringen, dass sich ein Handbuch der systemischen Organisationsberatung doch bitte nur mit entsprechenden Theorien und Praktiken auseinandersetzen sollte. Aus einer rein praktischen Perspektive empfinde ich die Hinweise durchaus wertvoll, vielleicht könnte die Einbettung in systemisches Denken und Handeln noch stärker vorgenommen werden, um so eine Verbindung zwischen den unterschiedlichen Ansätzen zu schaffen.
Das siebte und letzte Kapitel setzt sich mit dem Beratungssystem auseinander und fokussiert hier die Besonderheiten des Klienten- und Beratungssystems und die sinnvolle Haltung eines Beraters/der Beraterin.
Auf knapp 20 Seiten setzen sich die beiden Autoren mit der VUCA-Welt auseinander. Ein Akronym, das ja für die zunehmenden Veränderungen in unserer Arbeitswelt steht, die immer volatiler, unsicherer, komplexer und vielfältiger wird. Dieser »VUCA«-Teil wurde erstmals in der vorliegenden Ausgabe ergänzt, findet sich als Unterkapitel am Ende des 6. Kapitels zu komplexen Beratungsprozessen.
Hier stellen sich zwei wesentliche Fragen: Wird das vom Umfang (knapp 20 Seiten) und der Verortung (am Ende des 6. Kapitels quasi als Anhang) den Auswirkungen der VUCA-Welt auf die heutige Arbeitswelt gerecht? Und zweitens – noch etwas »radikaler« – gedacht: Wird das bisherige Vorgehen der »Systemischen Organisationsberatung« der VUCA-Welt überhaupt noch gerecht? Braucht es nicht neue, erweiterte Ansätze der Organisationsberatung innerhalb des systemischen Referenzrahmens, die den Anforderungen an eine Welt der Digitalisierung, Dynamisierung und Disruption hilfreiche Denk- und Arbeitsmodelle liefert?
Überaus spannend fände ich deshalb eine Jubiläumsausgabe unter der Prämisse der VUCA-Welt: Was passt an bisherigen Konzepten weiterhin in diese Welt aus systemischer Organisationsberatungssicht – was muss aber auch grundlegend erneuert werden, weil – um nur ein Beispiel zu nennen – Planbarkeit dem Experimentieren weichen muss.
(Mit freundlicher Genehmigung aus Kontext 2/2019)
Eckard König & Gerda Volmer (2018): Handbuch Systemische Organisationsberatung (3., komplett überarb. Aufl.). Weinheim (Beltz)
528 S., gebunden
ISBN: 978-3-407-36668-9
Preis: 58,00 €
Verlagsinformation:
Das Handbuch Systemische Organisationsberatung (die Weiterführung der in sieben Auflagen erschienen »Systemischen Organisationsberatung« von König/Volmer) ist das Standardwerk für die Beratung in Organisationen. Auf der Grundlage der Systemtheorie und gestützt auf langjährige praktische Erfahrung der Autoren werden die Grundlagen des systemischen Ansatzes, die einzelnen Schritte bei der Beratung in Organisationen sowie mögliche Vorgehensweisen umfassend und zugleich konkret darstellt. Das »Handbuch Systemische Organisationsberatung« ist das Standardwerk für die Beratung in Organisationen. Für die dritte Auflage wurde das Handbuch überarbeitet und um neue Entwicklungen im Feld der systemischen Organisationsberatung ergänzt. Verständlich und zugleich wissenschaftlich abgesichert vermitteln Eckard König und Gerda Volmer die Grundlagen der systemischen Organisationsberatung. Das Handbuch ist sowohl eine umfassende Einführung als auch eine anwendungsorientierte Methodensammlung für Berater_innen, Trainer_innen und Expert_innen in Personal- und Organisationsabteilungen. Die klare theoretische Fundierung und didaktische Struktur unterstützt dabei, schrittweise Beratung zu planen und durchzuführen. Gerade in Zeiten von vielen Veränderungen ist dieses Buch eine große Hilfe. Neu sind die Kapitel über Beratung bei Veränderungsprozessen, systemisches Prozessmanagement sowie die Beratung agiler Organisationen.
Über die AutorInnen:
Eckard König, em. Professor an der Universität Paderborn mit dem Arbeitsschwerpunkt Weiterbildung/Organisationsberatung. Er hat langjährige internationale Erfahrung bei der Beratung von Organisationen und führt – zusammen mit Gerda Volmer – seit über 25 Jahren eine der erfolgreichsten Ausbildungen in Systemischer Organisationsberatung durch.
Dr. Gerda Volmer ist nach mehrjähriger Forschungs- und Projekttätigkeit Leiterin des Wissenschaftlichen Instituts für Beratung und Kommunikation (WIBK) in Paderborn. Arbeitsschwerpunkte sind Beratung von Organisationen, Coaching, Teamberatung und Ausbildungen in Systemischer Organisationsberatung.
Lesen Sie den guten Luhmann im Original, anstatt etwas sehr klar personenfrei Gesetztes semantisch zu verdrehen („… heißt ja nicht, Personen auszuschließen“ …), wie es Ihnen (und Ihrem Chef) gerade in den Kram passt.
Gut, dass es andere, weitaus sinnvollere Ansätze bei anderen Verlagen gibt!
Genau diese Diskussion, wie es um das „Nadelöhr Subjekt(e)“ (beteiligte Personen, u.ä.) steht, wenn man komplexere soziale Systeme verstehen will, wird ausführlich, unterschiedslustig und zugleich unterhaltsam geführt im gerade erschienenen Buch Kriz, J./Simon, F.B.: „Der Streit ums Nadelöhr. Körper, Psyche, Soziales, Kultur. Wohin schauen systemische Berater?“. Carl-Auer Verlag 2019, ISBN 9783-8497-0313-4
An Kommunikation anzusetzen heißt ja nicht, Personen auszuschließen, sondern gerade ihre Rolle in einer besonderen System-Umwelt-Unterscheidung zu verorten bzw. zu verstehen.
Dankenswert, dass hier m systemagazin auch diese Diskussion wachgehalten wird.
Einmal mehr nutzen Sie, Herr Ohler, ein Beitrag im systemagazin, um eine Werbung für ein Buch aus dem Auer Verlag dranzuhängen. Diesmal sogar ohne das eigentlich besprochene Buch auch nur zu erwähnen. Sowas darf man ohne Umschweife einfach nur peinlich nennen, oder?
Vielleicht noch eine inhaltliche Anmerkung: dieses ganze Systemgeschwurbel Luhmannscher Provenienz schafft Probleme, die es ohne es nicht gibt. Es gibt kein „Nadelöhr Subjekt“, das haben sich (System)Theoretiker ausgedacht. Und halten – frei nach Karl Kraus – ihre Theorie und eine daraus abgeleitete Praxis für die Kur einer Krankheit, die sie selbst generieren.
Schöner kann man es nicht sagen!