Dörte Foertsch, Berlin: Manchmal wäre ich gerne ein Fuchs
Fremd sein, um einen Grund zu haben, sich vertraut miteinander zu machen, das wäre eine heilsame Idee. Manchmal wird mir Angst und Bange, wenn ich die Nachrichten lese oder schaue und realisiere, wie mit unseren Fremdheitsgefühlen umgegangen und Politik gemacht wird.
Eigentlich mag ich es auch, selbst anderen zunächst fremd zu bleiben, um Neugierde zu wecken. Es sind nicht nur die Anderen, die mir fremd sind, ich gehöre zu Menschen, die anderen ebenso fremd ist. Es gab mal ein schönes Plakat, mit der Aufschrift, Ausländer sind wir alle, nur nicht im eigenen Land.
Mir fiel bei dem diesjährigen Thema die Begegnung zwischen dem Fuchs und dem kleinen Prinzen ein, die Geschichte von Antoine de Saint Exupery ist bekannt. Ein Ausschnitt aus dem Dialog:
„Guten Tag, sagte der Fuchs. Guten Tag, antwortete der kleine Prinz höflich… Ich bin hier, sagte die Stimme unterm Apfelbaum. Wer bist Du? fragte der kleine Prinz… Ich bin ein Fuchs, sagte der Fuchs. Komm und spiel mit mir… ich bin so traurig. Ich kann nicht mit Dir spielen, sagte der Fuchs, ich bin nicht gezähmt … Was bedeutet zähmen? … Das wird oft ganz vernachlässigt, es bedeutet sich vertraut miteinander zu machen. Vertraut machen? Natürlich, sagte der Fuchs, Du bist für mich nur ein kleiner Junge… Ich brauche Dich nicht und Du brauchst mich auch nicht, ich bin für Dich nur ein Fuchs unter hunderttausenden von Füchsen. Aber wenn Du mich zähmst, dann werden wir einander brauchen, Du wirst für mich einzigartig sein und ich werde für Dich einzigartig sein… Man versteht nur die Dinge die man zähmt, sagte der Fuchs… Was muss ich machen? sagte der kleine Prinz. Du musst sehr geduldig sein, sagte der Fuchs. Du wirst
Dich … mit einem kleinen Abstand zu mir ins Gras setzen, ich werde Dich aus den Augenwinkeln anschauen und Du wirst schweigen. Sprache ist eine große Quelle für Missverständnisse, aber jeden Tag setzt Du Dich ein wenig näher…“ Wie die Geschichte weitergeht ist bekannt und viel gelesen.
Als Kind fand ich das Wort „zähmen“ merkwürdig und altmodisch, es beinhaltet in unserem Verständnis eine Einseitigkeit in Bezug darauf, wer denn wen „zähmen“ sollte. So geht es mir allerdings auch mit dem Fremdsein. Genau genommen ist es wie in allen Beziehungen etwas Gegenseitiges, leider erlebe ich es zur Zeit aber eher nur einseitig – denn da sind die Fremden und da bin ich. Das ist auf Dauer keine gute Unterscheidung, wenn wir in Deutschland darauf zusteuern, in den nächsten Jahren ein Land zu entwickeln, in dem Flüchtlinge leben werden.
Eine kleine Adventsgeschichte dazu. In der letzten Woche kam eine iranische Mutter mit ihrem zwölfjährigen Sohn, der bitterlich weinte und gar nicht mehr aufhören konnte. Was war passiert? Auf dem Weg zu mir waren die Beiden einer älteren Dame begegnet, die schwere Tüten mit Weihnachtseinkäufen trug. Der Junge war zu ihr hingelaufen um ihr die Tüten abzunehmen, denn im Iran ist es eine unausgesprochene Selbstverständlichkeit, dass jüngere Menschen den Älteren immer die schweren Dinge abnehmen, um ihnen zu helfen. Ein kurzer Blick signalisiert „ich helfe Dir“. Die Dame hatte den Jungen allerdings ganz anders wahrgenommen. Sie beschimpfte ihn als Dieb, wollte die Polizei rufen und beschimpfte die Mutter, welch unerzogenen Sohn sie hätte. Die Geschichte kann für sich sprechen. Aber sie zeigt auch welch Herausforderung es ist, sich miteinander vertraut zu machen.