Bernd Schmid, Wiesloch: Gemächlich in die Zukunft
Ich bin nun annähernd 2 Jahre im Ruhestand. Zum Erstaunen mancher Kollegen habe ich mich von allen öffentlichen Bühnen zurückgezogen, wirke lediglich im Hintergrund und schreibe, wenn ich Lust dazu habe. Nicht, dass ich untätig wäre, doch ich lasse mich nicht mehr von To Do Listen stressen. Es ist ja nicht die Arbeit, sondern der ständig nachwachsende Berg an Unerledigtem, der einen stresst.
Mein neues Wappentier ist die Schnecke. An neueren Entwicklungen nehme ich gemächlich teil.
Kulturelle Evolution auch im systemischen Feld ist eh auch nur im Schneckentempo unterwegs, zumindest was aufbauende Entwicklungen betrifft.
Wird es überhaupt so viel Neues in den nächsten 10 Jahren geben? Ich glaube nicht.
Dieser Tage kamen mir zwei meiner Texte unter. Der eine über Professionsentwicklung aus systemischer Sicht und der andere über Ethik und Professionalität. Was ich dort lese, könnte heute als brandneu veröffentlicht werden. Ich wüsste nichts Neues zu diesen Themen. Dabei sind mehr als 25 Jahre vergangen, seit diese Texte erschienen sind. Warum sollte das in Zukunft anders sein?
Aber vielleicht liegt es daran, dass systemisches Gedankengut bei näherem Hinsehen eh Jahrhunderte alt ist. Wir finden es bei Kant, in der Weimarer Romantik und bestimmt bei den alten Griechen oder im Sanskrit, auch wenn ich nicht weiß wo.
Auf der anderen Seite bin ich immer wieder verblüfft, wenn ich Denkweisen und Wirklichkeitsvorstellungen begegne, die einen Grundkurs Konstruktivismus und systemisches Zusammenhangsdenken dringend nötig haben. Aber brauchen wir dafür neuere Entwicklungen? Wahrscheinlich geht es nicht darum, Neues zu finden, sondern systemisches Denken den antiaufklärerischen Tendenzen, die derzeit weltweit Urstände feiern, immer wieder neu entgegen zu halten. Dafür brauchen wir das Ernstnehmen von Kontexten, die Kombination mit Inhalten, von denen wir wirklich etwas verstehen, das Erreichen von Menschen, die konkret in Verantwortung stehen. Dazu sind Sach- und Feldkenntnisse sowie Durchhaltevermögen angesagt und der Respekt vor Menschen, die unsere Gesellschaft am Funktionieren halten. Also Nase runter, damit man sieht, wohin man seine Füße setzt und sich auf Augenhöhe dienlich machen. Und das durchaus mit angemessener Muse, weil man daraus den Sinn für Wesentliches schöpfen kann und eben nur ein Leben hat.
Recht hast Du!
Warum denken eigentlich nicht alle MENSCHEN so?
Wäre dann die Welt evtl. langweilig? – Die Sorge ist angesichts der vmtl. langen Ausbildungszeit sicherlich noch lange unbegründet.
Freue mich auf weitere Gespräche!
Michael