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systemagazin Adventskalender: Einmischen – Mitmischen – Wegwischen

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Martin Rufer, Bern: Einmischen – Mitmischen – Wegwischen

Nur diejenigen, die „drinnen“ sind, können mitmischen. Während die einen mit ihren „Papieren ins Paradies“ fliegen und andere ohne Papiere „draußen vor der Tür“ stehen, verharre ich dazwischen in meiner ganzen Zerrissenheit, Ambivalenz und Hilflosigkeit. Einmischen oder wegwischen , „to be, or not to be, that is the question“…

Währendem Hamlet seinen Weltschmerz und seine Zerrissenheit noch monologisiert, twittern und flimmern heute bewegte und bewegende Bilder dazu in unsere warmen Stuben, auch in diejenige von uns Systemikern. Hinschauen oder wegschauen? Fragen über Fragen, die nun auch auf unsere Traktandenlisten kommen und in den Zeitschriften, Foren, Listen bis hin zum Adventskalender diskutiert werden wollen.

Martin Rufer

Gerne würde ich an dieser Stelle eine engagierte (systemische) Geschichte einbringen, die mein Ein- und nicht mein Abseits-stehen anschaulich macht und sich als „Sinnattraktor“ auch noch systemisch begründen liesse. Dass mir dazu keine einfällt, und ich mich von „drinnen“ weg nach „draußen“, vom engagierten, parteilichen Handeln weg hin zum distanzierten Reflektieren meiner Ambivalenz bewege, macht das Ganze nicht leichter. Es lassen sich dabei weder der elegante „Dreh“ noch das verstörende „Reframing“ finden, das mir helfen würde, mein, mich oft auch beschämendes „Narrativ“ neu zu erzählen und “konstruieren“ , bzw. dieses getrost der „Selbstorganisation“ zu überlassen.

Ich merke, auch wenn es nicht die Angst ist, die mich lähmt, dass ich froh darüber bin, nicht an der Stelle derjenigen zu sitzen, die hier und jetzt (z.B. in der Flüchtlingsfrage) über nationale Grenzen und politischen Tendenzen Entscheidungen zu fällen haben, die sie dann auch verantworten und tragen müssen. Natürlich kann ich mich darüber hinweg reden, da ich selber ja weder einträgliche Papiere im Paradies besitze noch schmutzige Wäsche in der Hölle waschen muss. Zudem engagiere ich mich ja für Gottes Lohn dafür, dass die Psychologen und Psychotherapeuten (Schweiz) wie auch die Systemiker und Humanisten (Deutschland) ihr Wissen und Können auf gleicher Augenhöhe mit den ärztlichen KollegInnen (Schweiz) bzw. anerkannten Therapieverfahren (Deutschland) einbringen können. Aber dabei geht es, wenn auch aufgehängt an „Grundrechten“ und verbunden mit dem Wohl von psychisch leidenden Menschen, so doch halt auch um einen Platz an diesem, auch eigenen Futtertopf.

Auch wenn dies okay ist, und die eine oder andere Blume einen dabei auch helfen mag, sowohl mit dem Gegenwind von „außen“ wie auch demjenigen aus den eigenen Reihen umzugehen, bleibt ein fahles, dumpfes Gefühl zurück. Man beginnt in diesem, wenn auch aus Eigeninteressen heraus motivierten Tun heraus abzuwägen, welchen Preis man bereit ist für die Einmischung, die „Exposition“ zu bezahlen, dann und dort, wo es um die Wurst oder zur Sache geht. Umso mehr zollt all jenen grossen Respekt, die nicht einfach das tun, was heute schon kleine Kinder auf dem Handy ihrer Eltern nachahmen, nämlich „wegwischen“, sondern sich mutig und nicht berechnend, im Kleinen wie im Grossen, still oder laut, alleine, als Team, Institution oder Verband über Eigenes hinaus Verantwortung übernehmen und sich einmischen. Dies gilt im Besonderen auch darum, weil die Systemische Therapie und Beratung ihnen/uns/mir weder eine parteiliche, Farbe bekennende Antwort auf all die Fragen noch klare, zertifizierte „Verfahrensrichtlinien“ zur Qualitätssicherung solchen Tuns vor-/geben kann.

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